Provokative Studie: Vorhofohrverschluss schlägt NOAK bei Vorhofflimmern
Der katheterbasierte Vorhofohrverschluss hat sich als Maßnahme zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern einer Antikoagulation mit NOAK in einer Vergleichsstudie als klinisch klar überlegen erwiesen. Der definitive Beweis für Überlegenheit ist das aber noch nicht.
Das sind wahrlich provokative Studiendaten: Dänische Untersucher kommen bei einem Vergleich „gematchter“ Patientengruppen mit Vorhofflimmern sowie hohem Schlaganfall- und Blutungsrisiko zu dem Ergebnis, dass ein perkutaner Verschluss des linken Vorhofohrs (left atrial appendage, LAA) erhebliche Vorteile im Vergleich zur Gerinnungshemmung mit direkten oralen Antikoagulanzien (NOAK) hatte.
Der LAA-Verschluss war demnach nicht nur mit einem deutlich niedrigeren Blutungsrisiko, sondern auch mit einer um nahezu 50% niedrigeren Sterblichkeit assoziiert. Wesentliche methodische Limitierung der Studie ist allerdings die fehlende Randomisierung.
Der katheterbasierte LAA-Verschluss ist bekanntlich als alternative Option zur Prävention von mit Vorhofflimmern assoziierten Thromboembolien entwickelt worden. Dafür werden heute per Katheter implantierte Verschluss-Systeme, sogenannte Okkluder, verwendet. Die europäischen Leitlinien zum Management bei Vorhofflimmern empfehlen derzeit in noch vorsichtiger Weise, diese „mechanische“ Form der Thromboembolie-Prophylaxe bei Patienten mit Kontraindikationen für eine Langzeitantikoagulation in Betracht zu ziehen (IIb-Empfehlung).
„Mechanische“ Alternative zur Antikoagulation
Im Vergleich zur Antikoagulation könnte ein perkutaner LAA-Verschluss, was bekannte Probleme wie Blutungen und ungenügende Therapieadhärenz seitens der Patienten betrifft, Vorteile bieten. Allerdings fehlen derzeit noch Studiendaten, die Aufschluss über Effektivität und Sicherheit dieser interventionellen Therapie im Vergleich zur Antikoagulation speziell mit NOAK als heutigem Standard geben.
Informationen dazu liefert nun eine Studie dänischer Untersucher um Dr. Jens Erik Nielsen-Kudsk vom Universitätshospital in Aarhus. Nielsen-Kudsk hat die Ergebnisse auf der Online-Plattform PCR e-course 2020 vorgestellt, die als Ersatz für den abgesagten EuroPCR-Kongress 2020 geschaffen worden ist.
Grundlage der Analyse bildeten Daten aus zwei landesweiten Patientenregistern in Dänemark. Darin wurden 1.078 Patienten mit hohem Schlaganfall- und Blutungsrisiko identifiziert, bei denen ein Okkluder-System (Amplatzer Amulet) erfolgreich implantiert worden war, ebenso 18.570 weitere Patienten, die zwischen 2013 und 2015 wegen neu aufgetretenem Vorhofflimmern eine Antikoagulation mit NOAK erhalten hatten.
Vergleich von zwei „gematchten“ Gruppen
Zwecks besserer Vergleichbarkeit wurden die Gruppen auf Basis ihres Schlaganfallrisikos (CHA2DS2-VASc-Score) und Blutungsrisikos (HAS-BLED-Score) „gematcht“ (Propensity Score Matching). Auf diese Weise wurden 1071 Patienten mit LAA-Verschluss 1.148 zugeordnete Patienten mit NOAK-Antikoagulation gegenübergestellt.
Bezüglich des Alters (im Mittel 75,1 Jahre) sowie des CHA2DS2-VASc-Scores (4,2 vs. 4,3) und des HAS-BLED-Score (3,3 vs. 3,4) herrschte weitgehende Übereinstimmung.
