Kein erhöhtes Herzrisiko bei Testosteron-Gabe in Metaanalyse
Eine neue Metaanalyse bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Testosteron-Gabe bei Männern mit Testosteron-Mangel (Hypogonadismus) das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse erhöht. Den definitiven Beweis für die langfristige Sicherheit dieser Behandlung liefert sie dennoch nicht.
Über die kardiovaskuläre Sicherheit einer Testosteron-Ersatztherapie bei Männern mit erniedrigten Testosteronspiegeln ist schon viel und kontrovers diskutiert worden. Das liegt vor allen an der derzeit bestehenden uneinheitlichen Studienlage, die noch keine definitiven Antworten erlaubt.
Kann in dieser Situation eine Metaanalyse von Daten heterogener Studien, die in der Regel zu klein waren, um Effekte auf kardiovaskuläre Ereignisse zuverlässig aufdecken zu können, zu klaren Ergebnissen führen? Eine internationale Arbeitsgruppe um Dr. Miriam Brazzelli von der University of Aberdeen hat jetzt eine solche Analyse vorgelegt.
Analyse auf Basis von 35 Studien
Nach ihren Ergebnissen geht zumindest eine kurzfristige Testosteron-Substitution bei Männern mit diagnostiziertem Hypogonadismus mit keiner Zunahme von kardiovaskulären Ereignissen einher. Ob dies aber auch für eine Testosteron-Behandlung von längerer Dauer gilt, bleibt weiterhin unklar. Zur Klärung dieser Frage bedarf es weiterer Studien.
Brazelli und ihr Team haben die einschlägige wissenschaftliche Literatur nach Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit einer mindestens dreimonatigen Testosteron-Ersatztherapie bei Männern mit erniedrigten Testosteron-Spiegeln (12 nmol/l oder niedriger) durchforstet. Unter den 35 als für die Auswertung geeignet beurteilten Studien waren 17, die jeweils individuelle Patientendaten (IPD) von insgesamt 3.431 Teilnehmern zur Metaanalyse beisteuern konnten. Die mittlere Dauer der Testosteron-Behandlung betrug 9,5 Monate.
Entwarnung zumindest für die kurzzeitige Behandlung
Im Beobachtungszeitraum traten in der Testosteron-Gruppe weniger Todesfälle auf als in der Placebo-Gruppe (4 vs. 12 Ereignisse, 0,4% vs. 0,8%). Der Unterschied war nicht signifikant (Odds Ratio, OR: 0,46; 95%-KI: 0,17–1,24; p=0,13). Auch die Raten für kardiovaskuläre Ereignisse wie Arrhythmien, Herzinsuffizienz oder Myokardinfarkt waren in der Testosteron- und Placebo-Gruppe nicht signifikant unterschiedlich (7,5% vs. 7,2%; OR: 1,07; 95% KI: 0,81–1,42; p=0,62).
Wurden außer den 17 Studien mit individuellen Patientendaten auch noch die übrigen 18 Studien mit aggregierten Studiendaten (study level data) in die Analyse einbezogen, änderte das an den Ergebnissen kaum etwas.
Zumindest für die zugrunde liegende Behandlungsdauer von knapp zehn Monaten scheint die Metaanalyse somit bezüglich des kardiovaskulären Risikos einer Testosteron-Ersatztherapie bei Männern mit Hypogonadismus Entwarnung geben zu können. Die Frage, ob diese Therapie auch im Fall einer längeren Behandlungsdauer als sicher anzusehen ist, kann die Analyse dagegen nicht zuverlässig beantworten.
Neue Studiendaten in Kürze erwartet
Aufschluss darüber könnte etwa die randomisierte TRAVERSE-Studie bringen, die gemäß Studienplanung Mitte 2022 das Ende ihrer Laufzeit erreichen sollte. An dieser Studie nehmen knapp 5.250 Männer mit Hypogonadismus teil, bei denen entweder ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko oder bereits eine manifeste Herz-Kreislauf-Erkrankung besteht. In einem Follow-up-Zeitraum von rund fünf Jahren bei ihnen soll der Einfluss einer topischen Testosteron-Therapie auf die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse im Vergleich zu Placebo untersucht werden.
Literatur
Hudson J et al. Adverse cardiovascular events and mortality in men during testosterone treatment: an individual patient and aggregate data meta-analysis. Lancet Healthy Longev 2022; 3: e381–93.