Wie gut funktioniert eine zweite TAVI?
Eine Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) lässt sich einer Registerstudie zufolge offenbar auch ein zweites Mal erfolgreich vornehmen. Der Studienautor spricht von einem Richtungswechsel. Doch nicht alle Experten sehen das so optimistisch.
Wenn die erste TAVI-Klappe degeneriert, scheint eine zweite TAVI eine erfolgsversprechende Therapieoption darzustellen. Dieser Ansicht ist zumindest Prof. Luca Testa, der die Ergebnisse der Registerstudie TRANSIT beim TCT-Kongress vorgestellt hat.
„Die zunehmende Ausweitung der TAVI wird in absehbarer Zeit in einer steigenden Anzahl von Patienten mit degenerierten TAVI-Klappen resultieren“, macht der in Mailand tätige Kardiologe die Bedeutung der aktuellen Ergebnisse klar. Testa postuliert, dass „diese Patienten sicher und erfolgreich mit einer zweiten TAVI behandelt werden können.“
Zweite TAVI scheint nützlich und wirksam
Seine Haltung begründet er mit einer Analyse von 172 Patienten aus dem internationalen TRANSIT-Register, die nach einer ersten erfolgreichen TAVI-Prozedur einige Jahre später eine erneute Klappe implantiert bekommen haben. Im Schnitt waren die Patienten zum Zeitpunkt des zweiten Eingriffes fast 80 Jahre alt, der EuroScore II lag im Mittel bei 8,8, der STS-Score bei 6,1. In Abhängigkeit der Ursache für das „Versagen“ der ersten Klappe wurden die Patienten in drei Gruppen eingeteilt: Die erneute Prozedur war nötig wegen einer Klappenstenose, Regurgitation oder wegen einer „mixed“ Physiologie.
Die Ergebnisse der zweiten TAVI-Prozedur im Überblick:
- Die zweite Prothese hat sich bei allen Patienten erfolgreich implantieren lassen, der nach den VARC-2-Kriterien definierte Prozedurerfolg lag bei 79%, erfolglos blieb die Prozedur in 14% der Fälle wegen eines residualen Gradienten und in 7% wegen Regurgitationen,
- im Krankenhaus sind 4,1% der behandelten Patienten verstorben, alle an einer kardiovaskulären Ursache, bei jeweils 2,3% und 3,5% kam es zu schweren vaskulären und zerebrovaskulären Komplikationen, 7% entwickelten ein akutes Nierenversagen,
- der mittlere Gradient ist von im Mittel 25,0 +/– 19 mmHg vor der zweiten TAVI signifikant auf 11,0 +/– 5 mmHg nach dem Eingriff gesunken (p ˂0,001), ein Jahr später lag er immer noch bei durchschnittlich 11,8 mmHg,
- nach 30 Tagen lag die kumulative Mortalität bei 7%, bei den meisten Patienten hatte sich die NYHA-Klasse deutlich verbessert (nur 7,0/3,6% wiesen weiterhin eine NYHA-Klasse III/IV auf), es traten drei Klappenthrombosen auf, ansonsten gab es keine Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Koronarobstruktionen,
- ein Jahr nach der Prozedur lag die kumulative Sterblichkeit bei 10%, die kardiovaskuläre Mortalität bei 5,8%, 12,8% wiesen eine NYHA-Klasse III/IV auf, 11% mussten wegen einer neuen Herzinsuffizienz-Diagnose in die Klinik, es kam zu keinen weiteren Klappenthrombosen oder Dysfunktionen, die einen erneuten Eingriff erforderlich machten, keine Herzinfarkte und Schlaganfälle traten auf.
Testa schließt daraus, dass die Patienten auch ein Jahr später mit Blick auf die NYHA-Klasse von der zweiten TAVI-Prozedur profitiert haben. Geringere Überlebenschancen hatten Patienten mit höherem Alter, jene mit einer reduzierten Ejektionsfraktion und schweren Niereninsuffizienz und Patienten, bei denen nicht der transfemorale Zugangsweg gewählt wurde, all dies waren unabhängige Risikofaktoren.
„Wenn die Klappe degeneriert, können wir es nochmal machen – sicher und effektiv“
Was lässt sich daraus für die Praxis ableiten? In einer Pressekonferenz spricht der Kardiologe aus Mailand mit Blick auf die Behandlung von Niedrigrisiko-Patienten von einem Richtungswechsel: „Wir müssen unsere Einstellung ändern, unsere Protokolle und Algorithmen.“ Seiner Ansicht nach sollten diese Daten dahingehend als „beruhigend“ interpretiert werden. „Wir werden in Zukunft mehr Patienten in ihren 60ern und 70ern behandeln… und diesen Patienten können wir sagen, dass die Behandlung sicher und erfolgreich ist, und wenn die Klappe degeneriert, können wir es nochmal machen – sicher und effektiv.“
Optimismus wird von Herzchirurgen nicht ganz geteilt
Nicht alle Experten teilen Testas Perspektive. „Ich bin nicht ganz so optimistisch bzgl. dieser Ergebnisse“, sagte Prof. Michael Borger in der sich der Präsentation anschließenden Diskussion. Seine Skepsis begründet der Herzchirurge von der Universität Leipzig mit der 30-Tages-Mortalität von 7% und der Prozedurerfolgs-Rate von 79%. Diese seien niedriger, als es in den meisten anderen Studien zu sehen war.
Ebenfalls zurückhaltend äußerte sich Prof. Vinayak Bapat. Der Herzchirurge aus New York merkte an, dass die Patienten bereits zwei bis vier Jahre nach der ersten TAVI eine zweite Prozedur benötigt haben. Er fragte sich deshalb, wie lange dann die zweite Klappen halten wird: „wahrscheinlich noch kürzer als die erste“. Es scheint irgendetwas gewesen zu sein, weshalb einige Patienten die Klappen nicht so gut toleriert hätten, gab auch Borger zu bedenken. „Ich bin mir deshalb nicht sicher, ob es die beste Strategie war, eine zweite Klappe einzusetzen.“
Testa entgegnet den Bedenken, dass die Entscheidung für eine TAVI im Herzteam getroffen wurde, und bei den Patienten ein chirurgischer Klappenersatz beim ersten Mal aufgrund des hohen Risikos bereits abgelehnt worden war. „Würdest Du bei diesen Patienten eine Operation in Betracht ziehen? Ich nicht!“ Der italienische Kardiologe pflichtet aber bei, dass weitere Daten notwendig sind, um zu klären, welche Patienten tatsächlich von einer zweiten TAVI profitieren.
Literatur
Testa L: TRANSIT: treatment of failed TAVR with TAVR, vorgestellt in der Sitzung „Late-Breaking Clinical Science IV”, 17. Oktober beim TCT Connect 2020.