Plötzlicher Herztod: Wie nützlich ist die Defi-Weste?
Fast alle Patienten, die wegen eines erhöhten Risikos für ventrikuläre Herzrhythmusstörungen temporär mit einer Defibrillator-Weste versorgt werden, sind nach einem Jahr noch am Leben. Das könnte für die Weste sprechen. Daten aus randomisierten Studien freilich fehlen.
Tragbare externe Defibrillatoren, die im Idealfall nur zum Duschen abgenommen werden, werden als Alternative zu implantierbaren Systemen bei Patienten propagiert, die ein nur temporär erhöhtes Risiko für ventrikuläre Herzrhythmusstörungen aufweisen, etwa nach Herzinfarkt oder nach einer akuten Dekompensation bei dilatativer Kardiomypathie. Auch für Patienten, die für eine ICD-Implantation aus medizinischen oder anderen Gründen nicht oder noch nicht in Frage kommen, gelten sie als Option. Europäische und US-amerikanische Fachgesellschaften haben die Geräte vor diesem Hintergrund in einige Leitlinien und/oder Empfehlungen aufgenommen.
Limitierte Datenlage
Die Datenlage ist bisher freilich dünn. Randomisierte Studien existieren nicht, und die Zielgruppe ist nicht eindeutig umrissen. Beim Kongress Cardiostim/EHRA Europace 2016 in Nizza wurden jetzt die 1-Jahres-Daten des WEARIT-II-Registers vorgestellt. Es umfasst über 2.000 Patienten, denen in den USA eine Defibrillatorweste (LifeVest von Zoll Medical) verordnet worden war.
Die bereits im Jahr 2015 publizierten 90-Tage-Daten zeigten, dass es bei 2,1 % der Patienten zu einer anhaltenden ventrikulären Tachykardie oder Kammerflimmern gekommen war. Nur bei rund 40 % der Patienten wurde im Verlauf die Indikation für einen ICD gestellt.
97 % nach einem Jahr noch am Leben
Die jetzt von Dr. Valentina Kutyifa von der University of Rochester vorgestellten 1-Jahres-Daten zeigen vor allem, dass 97 % der ursprünglich mit einer Weste versorgten Patienten nach einem Jahr noch am Leben sind. Im Mittel hatten diese Patienten die Weste 90 Tage getragen. Der Anteil der Patienten, bei denen ein ICD implantiert wurde, stieg im Vergleich zu früheren Auswertungen nicht weiter an.
Wurden jene Patienten, die während des Zeitraums, in dem sie eine Weste trugen, eine ventrikuläre Tachykardie oder Kammerflimmern erlitten hatten, getrennt ausgewertet, betrug die 1-Jahres-Überlebensrate 92 %. Dabei machte es keinen Unterschied, ob die Weste bei Patienten mit einer ischämischen oder nicht ischämischen Kardiomyopathie verordnet wurde.
Hersteller und Studienleiterin interpretieren diese Daten als Stärkung der Evidenz für die Defibrillatorweste. Die Weste ist in dieser Interpretation ein zusätzlicher, nicht zuletzt psychologischer Sicherheitsanker.
Der tatsächliche Nutzen ist zumindest in der WEARIT-II-Population überschaubar: Nur bei rund jedem zweiten jener 2,1 % der Patienten mit von der Weste detektierten anhaltenden VT/VF (bei 22 von 41 Patienten) bzw. bei jeder vierten detektierten VT/VF-Episode - einige Patienten hatten mehrere Episoden - löste die Weste tatsächlich einen Schock aus. In allen anderen Fällen brachen die Patienten den durch ein Signal angekündigten Schock ab, weil sie zwar eine Rhythmusstörung spürten, sich aber nicht in Gefahr wähnten.
Literatur
Kutyifa V et al. One-Year Follow-Up of the Prospective Registry of Patients Using the Wearable Defibrillator (WEARIT-II Registry). Late-Breaking Clinical Trial-Session, CARDIOSTIM/EUROPACE 2016, 10. Juni 2016.
Pressemitteilung von Zoll Medical: 97 % One-year survival for patients at high risk of sudden cardiac death prescribed the Zoll LifeVest Wearable Defibrillator. 10. Juni 2016