Transfemoraler Zugang: Was nützt der Ultraschall?
Nach transfemoralen Punktionen kommt es oft zu Komplikationen. Von einer Ultraschallsteuerung erhofft man sich eine Reduktion solcher Ereignisse. Ein solche Wirkung ist in einer randomisierten Studie allerdings nicht eingetreten – wenngleich der Ultraschall trotzdem Positives bewirkt hat.
Wenn die Zugangslegung über die A. femoralis routinemäßig unter Ultraschallkontrolle vorgenommen wird, reduziert das die Komplikationsraten bei koronaren Eingriffen offenbar nicht. In der jetzt beim TCT-Kongress vorgestellten und gleichzeitig im „JAMA Cardiology“ publizierten, randomisierten UNIVERSAL-Studie hatte eine solche Strategie nicht die erhoffte Wirkung gebracht. Studienautor Dr. Sanjit Jolly wussten beim Kongress trotzdem Positives zu berichten. „Der Ultraschall hat den Operateuren geholfen“, machte der am Hamilton General Hospital in Kanada arbeitende Kardiologe deutlich, „oder in anderen Worten: Er erleichterte ihnen die Prozedur.“
Transradialer Zugang nicht immer möglich
Vor Besprechung der eigentlichen Studienergebnisse klärte Jolly zunächst die Zuhörer und Zuhörerinnen über die Rationale der Studie auf. Die Frage danach stellt sich insofern, weil es ja bereits eine einfache Strategie gegen Komplikationen bei der Zugangslegung gibt: Die Verwendung des transradialen Zugangsweges. „Wir wissen, dass der transradiale Zugang im Vergleich zum transfemoralen Zugang Blutungen an der Zugangsstelle um 60% reduziert und in einigen Studien sogar die Mortalität gesenkt hat“, erläuterte der Kardiologe die Datenlage. Trotzdem werde der transfemorale Zugang noch immer benötigt, z.B. bei Prozeduren mit großen Schleusen oder wenn die A. radialis zu klein oder verschlossen ist.
Randomisierte Studie mit über 600 Patienten
Die UNIVERSAL-Studie sollte deshalb klären, ob in Fällen – in denen ein transfemoraler Zugang erforderlich ist – eine routinemäßig vorgenommene ultraschallgesteuerte Punktion die Komplikationsraten senken kann. Insgesamt 621 Patientinnen und Patienten wurden hierfür an zwei Zentren in Kanada 1:1 randomisiert. Bei allen war ein koronarer Eingriff mit transfemoralem Zugangsweg geplant (Koronarangiografie oder PCI). Die eine Hälfte erhielt den Zugang ohne Ultraschallkontrolle, bei der anderen Hälfte wurde die Punktion routinemäßig unter Ultraschallsteuerung vorgenommen. Der Einsatz einer Fluoroskopie zur Darstellung der anatomischen Strukturen wurde in beiden Gruppen empfohlen.
Keine Auswirkungen auf Komplikationsraten
Die Ultraschallkontrolle hatte wider Erwarten keine signifikanten Auswirkungen auf das Auftreten von schwerwiegenderen Blutungen (BARC 2, 3 oder 5) und vaskulären Komplikationen, dem primären Endpunkt der Studie. Von einem entsprechenden Ereignis waren 12,9% der Patienten in der Ultraschall-Gruppe respektive 16,1% in der Gruppe ohne Ultraschallkontrolle betroffen (Odds Ratio, OR: 0,77, p=0,25).
