Postoperatives Vorhofflimmern mit schweren Akutkomplikationen assoziiert
Vorhofflimmern, das nach Operationen im oberen GIT erstmals aufgetreten war, ging in einer deutschen Studie mit schweren Komplikationen einher. Das Risiko scheint bei bestimmten Umständen höher zu sein. Daraus könnten sich praktische Implikationen ergeben.
Postoperativ auftretendes Vorhofflimmern ist nicht so harmlos, wie man früher dachte, das haben inzwischen einige Studien gezeigt. Nun legt eine retrospektive Analyse der Universitätsklinik in Göttingen nahe, dass postoperatives Vorhofflimmern mit schwerwiegenden postoperativen Komplikationen einhergeht.
„Frühere Analysen haben gezeigt, dass postoperatives Vorhofflimmern mit keiner erhöhten intrahospitalen Mortalität assoziiert ist, aber unsere Studie offenbart eine signifikante Assoziation zwischen postoperativen Vorhofflimmern und einer erhöhten intrahospitalen Mortalität“, ordnen die Autoren um Dr. Felix Rühlmann von der Universitätsklinik Göttingen die Ergebnisse ein.
In der aktuellen Studie wurden Daten von 1.210 Patientinnen und Patienten, die zwischen 2012 und 2018 an der Universitätsklinik Göttingen im oberen Gastrointestinaltrakt operiert worden sind (Ösophagus, Magen oder Pankreas), einbezogen. Von diesen hatten 100 Patienten – also 8,3% – im Anschluss an den Eingriff erstmalig Vorhofflimmern entwickelt, in den meisten Fällen 72 Stunden nach der Prozedur.
Höheres Sterberisiko für betroffene Patienten
Das Auftreten einer solchen Rhythmusstörung ging mit einem verlängerten Aufenthalt auf Intensivstation einher (23,4 Tage bei Patienten mit postoperativen Vorhofflimmern vs. 5,9 Tage bei Patienten ohne; p ˂ 0,001). Darüber hinaus war das Risiko, während des Krankenhausaufenthaltes zu versterben, für die betroffenen Patienten laut einer multivariablen Regressionsanalyse deutlich erhöht (Odds Ratio, OR: 7,08; p ˂ 0,001).
Und: Etwa jeder vierte Patient (27%), bei dem nach der OP erstmals Vorhofflimmern detektiert wurde, litt während des 19-monatigen Follow-up an erneuten Vorhofflimmern-Episoden. In einer Alters-gematchten Kohorte lag die Inzidenz für paroxysmales/permanentes Vorhofflimmern bei gerade mal 0,8%.
Bestimmte Faktoren begünstigen das Auftreten von postoperativen Vorhofflimmern
Wie Rühlmann und Kollegen berichten, war das Risiko für das Auftreten von postoperativen Vorhofflimmern aber nicht für alle Patienten gleich hoch. Folgende Aspekte scheinen für die Entstehung der Arrhythmie eine Rolle zu spielen:
- Das Organ, in welchem der chirurgische Eingriff durchgeführt wird. So wurde die höchste Inzidenz von postoperativen Vorhofflimmern nach Ösophagektomien dokumentiert (45,5% nach komplexen Resektionen und 17,1% nach elektiven Eingriffen). Nach einer Schlauchmagen-OP oder Magenbypass-OP lag die Inzidenz dagegen nur bei 1,9%.
- Das Ausmaß bzw. die Komplexität der Operation: Je aufwendiger die Prozedur war, desto höher die Inzidenz (z.B. betrug die Inzidenz bei multiviszeralen Resektionen 12,7%, bei kleineren Ösophagusresektionen lag sie bei 0%).
- Inflammatorische Trigger in Notfallsituationen: Vor dem Eingriff existierende inflammatorische Trigger könnten die Entwicklung von postoperativen Vorhofflimmern begünstigen, so die Autoren. Dafür spricht z.B., dass es nach Magenteilresektionen genauso häufig zu postoperativen Vorhofflimmern gekommen war wie nach ausgedehnten Gastrektomien, obwohl erstere Eingriffe weniger komplex sind. Magenteilresektionen werden aber für gewöhnlich in Notfallsettings vorgenommen, wenn ein Magenulkus perforiert ist oder Blutungen auftreten.
Mit einem höheren Risiko für postoperatives Vorhofflimmern assoziiert waren ein höheres Alter (OR: 1,06; p ˂ 0,001), intraoperative Komplikationen (OR: 2,47; p = 0,006), Infektionen (OR: 2,23; p=0,003) und Organversagen (OR: 4,01; p ˂ 0,001).
Implikationen für die Praxis?
Angesichts der Gefahren, die von postoperativen Vorhofflimmern offensichtlich ausgehen, diskutieren die Studienautoren über mögliche Präventionsmöglichkeiten. Die Einnahme von Betablockern sei eine Option, postoperatives Vorhofflimmern nach kardialen Operationen zu verhindern, erläutern sie, diese werde auch von den neuesten ESC-Leitlinien empfohlen. Allerdings war eine Betablocker-Therapie in der aktuellen Studie mit keiner reduzierten Inzidenz von postoperativen Vorhofflimmern nach viszeralen Operationen assoziiert, wie die Autoren anmerken.
Als weitere hilfreiche Maßnahme könnten sich Rühlmann und Kollegen ein standardisiertes präoperatives Screening auf Vorhofflimmern und ein kardiologischen Workup bei Patienten mit geplanten GIT-Operationen vorstellen, speziell bei solchen mit einem hohen Risiko für postoperatives Vorhofflimmern (z.B. bei höherem Alter, Ösophagus-Operationen oder ausgedehnten Eingriffen). Die aktuelle Studie liefere eine solide Grundlage für prospektive klinische Studien, die den Nutzen eines solchen Vorgehens untersuchen.
Potenzielle Implikationen könnten die Ergebnisse auch für die postoperative Nachsorge haben. Wie Rühlmann und sein Team ausführen, könnten Patientengruppen mit Risikofaktoren für postoperatives Vorhofflimmern von einem ausgedehnteren Rhythmusmonitoring (für mind. 72 Stunden) profitieren. Auch über eine Konsultation bei einem Kardiologen/einer Kardiologin nach Entlassung aus der Klinik sollte ihrer Ansicht nach nachgedacht werden. Ob solche Maßnahmen die Prognose der Patienten verbessern können, müsse in weiteren Studien untersucht werden.
Literatur
Rühlmann F et al. Incidence, Associated Risk Factors, and Outcomes of Postoperative Arrhythmia After Upper Gastrointestinal Surgery. JAMA Network Open. 2022;5(7):e2223225. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.23225