Eindeutiger Zusammenhang: Hohe Therapieadhärenz, bessere Prognose
Wie wichtig eine hohe Therapieadhärenz für die Prognose der Patienten in der Sekundärprävention ist, wird an einer US-amerikanischen Kohortenstudie deutlich.
Dass sich eine hohe Therapieadhärenz auf die Prognose der Patienten positiv auswirkt, klingt einleuchtend. In einer US-amerikanischen Studie wurde diese Annahme nun wissenschaftlich untermauert. Wissenschaftler um Sameer Bansilal aus New York haben untersucht, wie häufig kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten, die erst kürzlich wegen eines Herzinfarkts in eine Klinik eingewiesen worden waren oder in der Vergangenheit eine arteriosklerotisches Ereignis erlitten haben, in Abhängigkeit von deren Therapietreue auftreten.
Dafür haben sie 4.014 Infarktpatienten und 12.976 Patienten mit einer arteriosklerotischen Erkrankung, die in einer US-amerikanischen Versicherungsdatenbank registriert waren, in drei Gruppen eingeteilt: Jene, die mehr als 80% der verordneten Statin- und ACE-Hemmer-Rezepte eingelöst haben, wurden als vollkommen adhärent eingestuft (fully adherent), war dies bei 40% bis 79% der Verordnungen der Fall, galten sie als teilweise adhärent (partially adherent), und bei einer Rezepteinlösungs-Quote von unter 40% als nicht adhärent (nonadherent).
Risiko für MACE um über 25% reduziert
Die vollkommen therapietreuen Infarktpatienten (43%) wiesen zwei Jahre später ein um 27% signifikant geringeres MACE-Risiko (erneute infarktbedingte Hospitalisation, Schlaganfall, Notwendigkeit für eine koronare Revaskularisation, Tod) auf als die nichtadhärente Gruppe (26%) und ein um 19% geringeres Risiko als die Patienten, die die Medikamente nur partiell eingenommen hatten (31%). Kein statistisch signifikanter Unterschied bei den MACE-Raten war zwischen den partiell und nicht adhärenten Teilnehmern erkennbar.
Auch die Arteriosklerose-Patienten mit der höchsten Adhärenz (34%) hatten im Vergleich zu den nicht oder nur teilweise therapietreuen Teilnehmern ein niedrigeres MACE-Risiko (Hazard Ratio, HR: 0,56 und 0,76). In dieser Population war allerdings auch das MACE-Risiko der nur partiell adhärenten Patienten (38%) um 27% niedriger als das der Teilnehmer, die die Verordnungen zum größten Teil gar nicht befolgten (28%).
Kosten werden gesenkt
Nicht überraschend machte sich eine hohe Adhärenz auch bzgl. der Gesundheitsausgaben bemerkbar: Eine hohe Adhärenz zur Statin- und ACE-Hemmer-Therapie war im Vergleich zu einer fehlenden bzw. partiellen Therapietreue mit einer jährlichen Kostenreduktion pro Infarktpatient von 369 bzw. 440 Dollar für infarktbedingte Klinikeinweisungen und 539 bzw. 844 Dollar für Revaskularisations-Verfahren assoziiert.
In der Kohorte der Arteriosklerose-Patienten ließen sich durch eine hohe Adhärenz entsprechend 116 bzw. 215 sowie 288 und 799 Dollar einsparen; die jährliche Kostensenkung pro Patient für Klinikeinweisungen aufgrund von Arteriosklerose oder Angina wurde auf 371 bzw. 907 Dollar geschätzt.
Hohe Adhärenz nötig
Diese Daten würden verdeutlichen, dass in der Akutphase nach einem Infarkt nur eine sehr hohe Adhärenz einen ausreichenden Schutz vor kardiovaskulären Ereignissen gewährleisten könne, schlussfolgern die Studienautoren. Denn eine partielle Therapietreue habe nicht denselben Benefit erzielt wie eine volle Adhärenz. Und auch langfristig scheint zumindest eine partielle Einhaltung der Therapieverordnungen nötig zu sein, um die Prognose zu verbessern.
Therapieadhärenz nur indirekt bestimmt
Eine definitive Aussage, wie viel von der Medikation eingenommen werden müsse, um einen klinischen Effekt zu erzielen, lasse sich anhand diesen Daten allerdings nicht treffen, betonen Paul Armstrong und Finlay McAlister in einem begleitenden Editorial. Dafür benötige es gut aufbereitete Daten zur momentanen Medikamenteneinnahme und zu pathophysiologischen Surrogatmarkern wie Blutdruck oder Cholesterinlevel. Wenn ein Patient ein Rezept einlöse, bedeute das nicht zwangsläufig, dass er das Medikament auch einnehme, erläutern sie eine Limitation der Studie.
Der Zusammenhang zwischen Therapieadhärenz und Effektivität bzw. Effizienz einer medizinischen Versorgung sei jedoch unumstritten, betonen die beiden Wissenschaftler. Ein erster Schritt hin zur besseren Adhärenz könnte schon sein, wenn Ärzte ihre Patienten routinemäßig bei jedem Praxisbesuch zur Therapietreue befragen und sie ermutigen, ihre Medikamente ordnungsgemäß einzunehmen.
Literatur
Bansilal S, Castellano JM, Garrido E, et al. Assessing the impact of medication adherence on long-term cardiovascular outcomes. J Am Coll Cardiol 2016; 68:789-801.
Armstrong PW, McAlister FA. Searching for adherence: can we fulfill the promise of evidence-based medicine. J Am Coll Cardiol 2016; 68:802-804.