Laut einer präspezifierten Subgruppenanalyse scheint aber eine Patientengruppe von der ultraschallgesteuerten Strategie prognostisch doch profitiert zu haben: nämlich solche Patienten, die mit einem vaskulären Verschlusssystem versorgt wurden. Bei ihnen reduzierte sich das Komplikationsrisiko durch Einsatz des Ultraschalls signifikant (OR: 0,44; p=0,004). „Der Ultraschall hat Vorteile, wenn ein Verschlusssystem angewendet wird“, folgerte Jolly daraus. Ein solcher Benefit erscheint dem Kardiologen auch aus biologischen Überlegungen her plausibel. Denn ein Verschlusssystem funktioniere nur gut bei Existenz einer Punktionsstelle (weil es nur eine Stelle verschließen kann). Durch Anwendung des Ultraschalls erhöht sich wiederum die Wahrscheinlichkeit, die Zugangslegung beim ersten Mal zu schaffen (s. unten prozedurale Ergebnisse). Darüber hinaus könne der Operateur durch die ultraschallgesteuerte Visualisierung Punktionsstellen identifizieren, die frei von Kalzium und Erkrankungserscheinungen sind.
Ultraschall wirkte sich positiv auf prozedurale Aspekte aus
Wie Jolly ausführte, hat sich die Ultraschallkontrolle auch auf prozedurale Aspekten positiv ausgewirkt. So schafften 86,6% der Operateure unter Ultraschallsteuerung direkt beim ersten Versuch, den Zugang zu legen, ohne die Bildgebung gelang das nur 70% – ein signifikanter Unterschied (p˂0,001). Ebenso reduzierte die Anwendung des Ultraschalls die Gesamtzahl der Punktionsversuche (1,16 vs. 1,43; p˂0,001) sowie die Rate versehentlich vorgenommener Venenpunktionen (3,1% vs. 11,7%; p˂0,001).
Jolly hält den Einsatz einer Ultraschallsteuerung bei femoralen Punktionen deshalb für sinnvoll, auch wenn der primäre Endpunkt der Studie verfehlt wurde. Ein Ultraschall sei überall verfügbar und berge keine Risiken, begründete der Kardiologe seine Einstellung. Die Verwendung des transradialen Zugangsweges sei zwar zweifellos die beste Strategie, um Komplikationen zu vermeiden. „Wenn man aber den transradialen Zugang aus welchen Gründen auch immer nicht anwenden kann, ist eine ultraschallgesteuerte Punktion die nächst beste Lösung“, so Jolly.
„Studie ist kein Argument gegen Ultraschall“
Diese Ansicht vertreten auch die beiden Kardiologen Dr. Alexander Fanaroff und Dr. Jay Giri, die ein Editorial zur Studie verfasst haben. „Interventionell tätige Kardiologen sollten die Nullergebnisse der UNIVERSAL-Studie nicht als Argument gegen eine routinemäßige ultraschallgesteuerter femorale Punktion bei der Koronarangiografie und PCI und zugunsten einer fluoroskopisch-gesteuerten Zugangslegung auslegen“, schreiben sie. Die anatomische Rationale für Anwendung des Ultraschalls sei zu solide, bekräftigen sie. Darüber hinaus argumentieren sie mit den Ergebnissen einer Metaanalyse, die ebenfalls von Jolly und Kollegen durchgeführt wurde. 9 randomisierte Studie mit insgesamt 4.410 Patientinnen und Patienten sind hierfür berücksichtigt worden. Eine femorale Punktion unter Ultraschallsteuerung ging in dieser Analyse mit einer reduzierten Rate an schwerwiegenden Blutungen oder vaskulären Komplikationen einher (Risk Ratio: 0,58). Das Ergebnis sei zu überzeugend, um anders zu argumentieren, so Fanaroff und Giri.
Literatur
Jolly SS: Ultrasound Guidance for Vascular Access for Cardiac Procedures: A Randomized Trial (UNIVERSAL), TCT-Kongress 2022, 16. – 19. September 2022, Boston
Jolly SS et al. Routine Ultrasonography Guidance for Femoral Vascular Access for Cardiac Procedures: The UNIVERSAL Randomized Clinical Trial. JAMA Cardiol. Published online September 18, 2022. doi:10.1001/jamacardio.2022.3399
Fanaroff AC, Giri J. Fluoroscopic Guidance for Femoral Artery Access—Pushing Patients Out of the Plane Without a Parachute? JAMA Cardiol. 2022. doi:10.1001/jamacardio.2022.3413