Sterben Fleischesser früher?
Vegetarier leben womöglich herzgesünder. Zumindest ist laut einer neuen Metaanalyse der Verzehr von Fleisch mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko und Sterberisiko assoziiert – egal wie viel davon man isst.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, selten Fleisch und Wurst zu essen, maximal 300 bis 600 g pro Woche. Der durchschnittliche Konsum in Deutschland beträgt jedoch 1,15 kg pro Woche, das heißt zwei- bis viermal so viel.
Die Auswirkungen eines solchen Fleischkonsums auf die Herzgesundheit werden seit Langem kontrovers diskutiert. Besonders rotem Fleisch wird eher eine schädliche Wirkung nachgesagt. Entsprechend überraschend war dann das Ergebnis einer beim ESC-Kongress 2018 präsentierten Studie, laut der rotes Fleisch in Maßen sogar förderlich für die Herzgesundheit sein soll.
Nun haben sich Forscher um Dr. Victor Zhong von der Cornell Universität in Ithaca, New York, erneut im Rahmen einer Metaanalyse mit diesem Thema beschäftigt; Daten von fast 30.000 Teilnehmern haben die Wissenschaftler dafür ausgewertet.
Geringfügig erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
Ihr Resümee: Zwei Portionen verarbeitetes oder unverarbeitetes rotes Fleisch pro Woche waren im Vergleich zu Fleischverzicht mit einem signifikant um 7% bzw. 3% erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert. Bestandteile des kombinierten Endpunkt waren koronare Herzerkrankung, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und kardiovaskuläre Todesfälle.
Fischkonsum hatte weder positive noch negative Effekte
Auch zwei Portionen Geflügel pro Woche waren mit einem um 4% erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert, verglichen mit gar keinem Geflügelverzehr. Fischkonsum hatte dagegen keine negativen Auswirkungen auf die Herzgesundheit, allerdings auch keine positiven.
Der Verzehr von verarbeitetem und rotem Fleisch war zudem mit einem signifikant um 3% erhöhten Sterberisiko assoziiert. Weder bei Geflügel- noch bei Fischkonsum wurde eine signifikante Assoziation mit der Gesamtmortalität beobachtet. Die Forscher weisen jedoch darauf hin, dass sie Unterschiede in der Zubereitungsart des Geflügels nicht berücksichtigen konnten.
Ist ein kompletter Fleischverzicht notwendig?
Ihre Analyse umfasste Daten aus sechs prospektiven Kohortenstudien mit fast 30.000 Teilnehmern. Das Durchschnittsalter betrug 54 Jahre, 44% waren Männer. Innerhalb des Beobachtungszeitraums von durchschnittlich 19 Jahren traten fast 7.000 kardiovaskuläre Ereignisse auf, vor allem Fälle von Herzinsuffizienz und koronarer Herzerkrankung, und fast 9.000 Todesfälle.
Nach Ausführungen von Zhong und Kollegen konnten sie in der Studie keine Mindestverzehrmenge für rotes und verarbeitetes Fleisch feststellen, die risikofrei wäre. Nur der gänzliche Verzicht sei mit keinem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tod assoziiert, so die Autoren.
Ärzte sollten keine universellen Empfehlungen geben
„Die Ergebnisse der Studie scheinen wichtige Auswirkungen auf die bevölkerungsweite Gesundheit zu haben, da das Ernährungsverhalten veränderbar ist und die meisten Menschen Fleisch, Fisch oder Geflügel täglich oder wöchentlich konsumieren", resümieren Zhong und Kollegen. Die Wissenschaftler raten Ärzten, ihre Empfehlungen zum Ernährungsverhalten am Gesundheitszustand der Patienten, deren Risikofaktoren und Behandlungszielen zu orientieren, statt einen einheitlichen Ansatz zu wählen.
Allerdings ist bei der Interpretation dieser Studie wie bei den allermeisten Ernährungsstudien Vorsicht geboten, da es sich nur um Assoziationen und nicht um kausale Zusammenhänge handelt.
Literatur
Zhong V et al. Associations of Processed Meat, Unprocessed Red Meat, Poultry, or Fish Intake With Incident Cardiovascular Disease and All-Cause Mortality. JAMA Internal Medicine 2020. https://doi.org/10.1001/jamainternmed.2019.6969