Kann ein Antidiabetikum Vorhofflimmern verhindern?
Eine Post-hoc-Analyse der Mega-Studie DECLARE offenbart eine neue Facette im Wirkprofil des Antidiabetikums Dapagliflozin. Danach scheint dieser SGLT2-Hemmer auch Vorhofflimmern/-flattern-Ereignisse deutlich reduzieren zu können.
Die Grenzen seiner ausschließlichen therapeutischen Nutzung als Antidiabetikum zur Blutzuckersenkung hat der SGLT2-Hemmer Dapagliflozin längst hinter sich gelassen. Bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) hat Dapagliflozin inzwischen in der DAPA-HF-Studie eine mortalitätssenkende Wirkung unter Beweis gestellt - auch bei Patienten ohne Diabetes. Und bei Niereninsuffizienz könnte der SGLT2-Hemmer einer Vorankündigung zum Ausgang der DAPA-CKD-Studie zufolge ebenfalls von protektivem Nutzen sein.
Damit nicht genug. Jetzt liefert eine Post-hoc-Analyse von Daten der DECLARE-TIMI 58 (Dapagliflozin Effect on Cardiovascular Events–Thrombolysis in Myocardial Infarction 58) erste Anhaltspunkte dafür, dass Dapagliflozin bei kardiovaskulären Risikopatienten mit Typ-2-Diabetes auch die Inzidenz von Vorhofflimmern/-flattern-Ereignissen verringert.
Risiko für Vorhofflimmern um 19% niedriger
Danach war das Risiko für entsprechende Arrhythmie-Episoden in der Dapagliflozin-Gruppe nach vier Jahren signifikant um 19% niedriger als in der Placebo-Gruppe (3,0% vs. 3,7%; Hazard Ratio [HR], 0,81, 95% Konfidenzintervall [KI] 0,68–0,95; p=0,009). Im Studienverlauf war über ein Auftreten von Vorhofflimmern- oder –flattern bei 264 Patienten im Dapagliflozin-Arm und bei 325 Patienten im Placebo-Arm berichtet worden. Das entspricht einer Inzidenz von 7,8 vs. 9,6 Ereignissen pro 1000 Patienten pro Jahr. Absolut betrachtet ist der Unterschied zugunsten von Dapagliflozin damit relativ klein.
Die Assoziation von Dapagliflozin-Behandlung mit einer niedrigeren Rate an berichteten Vorhofflimmern/-flattern-Episoden erwies sich bei der Analyse diverser Subgruppen als sehr konsistent. Sie war beispielsweise unabhängig davon,
- ob bei den Patienten bereits in der Vorgeschichte Vorhofflimmern oder -flattern aufgetreten war (n=1116) oder nicht
- eine manifeste Herzinsuffizienz bestand oder nicht oder
- die Patienten bereits eine gesicherte atherosklerotische Gefäßerkrankung hatten oder „nur“ kardiovaskuläre Risikofaktoren aufwiesen.
Wurde im Übrigen bei der Analyse die Gesamtheit aller in der Studie registrierten Vorhofflimmern/-flattern-Ereignisse (außer Erstereignisse auch Rezidivereignisse) zugrunde gelegt, resultierte eine signifikante relative Risikoreduktion um 23% durch Dapagliflozin (337 vs. 432 Ereignisse, p=0,005).
Limitierungen der Studie
Die aktuelle retrospektive DECLARE-Analyse kann nur „explorative” Bedeutung beanspruchen. Als limitierender Faktor ist zu berücksichtigen, dass Vorhofflimmern/-flattern kein vorab spezifizierter Studienendpunkt war. Systematische EKG-Kontrollen waren in der Studie nicht vorgesehen. Die Meldung von Vorhofflimmern/-flattern-Ereignissen war somit davon abhängig, ob entsprechende Arrhythmie-Episoden den Studienärzten als „schwerwiegende unerwünschte Ereignisse“ (serious adverse events) berichtenswert erschienen oder nicht. Somit könnte die wahre Inzidenz dieser Arrhythmie-Episoden in der Studie unterschätzt worden sein.
Größte kardiovaskuläre Outcome-Studie mit einem SGLT2-Hemmer
DECLARE-TIMI 58 ist bekanntlich die bislang größte kardiovaskuläre Outcome-Studie mit einem SGLT2-Hemmer bei Patienten mit Typ-2-Diabetes. Beteiligt waren 17.160 Patienten, bei denen aufgrund multipler Risikofaktoren oder manifester Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bestand. Sie waren rund vier Jahre lang mit Dapagliflozin oder Placebo additiv zur Standardtherapie behandelt worden.
Klinisch überlegen war die Behandlung mit dem SGLT2-Hemmer der Placebo-Gabe nur in Bezug auf einen von zwei „co-primären“ Endpunkten. Die Rate für kardiovaskuläre Todesfälle und Klinikeinweisungen wurde im Vergleich zu Placebo signifikant um 17% reduziert. Ausschlaggebend dafür war eine signifikante Reduktion von Klinikeinweisungen wegen Herzinsuffizienz um 27%. Beim stärker auf atherothrombotische Ereignisse fokussierten Endpunkt (kardiovaskulär bedingter Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall) erweis sich die Reduktion als nicht signifikant. Damit konnte zwar die „Nicht-Unterlegenheit“ des SGLT2-Hemmers, nicht aber seine Überlegenheit belegt werden.
Welche Mechanismen könnten relevant sein?
Die Autoren der neuen DECLARE-Analyse um Dr. Stephen D. Wiviott vom TIMI Study Office in Boston stellen mehrere Mechanismen als mögliche Grundlage der „antiarrhythmischen“ Wirkung von Dapagliflozin zur Diskussion. Da SGLT2-Hemmer Natriurese und Diurese befördern, könnten sie etwa einer atrialen Dilatation entgegenwirken. Experimentelle und klinische Daten legten nahe, dass sie nachteilige Umbauprozesse des Herzens (cardiac remodeling) günstig beeinflussen könnten.
Auch die für SGLT2-Hemmer gezeigten Reduktionen von Blutdruck, Körpergewicht, Inflammation, oxidativem Stress und Sympathikus-Überaktivierung seien allesamt Effekt, die in möglichem Bezug zur Entstehung oder Aufrechterhaltung von Vorhofflimmern/-flattern stehen.
Literatur
Zelniker T. et al.: Effect of Dapagliflozin on Atrial Fibrillation in Patients With Type 2 Diabetes Mellitus - Insights From the DECLARE-TIMI 58 Trial. Circulation 2020, 141: 1227-1234