Ist Schichtarbeit schlecht fürs Herz?
Nachtschichten scheinen das Risiko für Vorhofflimmern und koronare Herzkrankheit (KHK) zu erhöhen, legt eine Analyse mit rund 280.000 Arbeitnehmern nahe. Bestimmte Personenkreise sind anscheinend stärker betroffen.
Fast 21% der erwerbsfähigen Bevölkerung arbeitet in Schichten außerhalb der klassischen Arbeitszeiten. Gleichzeitig gibt es immer mehr Evidenz dafür, dass Schichtarbeit, insbesondere Nachtarbeit, sich negativ auf die Gesundheit auswirkt. Eine große Studie weist jetzt unter anderem darauf hin, dass regelmäßige Nachtschichten mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern einhergehen, unabhängig von der genetischen Disposition.
In die Analyse wurden knapp 284.000 Arbeitnehmer einbezogen, die zu Studienbeginn kein Vorhofflimmern hatten, davon mehr als 276.000 ohne KHK, Schlaganfälle oder Herzinsuffizienz bis zu diesem Zeitpunkt. Ein Forscherteam um Prof. Ningjian Wang vom Ninth People’s Hospital in Shanghai ermittelte, ob die Teilnehmer aktuell in Nachtschichten arbeiteten und wie lange sie das in der Vergangenheit getan hatten. Dann untersuchten die Mediziner potenzielle Zusammenhänge zwischen den Arbeitsgewohnheiten und dem Auftreten von Vorhofflimmern unter Berücksichtigung der genetischen Disposition, sowie Korrelationen mit KHK, Schlaganfällen und Herzinsuffizienz.
Größtes Risiko bei häufiger Nachtarbeit
Während der medianen Nachbeobachtungszeit von gut zehn Jahren traten 5.777 Fälle von Vorhofflimmern auf. Es zeigte sich ein signifikant zunehmender Trend für ein erhöhtes Vorhofflimmernrisiko, je häufiger die Teilnehmer nachts arbeiteten. Bei permanenten Nachtschichten fiel die Zunahme mit 16% am größten aus, gefolgt von gelegentlichen Nachtschichten sowie Schichtarbeit, die selten oder nie Nachtarbeit erforderte.
Bei einem Vergleich zwischen Personen, die länger als zehn Jahre durchschnittlich drei bis acht Nächte pro Monat gearbeitet hatten, und Teilnehmern, die zwar Schichtdienste gehabt, aber nicht nachts gearbeitet hatten, war das Vorhofflimmernrisiko bei Ersteren stärker erhöht (um 22% vs. 18%). Eine genetische Prädisposition für Vorhofflimmern hatte keinen Einfluss auf die Assoziationen zwischen aktuell und in der Vergangenheit geleisteten Nachtschichten und Vorhofflimmern.
Die Forscher entdeckten darüber hinaus signifikante Assoziationen zwischen Schichtarbeit und dem KHK-Risiko: Häufige aktuelle Nachtschichten schienen es um 22%, Nachtarbeit über mindestens zehn Jahre um 37% und drei bis acht Nachtschichten pro Monat über das gesamte Berufsleben um 35% zu erhöhen. Für Schlaganfall und Herzinsuffizienz wurden jedoch keine signifikanten Korrelationen beobachtet.
Frauen könnten stärker gefährdet sein
In stratifizierten Analysen zeigten sich auch geschlechtsspezifische Unterschiede: Bei Frauen war die Assoziation zwischen lebenslanger Nachtarbeit und dem Risiko für Vorhofflimmern stärker ausgeprägt als bei Männern. Das stimmt mit den Befunden früherer Studien überein, denen zufolge Frauen anfälliger für Veränderungen des zirkadianen Rhythmus sein könnten als ihre männlichen Kollegen.
Zudem war die Korrelation zwischen Nachtarbeit und Vorhofflimmern bei Personen stärker, die weniger körperliche Arbeit verrichten mussten. „Es könnte sein, dass körperliche Aktivität die Körperzusammensetzung dahingehend verbessert, dass die Betroffenen sich leichter an Veränderungen des zirkadianen Rhythmus anzupassen können“, erklären die Forscher sich diesen Befund.
Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, konnte kein kausaler Zusammenhang nachgewiesen werden. „Ob eine Verringerung der Häufigkeit und Dauer von Nachtarbeit einen weiteren Weg zur Verbesserung der Herzgesundheit während des Arbeitslebens und darüber hinaus darstellen könnte, bedarf weiterer Untersuchungen“, resümieren Wang und Kollegen.
Literatur
Wang et al. Long-term night shift work is associated with the risk of atrial fibrillation and coronary heart disease. European Heart Journal 2021. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehab505