Auch in China: PPG-Screening auf Vorhofflimmern funktioniert. Doch was ist die ideale Zielgruppe?
Zumindest was die schriftliche Veröffentlichung angeht, kommt die Huawei Heart Study der Apple Heart Study zuvor. Sie zeigt dasselbe: Mit Photoplethysmographie (PPG)-basiertem Screening lässt sich unerkanntes Vorhofflimmern detektieren. Konsequenzen? Unklar.
PPG-basierte Screening-Modelle für Vorhofflimmern nutzen so genannte Smart Devices, die in der Regel mit Mobiltelefonen verknüpft sind und die über einen Lichtsensor verfügen, der direkt auf der Haut aufliegt. Am bekanntesten ist die Apple Watch, entsprechende Uhren gibt es aber auch von Samsung und Huawei. Letztgenanntes Unternehmen bietet außerdem PPG-fähige Armbänder an, und es gibt auch noch andere Hersteller, die diese Technologie anbieten.
Bei der ACC-Tagung im Frühjahr wurden die Ergebnisse der Apple Heart Studie vorgestellt, die bei einer sechsstelligen Zahl von Freiwilligen per Smartwatch nach Vorhofflimmern gesucht und dieses dann per EKG-Pflaster verifiziert hatte. Das Ergebnis war, kurz gesagt, dass ein PPG-basiertes Screening technisch funktioniert.
Bei der ESC-Tagung im Sommer in Paris legten dann die Chinesen mit einer ähnlich konzipierten Studie nach, der Huawei Heart Study, auch Pre-MAFA Study genannt. Deren Ergebnisse liegen jetzt auch schriftlich vor. Die Apple Heart Studie ist noch nicht publiziert.
Bei jedem 500. Menschen gab es Vorhofflimmern-Alarm
Die Screening-Studie Huawei Heart Study oder Pre-MAFA ist Teil des größer angelegten MAFA-Studienprogramms, das in einer weiteren Studie, der MAFA-II-Studie, auch noch den Einsatz von Mobiltechnologie beim integrierten Management von Patienten mit bereits bekanntem Vorhofflimmern untersucht hat. Für die Pre-MAFA-Screening-Studie hatten sich insgesamt knapp 250.000 Interessenten gemeldet, von denen knapp 190.000 dann auch ein PPG-Monitoring des Herzschlags nutzten. Gab es Alarme, wurden dies kardiologisch per EKG verifiziert.
Ähnlich wie bei der Apple Heart Studie gab es auch bei der Pre-MAFA-Studie relevante, dem virtuellen Studiendesign geschuldete Dropout-Raten, aber an dem prinzipiell positiven Ergebnis änderte das genauso wenig wie bei der Apple Heart Studie. Letztlich sprach der PPG-Algorithmus bei 0,2% der Teilnehmer den Verdacht auf Vorhofflimmern aus. In der Apple Heart Studie lag die Quote bei 0,5%. Den Unterschied erklären die Autoren mit einem etwas „strengeren“ Algorithmus in der Huawei-Studie und mit der etwas geringeren Vorhofflimmerprävalenz bei Asiaten.
Von den 0,2% per PPG identifizierten Patienten blieben gut 60% bei der Stange und ließen den Befund verifizieren. In diesem Kollektiv konnte Vorhofflimmern bei 87,0% per EKG bestätigt werden. Fast alle – 95% – der auf diesem Weg diagnostizierten Vorhofflimmer-Patienten erklärten sich bereit, an dem nachgelagerten integrierten Versorgungsprogramm teilzunehmen. Dort wird risikoadjustiert behandelt und der Puls weiterhin überwacht. Letztlich war jeder vierte Patient mit EKG-verifiziertem Vorhofflimmern – insgesamt 54 Patienten – ein Hochrisikopatient. Davon wurden 80% antikoaguliert.
Droht Überversorgung mit oraler Antikoagulation?
Unbeantwortet bleibt nach der Huawei Heart/Pre-MAFA-Studie wie auch der Apple Heart Studie die Frage der klinischen Konsequenzen, die auch von zwei US-amerikanischen Kardiologen in einem begleitenden Editorial thematisiert wird. Zumindest in den USA scheint es mittlerweile so zu sein, dass kardiologische Praxen von Patienten überrannt werden, die ihren Herzschlag selbst auswerten, teils auch übermitteln, und die sich Sorgen machen.
Bei Vorhofflimmern sei das deswegen besonders problematisch, weil immer klarer werde, dass es sich um eine ziemlich universelle Rhythmusstörung handele, sofern nur genau genug gesucht werde. In bestimmten Risikogruppen könne die Wahrscheinlichkeit, Vorhofflimmern irgendwann zu finden, problemlos 35 Prozent übersteigen.
Die meisten Kliniker neigten dazu, solche Patienten dann auch zu antikoagulieren. Doch die Studienevidenz für eine orale Antikoagulation bei Screening-detektiertem Vorhofflimmern sei weiterhin mager, zumal Ärzte dazu neigten, in Screening-Konstellation auch bei niedrigem Risiko aus übertriebener Vorsicht früh zu antikoagulieren.
Zielgruppe Diabetiker und Hypertoniker?
Vor diesem Hintergrund sehen die die Kommentatoren das Risiko einer Überversorgung mit oralen Antikoagulanzien, wenn PPG-basierte Screening-Lösungen auf unselektierte, nicht risikodefinierte Populationen angewandt werden, wie das sowohl die Huawei- als auch die Apple-Studie getan haben. Unabhängig davon seien die Erkennungsquoten beim unselektierten Screening ohnehin viel zu niedrig, um die Kosten dafür zu rechtfertigen.
Demgegenüber könne der selektive Einsatz des PPG-Monitorings bei Menschen mit hoher Prätestwahrscheinlichkeit für Vorhofflimmern, beispielsweise Diabetespatienten oder Hypertoniepatienten, nutzenbringender sein. Das ist bis auf Weiteres aber nur eine Hypothese. Weder Apple- noch Huawei-Studie lassen diese Schlussfolgerung ungeprüft zu.
Literatur
Guo Yutao et al. Mobile Photoplethysmographic Technology to Detect Atrial Fibrillation. J Am Coll Cardiol 2019; 74: 2365-75
Kowey PR, Robinson VM. The Evolution of the One-Armed Bandit. J Am Coll Cardiol 2019; 74: 2376-8