Nachrichten 12.05.2022

Schlaganfall: Erhöhtes Rezidivrisiko bei „komplizierten“ Karotisplaques

Patientinnen und Patienten mit ischämischem Schlaganfall und sogenannten „komplizierten“ Plaques in der Halsschlagader ipsilateral zur akuten Hirnischämie haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Rezidiv-Schlaganfälle. Das belegen Ergebnisse der deutschen CAPIAS-Studie.

Unter den Patienten und Patientinnen mit ischämischem Schlaganfall lassen sich diejenigen, die ein erhöhtes Risiko für ein Rezidivereignis haben, künftig möglicherweise besser identifizieren. Dafür sprechen jedenfalls Ergebnisse der deutschen CAPIAS-Studie (Carotid Plaque Imaging in Acute Stroke), die Dr. Anna Kopczak vom LMU-Klinikum in München jüngst bei der European Stroke Organisation Conference vorgestellt hat.

Das nachzuweisende Risikomerkmal, auf das es dabei ankommt, sind sogenannte komplizierte oder vulnerable, nicht-stenosierende Plaques in den Karotisarterien. Solche rupturanfälligen komplizierten Karotisläsionen (AHA Lesion Type VI Plaques) sind etwa durch eine eingerissene fibröse Kappe, Einblutungen in die Plaque oder anhaftende murale Thromben gekennzeichnet. Lassen sich Karotisplaques mit diesen Merkmalen mittels MRT-Bildgebung nachweisen, ist das Risiko für ein erneutes zerebrovaskuläres Ereignis deutlich erhöht, so das Ergebnis der aktuellen CAPIAS-Analyse.

Studie an vier deutschen Zentren

Die Analyse basiert auf Daten von 196 Patienten und Patientinnen mit akutem ischämischem Schlaganfall, die an vier deutschen Zentren in München, Tübingen und Freiburg rekrutiert worden sind. Wichtigstes Ausschlusskriterium der Studie waren Läsionen mit einem Stenosegrad ≥ 70 % (NASCET-Kriterien).

Innerhalb von zehn Tagen nach dem Akutereignis sind alle Studienteilnehmer einer MRT-Untersuchung mittels hochauflösender, kontrastmittelgestützter Plaque-Bildgebung am 3T-MRT mit speziellen Oberflächenspulen unterzogen worden. Diese Untersuchung gibt Einblick in die Plaque-Zusammensetzung und ermöglicht so eine gute Beurteilung der Vulnerabilität von Karotisläsionen. In der Folge sind die Studienteilnehmer dann nach 3, 6, 12, 24 und 36 Monaten auf mögliche zerebrovaskuläre Rezidive untersucht worden. 

Von den 196 Teilnehmenden mit kompletten Karotis-MRT-Daten hatten 104 einen kryptogenen Schlaganfall und 54 einen kardioembolischen Schlaganfall. In 19 Fällen wurde eine Makroangiopathie und in weiteren 19 Fällen eine Mikroangiopathie als Ursache ausgemacht. Bei insgesamt 56 Teilnehmern (29%) konnten zu Beginn ipsilaterale komplizierte Karotisplaques nachgewiesen werden.

Rezidivrisiko im Fall komplizierter Plaques um den Faktor 2,5 höher

Im Follow-up-Zeitraum von rund drei Jahren waren 21 Schlaganfallpatienten von einem erneuten zerebrovaskulären Ereignis betroffen, davon 16 von einem ischämischem Schlaganfallrezidiv und fünf von einer transienten ischämischen Attacke (TIA). Die Inzidenz von rezidivierenden Schlaganfällen und TIA-Episoden war in dieser Zeit bei Patienten mit ipsilateralen komplizierten Karotisplaques signifikant höher als bei Patienten ohne entsprechende Läsionen (9,50 vs. 3,61 pro 100 Patientenjahre, p = 0,025).

In einer für Alter und Geschlecht adjustierten Analyse war das Vorliegen entsprechender Risikoplaques mit einem um den Faktor 2,5 höheren Schlaganfall/TIA-Risiko assoziiert (Hazard Ratio: 2,51; 95%-KI: 1,03–6,11; p=0,043).

Besonders hoch war das Risiko dabei in der Subgruppe der Patienten mit als kryptogen klassifizierten Schlaganfällen (Inzidenz:  10,92 vs. 1,82 pro 100 Patientenjahre, p = 0,003). In der adjustierten Analyse war das Bestehen ipsilateraler komplizierter Karotisplaques bei Patienten mit kryptogenen Schlaganfällen mit einem um den Faktor 5,6 höheren Rezidivrisiko assoziiert (HR: 5,60; 95%-KI: 1,43–21,83; p = 0,013). Bei Patienten mit kryptogenem Schlaganfall gingen im Übrigen auch spezifische Eigenschaften von Risikoplaques in den Karotiden mit einem signifikant erhöhten Rezidivrisiko einher, so der Nachweis einer rupturierten fibrösen Kappe (HR: 4,91; 95% KI: 1,31–18,45; p = 0,018) und von Plaque-Einblutungen (HR: 4,37; 95% KI: 1,20–15,97; p = 0,026). 

Frage nach den therapeutischen Konsequenzen

Die neue CAPIAS-Analyse könnte demnach dabei helfen, diejenigen Schlaganfallpatienten, die in stärkerem Maß von einem erneuten Hirninsult bedroht sind, besser zu erkennen. Keine Hilfe ist die Studie jedoch bei der Beantwortung der Frage, was bei so identifizierten Risikopatienten zur Vorbeugung drohender Rezidive therapeutisch unternommen werden soll. Sollen sie zusätzliche Medikamente erhalten oder bereits eingenommene Medikamente in höhere Dosierung? Könnten sie von einer operativen Entfernung nicht-stenotischer Risikoplaques prognostisch profitieren, wie das bei Patienten mit hochgradig verengten Läsionen der Fall ist?

Antworten auf diese Fragen können nur künftige Studien geben. Auch die Münchner LMU-Arbeitsgruppe um Dr. Anna Kopczak und Prof. Martin Dichgans will dazu mit einer geplanten Studie einen forscherischen Beitrag leisten.

Literatur

Anna Kopczak et.al. Complicated Carotid Artery Plaques and Risk of Recurrent Ischemic Stroke or TIA. J Am Coll Cardiol. 2022; DOI: 10.1016/j.jacc.2022.03.376