Mikrobiom könnte Blutdruckvariabilität beeinflussen
Abweichungen des zirkadianen Blutdruckprofils gehen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einher. Eine Studie liefert nun erste Hinweise, dass die Darmflora bei der Regulation der Blutdruckvariabilität eine Rolle spielen könnte.
Das Mikrobiom könnte die Ausprägungen von zirkadianen Blutdruckschwankungen beeinflussen. Darauf deutet eine Proof-of-Concept-Studie aus Australien hin.
„Die Vielfalt der Darmflora, Konzentrationen von mikrobiellen Stoffwechselprodukten und die Bakterien Alistipesfinegoldii und Lactobacillus waren mit einer niedrigeren Blutdruckvariabilität assoziiert und Clostridium sowie Prevotella mit einer höheren“, berichten die australischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Evany Dinakis.
Mikrobiom und Blutdruck hängen zusammen
Dass das Mikrobiom bei der Blutdruckregulation eine Rolle spielt, ist keine ganz neue Erkenntnis. So konnte in tierexperimentellen Studie durch Transplantation von mikrobiellen Stuhlproben in den Darm keimfreier Tiere eine Erhöhung des Blutdrucks ausgelöst werden. Noch gibt es aber nur wenig Evidenz, inwieweit das Mikrobiom die zirkadianen Schwankungen des Blutdrucks beeinflusst. Bei gesunden Menschen sinkt der Blutdruck bekanntlich nachts stark hab: sog. Dipping. Am Morgen kommt es in der Regel zu einem deutlichen Anstieg des Blutdrucks. Menschen, bei denen diese natürliche Blutdruckvariabilität gestört ist, z.B. „Nondippers“, haben Studien zufolge ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.
In diesem Sinne wäre es wichtig, potenzielle Einflussfaktoren einer gestörten Blutdruckvariabilität ausfindig zu machen. Dinakis und sein Team haben im Rahmen ihrer Studie bei 69 Patientinnen und Patienten mit normalen Blutdruck oder einem nicht medikamentös behandelten Bluthochdruck ein ambulantes 24-Stunden-Blutdruckmonitoring vorgenommen. Zusätzlich haben sie Stuhlproben sowie Blutproben der Teilnehmer untersucht.
Bestimmte Bakterien bei gestörter Variabilität nachweisbar
Dabei konnten sie spezifische Darmflora-Merkmale ausmachen, die mit der systolischen Blutdruckvariabilität, dem nächtlichen Dipping und dem morgendlichen Blutdruckanstieg assoziiert waren. So waren die Bakterienarten Alistipesfinegoldii und Lactobacillus spp. nur im Darm von Patienten nachweisbar, deren Blutdruckvariabilität der Norm entsprach, inkl. einem nächtlichen Dipping und einem normal ausgeprägten morgendlichen Blutdruckanstieg. Interessanterweise fanden sich Prevotella spp. und Clostridium spp. dagegen bei Patienten mit einer gestörten Blutdruckvariabilität wie jenen mit extremen nächtlichen Dipping, hohen systolischen Blutdruckwerten und starken morgendlichen Blutdruckspitzen.
Evtl. ergeben sich daraus neue Therapieziele
Des Weiteren konnten die Wissenschaftler eine negative Korrelation zwischen der Artenvielfalt im Darm (gemessen am Shanon-Index) und der Höhe des morgendlichen Blutdrucks feststellen. Ebenso waren niedrige Plasmakonzentrationen der im Darm gebildeten kurzkettigen Fettsäuren mit einem starken Anstieg des morgendlichen Blutdrucks assoziiert, das galt speziell für Acetate. Derselbe Zusammenhang zeigte sich auch für einen bestimmten Rezeptor für kurzkettige Fettsäuren (FFAR2). Dies deute darauf hin, dass die Teilnehmer, deren Blutdruckvariabilität erhöht gewesen sei, insgesamt niedrigere Expressionsleveln von FFAR2 aufweisen, schlussfolgern die Autoren. Dieser Rezeptor könnte somit ein künftiges Ziel für neue Bluthochdrucktherapien darstellen, stellen sie in Aussicht.
Bis es soweit ist, benötigt es allerdings noch mehr Evidenz, um die in dieser Proof-of-Concept-Studie aufgestellte Theorie zu bestätigen. Eine Kausalität lässt sich aus den aktuellen Daten nämlich nicht ableiten. Somit ist fraglich, ob das Mikrobiom tatsächlich ursächlich für die veränderte Blutdruckvariabilität verantwortlich gemacht werden kann.
Literatur
Dinakis E et al. Association Between the Gut Microbiome and Their Metabolites With Human Blood Pressure Variability. Hypertension. 2022;79:00–00.
DOI: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.122.19350