Gefäßgesundheit bei Männern: Bewegung hilft mehr als Testosteron
Testosteron-Creme ist wohl kein Jungbrunnen für die Blutgefäße älterer Männer mit zu viel Bauchspeck. Mit körperlichem Training lässt sich bei ihnen zur Verbesserung der arteriellen Funktion wesentlich mehr erreichen, zeigt eine randomisierte Studie.
Würden Testosteron-Substitution und körperliches Training sich über komplementäre Wirkmechanismen in ihren günstigen Effekten auf die endothelvermittelte Vasodilatation bei Männern im mittleren bis höheren Alter ergänzen? Aber klar, so die Erwartung einer australische Forschergruppe vor Beginn einer von ihr initiierten randomisierten kontrollierten Studie.
Ausgangshypothese nicht bestätigt
Am Ende dieser Studie war deren Ausgangshypothese zur Überraschung der Studienautoren aber nicht mehr aufrechtzuerhalten: Weder alleine noch in Kombination mit Bewegungstraining hatte eine 12-wöchige transdermale Behandlung mit Testosteron-Creme günstige Effekte auf die dilatatorische Gefäßfunktion gezeigt – ganz im Gegensatz zur positiven Wirkung eines überwachten Trainingsprogramms zur Steigerung der körperlichen Aktivität.
Erstautorin Dr. Lauren C. Chasland und ihr Team an der University of Western Australia in Perth haben für ihre Studie 80 Männer im Alter zwischen 50 und 70 Jahren und Anzeichen für vermehrtes Bauchfett (Bauchumfang ≥95 cm) ausgewählt. Die Gesamttestosteron-Werte der Teilnehmer lagen im niedrigen bis normalen Bereich zwischen 6 und 14 nmol/l.
In einem 2×2 faktoriellen Studiendesign wurden die Teilnehmer per Randomisierung zum einen einer transdermalen Testosteron-Substitution oder einer Placebo-Behandlung für die Dauer von zwölf Wochen, zum anderen einem strukturierten überwachten Bewegungstraining oder einer Gruppe ohne entsprechendes Trainingsprogramm zugeteilt.
Die Testosteron-Substitution hatte einen signifikanten Anstieg der Serumtestosteron-Spiegel (p=0,003) zur Folge, mit der Konsequenz, dass bei 62% der Probanden die Testosteron-Spiegel im Bereich >14 nmol/l lagen (29% in der Placebogruppe). Die Placebo-Gabe hatte keinen Einfluss auf das Serumtestosteron.
Flussvermittelte Vasodilatation durch Training signifikant verbessert
Die endothelabhängige Gefäßfunktion wurde anhand der in der Brachialarterie gemessenen flussvermittelten Vasodilatation (FMD, flow mediated vasodilatation) bestimmt. Dabei wird die prozentuale Veränderung des Gefäßdurchmessers durch strömungsbedingte Scherkräfte infolge reaktiver Hyperämie nach passagerer, per Blutdruckmanschette induzierter Ischämie am Oberarm gemessen.
In der Subgruppe mit Testosteron-Gabe plus Bewegungstraining (n=21) erhöhte sich die prozentuale FMD um +0,5% (von 2,7% zu Beginn auf 3,2% nach 12 Wochen). Bei alleiniger Testosteron-Substitution ohne körperliches Training (n=18) war dagegen eine FMD-Abnahme um -0,7% (von 4,1% auf 3,4%) zu verzeichnen. Bei Probanden, die nur das Bewegungstraining (plus Placebo-Gabe) absolvierten (n=19), gab es mit +1% die deutlichste FMD-Zunahme (von 3,6% auf 4,6%). In der Subgruppe der Probanden (n=20), die weder Testosteron-Creme aufgetragen noch am Bewegungstraining teilgenommen hatten, wurde nur eine minimale FDM-Veränderung um +0,2% (von 3,2% auf 3,4%) beobachtet.
Endothelabhängiger Effekt
Der vaskuläre Effekt des Bewegungstrainings erwies sich als signifikant (p=0,033), im Gegensatz zum Effekt der Testosteron-Substitution (p=0,111). Die Tatsache, dass die vermehrte körperliche Aktivität keinen wesentlichen Einfluss auf die endothelunabhängige, durch Glyceryltrinitrat (GTN) induzierte Vasodilatation hatte, spricht nach Ansicht der Studienautoren dafür, dass der gezeigte positive Effekt auf die FMD weitgehend endothelvermittelt war.
Literatur
Chasland L.C. et al.: Testosterone and Exercise in Middle-to-Older Aged Men - Combined and Independent Effects on Vascular Function. Hypertension. 2021; online 23. Januar. DOI: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.120.16411