Sportkardiologie: Auch Nahrungsergänzungsmittel bergen Risiken fürs Herz
Drogen, Medikamente, Koffein, rote Bete – das Spektrum der Mittel zur Steigerung sportlicher Leistungen ist groß. Häufiger als gedacht bergen sie kardiovaskuläre Risiken. Ein neues Positionspapier unterstützt Ärzte im Umgang mit Sportlern.
Nicht nur verbotene Substanzen, sondern auch scheinbar harmlose Nahrungsergänzungsmittel, die von Sportlern eingenommen werden, können dem Herzen schaden. Darüber informiert ein aktualisiertes Positionspapier, das von einem Expertenteam für Sportkardiologie von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie veröffentlich wurde.
Darin geht es neben legaler Supplementierung um Drogen, verschreibungspflichtige, frei erhältliche und noch nicht zugelassene Medikamente. Für mehr als 30 Dopingmittel werden bisherige Erkenntnisse zu den kardiovaskulären Risiken zusammengefasst.
Zwar führt die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) eine Liste verbotener Medikamente, Nährstoffe stehen jedoch nicht darauf, da viele nicht reguliert und lizenziert sind. Je nach Sportart und Wettkampfklasse variiert der Einsatz legaler Supplementierung zwischen 40% und 100%.
Auch pflanzliche Produkte können riskant sein
„Nahrungsergänzungsmittel werden als harmlos angesehen“, so die Mediziner um Sportwissenschaftler Dr. Paolo Adami vom World Athletics Verband. „Einige davon, auch pflanzliche Extrakte, können ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko darstellen, und Sportler riskieren damit sogar, gegen Anti-Doping-Bestimmungen zu verstoßen.“ Denn als Lebensmittelzutaten unterliegen sie nicht den strengen Sicherheitsstandards von Medikamenten.
Demnach sei auch die Kontamination von Nahrungsergänzungsmitteln mit unbekannten oder verbotenen Substanzen ein großes Problem, wobei über Kontaminationsraten zwischen 12% und 58% berichtet werde. Etwa enthielten Fatburner und Produkte auf Pflanzenbasis mitunter Ephedra. Dieser pflanzliche Drogenausgangsstoff könne kardiovaskuläre Erkrankungen auslösen und sei eine häufige Ursache für unbeabsichtigte Verstöße gegen Anti-Doping-Gesetze.
Experten plädieren für frühe Aufklärung
Sportler, die Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, seien oft nicht über die genauen Wirkungen informiert und orientierten sich eher an Ratschlägen ihres Umfelds. „Das deutet darauf hin, dass weitreichendere Aufklärungsmaßnahmen in einem jungen Alter erforderlich sind“, ergänzen Adami und Kollegen. Wenn ein Grund für eine Supplementierung vorliege, wie etwa ein spezifischer Nährstoffmangel, sei eine Beratung durch Ernährungsexperten ratsam, um Risiken abzuwägen.
Legale Nahrungsergänzungsmittel im Sport seien etwa Koffein, Kreatin, Energydrinks, Energieriegel, Rote-Bete-Saft und proteinhaltige Produkte. Koffein sei den Experten zufolge ein gutes Beispiel für eine natürliche Substanz, die als harmlos gelte. „Während Koffein die Leistung verbessert, insbesondere die aerobe Kapazität bei Ausdauersportlern, kann sein Missbrauch zu Tachykardien, Arrhythmien, Bluthochdruck und in einigen Fällen zum plötzlichen Herztod führen“, erläutern sie. Das Prinzip „Mehr ist besser“ könne dazu führen, dass Nebenwirkungen die Vorteile überwiegen.
Gefahr durch nicht zugelassene Arzneimittel
Die Arbeitsgruppe um Adami warnt davor, experimentelle Medikamente zu verwenden, die sich bei Menschen noch nicht als sicher erwiesen haben – das sei noch riskanter als der Einsatz von Steroiden oder anderen illegalen Arzneimitteln und berge ein erhebliches Risiko für langfristige Schäden. Auch Gendoping, etwa zur Verbesserung der Kraft, gehe mit Gesundheitsrisiken einher und sei eine große Bedrohung, die Besorgnis über die zukünftige Manipulation der menschlichen Leistung auslöse.
Oft verwenden Sportler eine Kombination von Substanzen, um ihre Leistung zu steigern, was gefährliche Wechselwirkungen zur Folge haben kann. Mögliche kardiovaskuläre Folgen seien plötzlicher Herztod, Arrhythmien, Arteriosklerose, Herzinfarkt, Hypertonie, Herzinsuffizienz und Thrombosen. „Alle Dopingmittel sind riskant und ihr Einsatz als Medikament sollte nur erlaubt sein, wenn sie von einem Arzt zur Behandlung eines Mangels verschrieben wurden, es keine therapeutischen Alternativen gibt und die Standards für medizinische Ausnahmegenehmigungen eingehalten werden“, heißt es in dem Positionspapier.
So können Ärzte Sportler unterstützen
„Wenn Ärzte ein Medikament verschreiben, sollten sie sich mit dessen Status gemäß dem WADA-Anti-Doping-Code vertraut machen“, empfehlen Adami et al. „Indem sie Arzneimittel nur bei nachgewiesenem klinischen Bedarf verschreiben, etwa einem Vitaminmangel, können sie sich aktiv am Kampf gegen Doping beteiligen.“ Darüber hinaus raten die Experten, Sportler über potenzielle Risiken von Nahrungsergänzungsmitteln aufzuklären. Auch Kinderärzte sollten sich darüber im Klaren sein, dass Doping nicht nur ein Problem im Erwachsenensport ist.
Wichtige Punkte bezüglich Nahrungsergänzungsmitteln im Sport sind laut dem Positionspapier:
- Eine natürliche Supplementierung ist nicht unbedingt eine risikofreie
- Nahrungsergänzungsmittel sollten nur verwendet werden, falls dies aufgrund eines Mangels notwendig ist und von Ernährungsexperten empfohlen wird
- Nur Produkte von etablierten Herstellern mit guten, international anerkannten Qualitätsstandards sollten verwendet werden
- Sportler sind persönlich verantwortlich für alle Substanzen, die sie konsumieren
- Unwissenheit wird in Bezug auf einen positiven Dopingtest nicht als Entschuldigung akzeptiert
- Sportler mit nachgewiesener Herzerkrankung sollten noch vorsichtiger sein und ihren Arzt konsultieren, bevor sie Nahrungsergänzungsmittel verwenden
Literatur
Adami P et al. Cardiovascular effects of doping substances, commonly prescribed medications and ergogenic aids in relation to sports: a position statement of the sport cardiology and exercise nucleus of the European Association of Preventive Cardiology. European Journal of Preventive Cardiology 2022. https://doi.org/10.1093/eurjpc/zwab198
ESC-Pressemitteilung: Athletes warned against potential dangers of natural supplements. 27.01.2022