Mortalitätrate relativ um 47% niedriger
Anhand der Registerdaten hat das Team um Nielsen-Kudsk nachverfolgt, wie hoch in beiden Gruppen die kombinierte Rate für die Ereignisse ischämischer Schlaganfall, schwere Blutungen (BARC-Klassifikation 3 oder höher) und Tod (primärer kombinierte Endpunkt) im Verlauf von zwei Jahren waren. Und das sind die vielleicht so nicht unbedingt erwarteten Ergebnisse:
- Bezüglich des primären kombinierten Endpunktes war der perkutane LAA-Verschluss im Vergleich zur NOAK-Behandlung mit einem relativ um 43% niedrigeren Risiko assoziiert (jährliche Inzidenz: 14,5% vs. 25,7%, Hazard Ratio, HR: 0,57; 95%-Konfidenzintervall: 0,49 – 0,67).
- Die Raten für ischämische Schlaganfälle waren relativ niedrig und in beiden Gruppe annähernd gleich (jährliche Inzidenz: 2,1% vs. 1,9%, HR:1,11; 95%-KI: 0,71 – 1,75).
- Das Risiko für schwere Blutungen war in der Gruppe mit LAA-Verschluss relativ um 38% niedriger als in der NOAK-Gruppe (jährliche Inzidenz: 6,0% vs. 10,0%, HR: 0,62; 95%-KI: 0,49 – 0,79).
- Bezüglich der Mortalität war der LAA-Verschluss mit einem relativ um 47% niedrigeren Risiko assoziiert (jährliche Inzidenz: 8,0% vs. 15,3%, HR: 0,53; 95%-KI: 0,43 – 0,64).
Diese Ergebnisse suggerieren, dass der katheterbasierte Verschluss des linken Vorhofohrs einer Antikoagulation mit NOAK in puncto Schlaganfallprophylaxe ebenbürtig, in puncto Blutungs- und Sterberisiko dagegen deutlich überlegen ist.
Bestätigung in randomisierter Studie notwendig
Noch ist es allerdings zu früh, angesichts dieser Ergebnisse schon eine neue Ära in der Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern einzuläuten. Tatsache ist, dass dem Vergleich in der aktuellen Studie keine randomisierte Gruppenzuteilung der Patienten zugrunde lag. Trotz aller Anstrengungen der Studienautoren, mithilfe statistischer „Matching“-Verfahren bessere Vergleichsvoraussetzungen zu schaffen, kann nicht mit Gewissheit ausgeschlossen werden, dass unerkannte Störfaktoren (confounder) die Ergebnisse beeinflusst haben. Auch Nielsen-Kudsk konzedierte deshalb am Ende seiner Präsentation, dass die Ergebnisse nun in einer randomisierten Studie bestätigt werden müssten.
Eine solche Studie wird vermutlich schon in den nächsten Tagen an den Start gehen. Genauere Auskunft darüber gab Prof. Stephan Windecker von Inselspital Bern bei einer von Prof. Ulf Landmesser, Charité – Universitätsmedizin Berlin, moderierten Diskussionsrunde auf PCR e-course 2020.
CATALYST-Studie beginnt in Kürze
In die im Juli 2020 beginnende CATALYST-Studie sollen weltweit mehr als 2.600 Patienten mit Vorhofflimmern aufgenommen werden, die dann nach Zufallszuteilung entweder eine LAA-Okkluder-Behandlung oder eine Antikoagulation mit einem kommerziell verfügbaren NOAK erhalten werden. Einschlusskriterium ist unter anderem ein CHA2DS2-VASc-Score von 3 oder höher. Primäre Endpunkte der für den Nachweis sowohl von „Nicht-Unterlegenheit“ als auch Überlegenheit angelegten Studie sind
- eine Kombination aus ischämischen Schlaganfällen, systemischen Embolien und kardiovaskulärer Mortalität (Nicht-Unterlegenheit),
- eine Kombination von schweren oder klinisch relevanten weniger schweren Blutungen (Nicht-Unterlegenheit) sowie
- eine Kombination von schweren oder klinisch relevanten weniger schweren Blutungen unter Ausschluss von prozedurbezogenen Ereignissen (Überlegenheit).
Geplant ist eine Follow-up-Dauer von bis zu fünf Jahren. Auf erste Ergebnisse der CATALYST-Studie wird man wohl noch geraume Zeit warten müssen.
Literatur
Vorgestellt im Rahmen des Online-Programms PCR eCourse 2020