Vorhofflimmern: Ablation statt Antiarrhythmika als First-Line-Therapie?
Besser gleich Ablation statt erst noch ein Versuch mit Antiarrhythmika? Zwei Studien, die der Kryoballon-Ablation eine deutlich höhere antiarrhythmische Effizienz bescheinigen, legen nahe, die Praxis der First-Line-Therapie bei paroxysmalem Vorhofflimmern zu ändern.
Gegenwärtige Praxis bei Patienten mit symptomatischem, für eine Rhythmuskontrolle geeignet erscheinendem Vorhofflimmern ist, dass vor einer kathetergeführten Ablationsbehandlung ein medikamentöser Therapieversuch mit einem Antiarrhythmikum fehlgeschlagen sein muss.
Zwei neue und zeitgleich im „New England Journal of Medicine“ publizierte Studien zum Vergleich von Kryoballon-Ablation versus Antiarrhythmika als First-Line-Therapie legen nun nahe, diese Bedingung zu streichen und zumindest bei bestimmten Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern gleich zur Katheterablation als Ersttherapie zu schreiten.
- In der EARLY-AF-Studie konnte durch eine solche Behandlungsstrategie die Inzidenz von rezidivierenden atrialen Tachyarrhythmien (Vorhofflimmern, Vorhofflattern oder atriale Tachykardien) nach zwölf Monaten im Vergleich zur Gabe von Antiarrhythmika als initiale Therapie signifikant reduziert werden. Nur vier Patienten mussten abladierend behandelt werden, um ein Arrhythmie-Rezidiv zu verhindern (Number needed to treat: 4).
- In der STOP-AF-First-Studie war die Rate für den Therapieerfolg (erfolgreich durchgeführte Prozedur ohne rezidivierende atriale Tachyarrhythmien nach zwölf Monaten) nach Kryoballon-Ablation signifikant höher als in der initial mit Antiarrhythmika behandelten Gruppe.
Während die EARLY-AF-Studie gerade erst beim virtuellen AHA-Kongress 2020 von Studienleiter Dr. Jason Andrade vom Vancouver General Hospital vorgestellt worden ist, sind die Ergebnisse der STOP-AF-First-Studie schon seit ihrer Präsentation beim ESC-Kongress 2019 in Paris bekannt.
Die Ergebnisse der EARLY-AF-Studie
In der EARLY-AF-Studie ist die Rate aller mittels implantierter Loop-Recorder detektierten oder symptomatischen atrialen Arrhythmie-Rezidive im Beobachtungszeitraum (91. bis 365. Tag nach Ablation oder Beginn der Antiarrhythmika-Therapie) signifikant von 67,8% (Antiarrhythmika) auf 42,9% in der Gruppe mit Kryoballon-Ablation gesenkt worden (Hazard Ratio [HR]: 0,48, 95% Konfidenzintervall [KI]: 0,35-0,66, p<0,001). Eine ausschließlich auf symptomatische atriale Arrhythmie-Rezidive beschränkte Analyse ergab Inzidenzraten von 11,0% nach Ablation versus 26,2% unter Antiarrhythmika-Therapie (HR: 0,39; 95% KI: 0,22 – 0,68, p<0,001).
Aus der Auswertung der mittels kontinuierlichem Rhythmusmonitoring erhobenen Daten geht zudem hervor, dass die „Vorhofflimmern-Last“ (atrial fibrillation burden: prozentualer Anteil der Zeit im Vorhofflimmern) nach Ablation signifikant niedriger war (p=0,002).
Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wurden bei fünf Patienten (3,2%) aus der Gruppe mit Ablation und sechs Patienten (4,0%) aus der Gruppe mit medikamentöser Antiarrhythmika-Therapie beobachtet.
An der EARLY-AF-Studie waren insgesamt 303 relativ junge und gesunde Patienten (mittleres Alter: 58 Jahre) mit symptomatischem und als belastend empfundenem Vorhofflimmern beteiligt, von denen 38% in der Vorgeschichte schon einer Kardioversion unterzogen worden waren.
Die Ergebnisse der STOP-AF-First-Studie
In die STOP-AF-Studie waren 203 Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern aufgenommen worden, die zuvor noch keine Therapie zur Rhythmuskontrolle erhalten hatten. Anders als in EARLY-AF erfolgte das Arrhythmie-Monitoring nicht kontinuierlich, sondern mittels punktueller EKG-Kontrolle, vom Patienten im Fall von Symptomen aktiviertem wöchentlichem Telefon-Monitoring und ambulanter 24-Stunden-EKG-Aufzeichnung nach sechs und zwölf Monaten.
