Vorhofflimmern: Schadet Alkohol weniger als gedacht?
Gibt es einen Grenzwert, unter dem Alkoholkonsum keine negativen Auswirkungen auf das Risiko für Vorhofflimmern hat? Das kommt anscheinend auf das Getränk an, legt eine große Studie nahe.
Ein hoher Alkoholkonsum ist ein bekannter Risikofaktor für das Auftreten von Vorhofflimmern, während bei geringen Alkoholmengen noch keine Einigkeit herrscht. Im Gegensatz zu einigen Studien, die darauf hinweisen, dass bereits wenig Alkohol das Risiko für Vorhofflimmern erhöhen könnte, deutet eine große Beobachtungsstudie jetzt darauf hin, dass geringe Mengen in einigen Fällen eine schützende Wirkung entfalten können.
Analyse mit mehr als 400.000 Teilnehmern
In die Studie, die auch beim Kongress der Heart Rhythm Society (HRS) vorgestellt wurde, wurden mehr als 403.000 Personen mittleren Alters ohne vorherige Vorhofflimmern-Diagnose einbezogen. Die Daten stammten aus der UK Biobank. Forscher um Dr. Samuel Tu von der Universität Adelaide in Australien ermittelten den Alkoholkonsum der Teilnehmer anhand der selbstberichteten Anzahl an Getränken pro Woche, wobei eines 8 g Alkohol entsprach. Auch um welche Art von Getränk es sich handelte, wurde erfasst.
Während der medianen Nachbeobachtungszeit von gut elf Jahren traten insgesamt 21.312 Vorhofflimmern-Episoden auf. Für die Assoziation von Alkoholkonsum und Vorhofflimmern ergab sich eine J-förmige Kurve. Das niedrigste Risiko wurde bei weniger als sieben Getränken pro Woche beobachtet. Überraschend war, dass der Konsum von einem bis sieben Drinks wöchentlich mit einem etwas geringeren Risiko für Vorhofflimmern assoziiert war als weniger als ein Getränk pro Woche.
Viel Alkohol war in jeder Form schädlich, während sich der Effekt von moderaten Mengen nach Art des Getränks unterschied. Bier und Apfelwein, in diesem Fall das britische Cider, korrelierten auch in geringster Menge mit einem gesteigerten Risiko für Vorhofflimmern. Bei Rotwein und Weißwein dagegen waren bis zu zehn bzw. acht Gläser pro Woche nicht mit einem erhöhten Risiko assoziiert. Auch eine geringe Menge an Spirituosen, bis zu drei Drinks wöchentlich, schienen keinen Effekt auf das Vorhofflimmernrisiko zu haben.
Dürfen Patienten ab und zu Alkohol trinken?
„Unsere Ergebnisse in dieser überwiegend weißen britischen Kohorte können wichtige Auswirkungen auf die Primärprävention von Vorhofflimmern haben, die in zukünftigen Studien untersucht werden sollten“, so Tu und Kollegen. Zwar handelt es sich um eine sehr große Anzahl an Studienteilnehmern, allerdings könnte das beobachtende Design zu Verzerrungen geführt haben. Auch dass die Bier- im Vergleich zu den Weintrinkern mehr Vorerkrankungen hatten, könnte relevant gewesen sein.
„Was sagen wir unseren Patienten, wenn sie fragen, ob gelegentliches Trinken in Ordnung ist?“, schreiben Dr. Thomas Dewland und Dr. Gregory Marcus von der Universität Kalifornien in San Francisco in einem Begleitkommentar. Bei der Sekundärprävention von Vorhofflimmern sollte die Botschaft Alkoholabstinenz lauten, insbesondere, wenn Alkohol ein persönlicher Auslöser für akute Episoden sei, ergänzen sie. Für die Primärprävention könnte der regelmäßige Konsum einer sehr geringen Menge sinnvoll sein, der genaue Schwellenwert sei jedoch unklar. „Die potenziell günstigen Effekte des Alkoholkonsums auf andere gesundheitliche Aspekte, einschließlich der Gesamtmortalität, sollten ebenfalls berücksichtigt werden“, schließen Dewland und Marcus.
Literatur
Tu S. Risk Thresholds for Total and Beverage-Specific Alcohol Consumption and Incident Atrial Fibrillation. Journal of the American College of Cardiology 2021. https://doi.org/10.1016/j.jacep.2021.05.013
Dewland T et al. Can a Drink a Day Keep the Electrophysiologist Away? Journal of the American College of Cardiology 2021. https://doi.org/10.1016/j.jacep.2021.06.010