Vorhofflimmern: Kann Risikofaktor-Management Sinusrhythmus erhalten?
Eine umfassende und kardiale Risikofaktoren mit einbeziehende Behandlung zusätzlich zur antiarrhythmischen Therapie kann bei Patienten mit Vorhofflimmern eigentlich nur von Vorteil sein. Das Arrhythmie-Geschehen scheint dadurch aber langfristig nicht günstig beeinflusst zu werden.
Vorhofflimmern ist eine progrediente Erkrankung, die sich auf der Grundlage von strukturellen kardialen Veränderungen entwickelt, die wiederum in Bezug zu kardiovaskulären Risikofaktoren und Begleiterkrankungen stehen. Das lässt vermuten, dass eine konsequente Behandlung dieser Risikofaktoren das zugrundeliegende atriale Substrat der Arrhythmie und damit den Verlauf von Vorhofflimmern günstig beeinflussen könnte.
Niederländische Kardiologen wollten diese These in der RACE-3-Studie (Routine versus Aggressive upstream rhythm Control for prevention of Early AF in heart failure) bei Patienten mit frühem persistierendem Vorhofflimmern und leicht bis moderat ausgeprägter Herzinsuffizienz auf ihre Stichhaltigkeit prüfen. Tatsächlich konnten sie bereits 2017 anhand von 1-Jahres-Ergebnissen ihrer Studie belegen, dass durch eine gezielte aggressive Behandlung von Risikofaktoren (targeted therapy) zusätzlich zur üblichen Therapie der Sinusrhythmus nach 12 Monaten besser stabilisiert wurde als durch eine konventionelle Behandlung.
Kein Unterschied beim Sinusrhythmus nach fünf Jahren
Jetzt hat Studienleiter Dr. Michiel Rienstra vom University Medical Center Groningen die 5-Jahres-Ergebnisse der RACE-3-Studie beim EHRA-Kongress 2021 präsentiert. Daraus geht hervor, dass sich der zunächst beobachtete positive Effekt des gezielten Risikofaktor-Managements auf die Rhythmusstabilisierung nach fünf Jahren deutlich abgeschwächt hat:
- Zum Zeitpunkt nach einem Jahr war der Anteil an Patienten im Sinusrhythmus in der bezüglich Risikofaktoren umfassender behandelten Gruppe im Vergleich zur Gruppe mit konventioneller Therapie noch signifikant höher gewesen (75% vs. 63%; p = 0,042).
- Nach fünf Jahren war der Unterschied zwischen beiden Gruppen bezüglich Sinusrhythmus-Erhaltung jedoch nicht mehr signifikant (46% vs. 39%; p = 0,346).
Auch bezüglich der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität als sekundärem Endpunkt bestand – bei Ereignisraten von jeweils rund 16% – nach fünf Jahren kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen mit intensivierter versus konventioneller Therapie (p=0,353).
Fokus auf Modifizierung des atrialen Substrats
Am Beginn der RACE-3-Studie stand die Erkenntnis, dass an der Entstehung von strukturellen atrialen Veränderung wie Gewebefibrose und Vorhofvergrößerung, die Grundlage der Entstehung und Progression von Vorhofflimmern sind, unter anderem das aktivierte Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) und inflammatorische Prozesse beteiligt sind. Das brachte die RACE-3-Autoren auf den Gedanken, diese Pathomechanismen mithilfe gezielter medikamentöser Therapien zu durchbrechen, um so dem atrialen Substrat für Vorhofflimmern einen Riegel vorzuschieben.
Als Medikamente schienen ihnen dafür Mineralkortikoid-Rezeptorantagonisten (MRA), ACE-Hemmer/AT1-Rezeptorblocker und Statine geeignet zu sein. Zum Paket der gezielten „Upstream“-Therapie zählte auch ein kardiales Reha-Programm, das ein angeleitetes körperliches Training, Ernährungsberatung sowie eine regelmäßige Beratung bezüglich der Therapieadhärenz beinhaltete.
Alle Teilnehmer der RACE-3-Studie erhielten eine leitliniengerechte Behandlung des Vorhofflimmerns und der Herzinsuffizienz einschließlich Rhythmuskontrolle, Patienten der Interventionsgruppe zusätzlich die beschriebene „Upstream“-Therapie.
In die Studie waren ab Mai 2009 über einen relativ langen Rekrutierungszeitraum (2009 bis 2015) gezielt symptomatische Patienten mit frühem persistierendem Vorhofflimmern (Persistenz länger als sieben Tage, aber weniger als sechs Monate) und Herzinsuffizienz (HFpEF oder HFrEF) an 14 Zentren in den Niederlanden und drei Zentren in Großbritannien aufgenommen worden. Rund 30% der Teilnehmer wiesen eine niedrige linksventrikuläre Auswurffraktion < 45% auf. Weitere Einschlusskriterien waren eine funktionelle NYHA-Klasse II–III, erhöhte Werte für natriuretische Peptide sowie echokardiografische Anzeichen für eine linksventrikuläre Dysfunktion.
Unterschiede nur beim systolischen Blutdruck und beim Cholesterin
Die 5-Jahres-Analyse basiert auf Daten von 216 Patienten, von denen 107 der Interventionsgruppe und 109 der konventionell behandelten Kontrollgruppe zugeteilt waren.
Die Gruppenzuteilung hatte nur partielle Veränderungen des Risikoprofils zugunsten der Gruppe mit „Upstream“-Therapie zu Folge: Nur bei den Werten für den systolischen Blutdruck sowie für Gesamt- und LDL-Cholesterin schnitt die Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant besser ab. Das war vielleicht zu wenig, um die strukturellen atrialen Grundlagen für die Progression von Vorhofflimmern langfristig verändern zu können.
Beim diastolischen Blutdruck, bei den NT-proBNP –Spiegeln, beim linksatrialen Volumen, bei der linksventrikulären Auswurffraktion sowie beim - im Studienverlauf leicht angestiegenen - Body-Mass-Index bestanden dagegen keine Unterschiede zwischen beiden Behandlungsgruppen, berichtete Studienleiter Rienstra.
Sein nüchternes Fazit lautet: „Die RACE-3-Studie zeigt, dass gezielte Therapien bei Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz additiv zur konventionellen Therapie die Aufrechterhaltung von Sinusrhythmus nach fünf Jahren Follow-up nicht verbessern“.
Literatur
Session „Late-Breaking Clinical Trials“ beim EHRA-Kongress, 23. bis 25. April 2021