Stadt-Land-Gefälle bei kardiovaskulärer Versorgung
Nicht nur in Deutschland gibt es große regionale Unterschiede, wenn es um die Gesundheitsversorgung vor Ort geht. Einer US-Studie zufolge kann sich das auf die Prognose kardiovaskulär erkrankter Patienten auswirken.
Viele Ärzte in ländlichen Gegenden finden für ihre Praxis keinen Nachfolger, Kliniken brauchen aufgrund der höheren Bevölkerungsdichte in Städten ein kleineres Einzugsgebiet, um wirtschaftlich tragfähig zu sein. So besteht bei der medizinischen Versorgung noch immer eine Kluft zwischen Stadt und Land, verstärkt durch den demografischen Wandel. Dieses Problem betrifft nicht nur Deutschland – auch eine Studie aus den USA weist jetzt auf Lücken in der Versorgung älterer Patienten mit akuten kardiovaskulären Erkrankungen im ländlichen Raum hin.
In der retrospektiven Querschnittsstudie wurden Daten von mehr als zwei Millionen mit Medicare versicherten US-Amerikanern ausgewertet. Sie waren mindestens 65 Jahre alt und hatten akute kardiovaskuläre Erkrankungen. Dr. Eméfah Loccoh von der Havard Medical School in Boston und ihr Team verglichen die Inanspruchnahme bestimmter Therapien sowie die 30- und 90-Tages-Mortalität von Patienten, die in ländlichen und städtischen Krankenhäusern behandelt worden waren.
Unterschiede bei Therapien und Mortalität
Die knapp 2,2 Millionen Patienten waren mit akutem Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz oder ischämischem Schlaganfall in eine Klinik eingeliefert worden. Gegenüber Patienten mit Herzinfarkt, die in städtischen Krankenhäusern behandelt wurden, unterzogen sich diejenigen in ländlichen Kliniken signifikant seltener einer Herzkatheterisierung (50% vs. 64%), einer perkutanen Koronarintervention (42% vs. 46%) oder einer koronaren Bypass-Operation (9% vs. 10%) innerhalb von 30 Tagen. Patienten mit ischämischem Schlaganfall erhielten in einem ländlichen gegenüber einem städtischen Umfeld signifikant seltener eine Thrombolyse (3% vs. 10%) oder eine endovaskuläre Therapie (2% vs. 4%).
Nach Adjustierung auf demografische Faktoren und Komorbiditäten war die 30-Tages-Mortalität unter den Patienten in den ländlichen Kliniken höher als unter denen, die in städtischen Einrichtungen versorgt wurden: bei Herzinfarkt um 10%, bei Herzinsuffizienz um 15% und bei ischämischem Schlaganfall um 20%, mit ähnlichen Mustern für die 90-Tages-Mortalität. Diese Unterschiede waren noch größer für die Subgruppe der „Critical Access Hospitals“. Das sind kleine Krankenhäuser in abgelegenen Gebieten, die staatlich unterstützt werden, um auch dort eine Notfallversorgung gewährleisten zu können.
Experten plädieren für politische Maßnahmen
„Politische Maßnahmen sind notwendig, um die Unterschiede zwischen der medizinischen Versorgung in der Stadt und auf dem Land zu beseitigen und die Prognose von Patienten mit akuten kardiovaskulären Erkrankungen zu verbessern“, fordern Loccoh und Kollegen.
„Die Ergebnisse der Studie betonen, dass es wichtig ist, die Ursachen dieser Diskrepanzen zu identifizieren“, ergänzen Prof. Alexander Fanaroff von der Universität Pennsylvania in Philadelphia et al. in einem Begleitkommentar. Es müsse geklärt werden, ob die schlechte Prognose der auf dem Land lebenden Erkrankten tatsächlich eher mit einer eingeschränkten Versorgung und Qualitätsunterschieden als mit Patientenfaktoren zusammenhänge. Auch wenn die aktuelle Studie ein wichtiger Anfang sei, sei weitere Forschung mit detaillierteren klinischen Daten dazu erforderlich.
Literatur
Loccoh E et al. Rural-Urban Disparities in Outcomes of Myocardial Infarction, Heart Failure, and Stroke in the United States. JACC 2022; https://doi.org/10.1016/j.jacc.2021.10.045
Fanaroff A et al. Rural-Urban Disparities in Cardiovascular Outcomes: Getting to the Root of the Problem. JACC 2022. https://doi.org/10.1016/j.jacc.2021.11.016