In der Ablationsgruppe lag die Rate für den initialen Erfolg der Prozedur bei 97%. Ebenso wie in EARLY-AF gingen Arrhythmien, die in den zur „Karenzphase“ (blanking period) erklärten ersten drei Monaten aufgetreten waren, nicht in die Analyse ein.
Nach einem Jahr betrug der Anteil an Patienten ohne rezidivierende atriale Tachyarrhythmien 74,6% in der Gruppe mit Kryoballon-Ablation und 45,0% in der initial mit Klasse-I oder Klasse-III-Antiarrhythmika behandelten Gruppe (p<0,001).
Effekt auf klinische Ereignisse noch unklar
Dass eine Ablationstherapie asymptomatische ebenso wie symptomatische Vorhofflimmern-Rezidive stärker verringert als Antiarrhythmika, ist nicht überraschend und schon in früheren Studien gezeigt worden. Gänzlich eliminiert werden solche Rezidive dadurch allerdings nicht. EARLY-AF und STOP-AF bestätigen im Übrigen übereinstimmend, dass auch die symptomatische Wirksamkeit der Ablation – Stichwort Lebensqualität – deutlich besser ist als die einer medikamentösen antiarrhythmischen Therapie.
Allerdings mangelt es auch den beiden neuen Studien an statistischer Power, um Effekte der verglichenen Behandlungsstrategien auf kardiovaskuläre Ereignisse zuverlässig aufdecken zu können. Dass eine früh initiierte und auf Rhythmuserhalt zielende Strategie das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse verringern kann, ist erst jüngst in der EAST-AFNET-4-Studie gezeigt worden. Jedoch hatten in dieser Studie am Ende nur rund 20% aller Patienten einer Ablationstherapie erhalten.
In der CABANA-Studie als bislang größter Studie zum Direktvergleich von Katheterablation und konservativer Therapie war die kardiale Verödungstherapie in puncto Rhythmusstabilität und Symptomverbesserung der antiarrhythmischen Pharmakotherapie zwar deutlich überlegen, ohne jedoch die Inzidenz von Ereignissen wie Tod oder Schlaganfall signifikant zu verringern.
Limitierungen der neuen Studien
Aber braucht es wirklich den Nachweis einer Reduktion „harter“ klinischer Endpunkte in einer randomisierten Studie, um die Katheterablation zur First-Line-Therapie aufzuwerten? Nach Ansicht von EARLY-AF-Studienleiter Andrade ist deren dokumentierte Überlegenheit bezüglich des für die Patienten so wichtigen symptomatischen Nutzens eigentlich Grund genug, diesen Schritt zu gehen.
Allerdings lässt sich mit den Ergebnissen der beiden neuen Studien sicher kein genereller First-Line-Status der Ablationstherapie bei allen Patienten mit Vorhofflimmern begründen. Dr. Christine Albert vom Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles lenkte als von der AHA beauftragte Kommentatorin den Blick auf einige Limitierungen beider Studien.
Albert verwies zum einen auf die relativ kleinen Studienpopulationen und die in beiden Fällen kurze Follow-up-Dauer von nur einem Jahr. Zum anderen sei fraglich, inwieweit die bei relativ jungen und gesunden Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern erzielten Ergebnisse auf ältere Patienten mit mehr Begleiterkrankungen sowie auf Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern übertragbar seien.
Gleichwohl anerkannte Albert, dass „EARLY-AF eindrücklich die Überlegenheit der Ablation über antiarrhythmisch wirksame Medikamente bezüglich Vorhofflimmern-Rezidive, Lebensqualität und Arrhythmie-Last als First-Line-Therapie demonstriert hat“. Jetzt seien größere und längerfristige Studien nötig, um zu klären, ob dieser Vorteil auch in eine verbesserte Prognose bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse mündet.
Literatur
Andrade J.: Early Invasive Intervention For Atrial Fibrillation. Vorgestellt in der Sitzung “Late-breaking Science VI” beim virtuellen Kongress der American Heart Association (AHA) 2020 (13. – 17. November 2020).
Andrade J.G. et al.: Cryoablation or Drug Therapy for Initial Treatment of Atrial Fibrillation. N Engl J Med 2020, online 16. November
Wazni O.M. et al.: Cryoballoon Ablation as Initial Therapy for Atrial Fibrillation. N Engl J Med 2020, online 16. November.