Metaanalyse: ADHS-Medikamente bergen keine Gefahr für das Herz
Der Verdacht steht im Raum, dass Medikamente zur ADHS-Therapie das kardiovaskuläre Risiko erhöhen könnten. Die Ergebnisse einer Metaanalyse mit knapp 4 Millionen Teilnehmern sorgen nun für Beruhigung, wenngleich die Autoren nicht alle Unsicherheiten klären konnten.
Medikamente zur Behandlung von Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) können zwar Blutdruck und Herzfrequenz erhöhen – eine Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzstillstand scheint daraus aber weder bei Kindern und Jugendlichen noch bei Erwachsenen zu resultieren.
Zu diesem Ergebnis gelangt eine Autorengruppe um Dr. Le Zhang und Dr. Zheng Chang von der Abteilung für Medizinische Epidemiologie und Biostatistik am Karolinska Institutet in Stockholm in einer jetzt in „JAMA Network Open“ publizierten Metaanalyse. Die Gruppe hat dafür Daten aus 19 zwischen 2007 und 2021 publizierten Studien (davon 14 Beobachtungsstudien) mit insgesamt 3.931.532 beteiligten Patientinnen und Patienten jeglichen Alters (davon 60,9% männlich) aus sechs Ländern oder Regionen (USA, Südkorea, Kanada, Dänemark, Spanien und Hong Kong) zusammengetragen.
Mediane Nachbeobachtungsdauer von 1,5 Jahren
Die Nachbeobachtung erstreckte sich über Zeiträume von 0,25 bis maximal 9,5 Jahre (im Median 1,5 Jahre). Auf Basis der gepoolten Studiendaten haben die Forschenden ermittelt, wie häufig es in dieser Zeit bei mit ADHS-Medikamenten behandelten im Vergleich zu damit nicht behandelten Personen zu kardiovaskulären Ereignissen oder Erkrankungen wie Hypertonie, KHK, zerebrovaskulären Erkrankungen, Herzinsuffizienz, venöse Thromboembolien, Tachyarrhythmien oder Herzstillstand gekommen war.
Das Ergebnis: Aufgeschlüsselt nach Altersgruppen war die Einnahme von ADHS-Medikamenten sowohl bei Kindern oder Jugendlichen (Relatives Risiko: 1,18; 95% Konfidenzintervall: 0,91-1,53) wie auch bei Erwachsenen jüngeren oder mittleren Alters (RR: 1,04; 95% KI: 0,43-2,48) und bei älteren Erwachsenen (RR. 1,59; 95% KI: 0,62-4,05) mit keiner signifikanten Zunahme des kardiovaskulären Risikos assoziiert.
Kein Unterschied zwischen stimulierenden und nicht stimulierenden Medikamenten
Eine Subgruppenanalyse, bei der eine Differenzierung der ADHS-Medikation vorgenommen worden war, kam zu dem Ergebnis, dass weder ADHS-Medikamente mit stimulierender Wirkung (RR, 1,24; 95% KI 0,84-1,83) noch nicht stimulierende ADHS-Mittel (RR: 1,22; 95% KI 0,25-5,97) mit einer signifikanten Zunahme von kardiovaskulären Ereignissen einhergingen.
Einer auf spezifische kardiovaskuläre Ereignisse fokussierten Analyse zufolge stand weder die Häufigkeit von Arrhythmien oder Herzstillständen (RR: 1,60; 95% KI: 0,94-2,72) noch die die von zerebrovaskulären Erkrankungen (RR: 0,91; 95% KI: 0,72-1,15), oder von Myokardinfarkten (RR: 1,06; 95% KI: 0,68-1,65) in einer signifikanten Beziehung zur Einnahme von ADHS-Medikamenten.
In einer geschlechterspezifischen Analyse konnte zudem weder bei weiblichen (RR: 1,88; 95% KI: 0,43-8,24) noch bei männlichen Studienteilnehmern (RR: 1,08; 95% KI: 0,32-3,67) eine signifikante Risikozunahme festgestellt werden. Und auch in den beiden Subgruppen der kardiovaskulär vorerkrankten Teilnehmer (RR: 1,31; 95% KI: 0,80-2,16) sowie der Personen ohne kardiovaskuläre Erkrankung in der Vorgeschichte (RR: 1,08; 95% KI: 0,32-3,67) waren ADHS-Medikamente mit keinem signifikant erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert. Zumindest in den einzigen beiden Studien mit einem Langzeit-Follow-up war das Risiko bei Einnahme entsprechender Medikamente bei Teilnehmern mit einer bereits bestehenden kardiovaskulären Erkrankung allerdings erhöht (RR: 2,01; 95% KI 1,98-2,06 bzw. RR: 3,07; 95% KI: 1,09-8,64).
„Beruhigende Daten“
„Insgesamt liefert unsere Metaanalyse beruhigende Daten zum mutmaßlichen kardiovaskulären Risiko bei medikamentöser ADHS-Behandlung“, schreiben die Autoren. Sie räumen aber auch ein, dass moderate Risikozunahmen mit dieser Analyse nicht sicher ausgeschlossen werden konnten. Unsicherheiten bestehen aus ihrer Sicht etwa noch bezüglich der Assoziation mit Herzstillständen und Tachyarrhythmien. Auch die mögliche Bedeutung von ADHS-Medikamenten für das kardiovaskuläre Risiko speziell bei Frauen und bei Menschen mit vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedürfe einer genaueren Untersuchung in weiteren Studien.
Literatur
Le Zhang et al.: Risk of Cardiovascular Diseases Associated With Medications Used in Attention-Deficit/Hyperactivity DisorderA Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Netw Open. 2022;5(11): e2243597. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.43597