Perioperatives Vorhofflimmern erhöht Schlaganfallrisiko. Aber wie schützt man die Betroffenen?
Auch nach nicht aus kardialen Gründen vorgenommenen chirurgischen Eingriffen entwickeln einige Patienten Vorhofflimmern. Diese Störung sollte als Hinweis auf ein erhöhtes Risiko ernst genommen werden. Wie betroffene Patienten geschützt werden können, ist allerdings derzeit noch unklar.
Chirurgische Patienten mit neu aufgetretenem Vorhofflimmern nach nicht-kardialen Operationen unterliegen im ersten Jahr nach dem Eingriff einem erhöhten Schlaganfallrisiko. Auch Todesfälle und Herzinfarkte treten bei ihnen häufiger auf als bei operierten Patienten ohne perioperatives Vorhofflimmern. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse, die auf kombinierten Daten von 18.361 Teilnehmern der POISE-1- und POISE-2-Studie (PeriOperative ISchemic Evaluation) basiert. In beiden Studien sollte primär die Frage geklärt werden, ob bestimmte Therapien (Metoprolol, ASS, Clonidin) operierte Patienten mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko und manifester Herz-Kreislauf-Erkrankung perioperativ vor ischämischen Ereignissen schützen können.
Von der aktuellen Analyse der POISE-Forschergruppe um Dr. David Conen von der McMaster University in Hamilton, Kanada, blieben die Daten jener 244 Patienten ausgeschlossen, bei denen bereits vor der Operation Vorhofflimmern bekannt war. Von den übrigen 18 117 Studienteilnehmern (mittleres Alter 69 Jahre) hatten 404 (2,2%) ein perioperatives Vorhofflimmern (POAF, perioperative atrial fibrillation) entwickelt. POAF war definiert als therapiebedürftiges oder klinische Konsequenzen nach sich ziehendes Vorhofflimmern im Verlauf der ersten 30 Tage nach der Operation.
Schlaganfall-, Herzinfarkt- und Sterberisiko bei POAF erhöht
Primärer Studienendpunkt war die Inzidenz von Schlaganfällen nach einem Jahr bei Patienten mit und ohne POAF. Die Analyse ergab, dass diese Inzidenz mit 5,58 vs. 1,54 Ereignissen pro 100 Patientenjahre in der Gruppe mit POAF drei bis vier Mal höher war als in der Gruppe ohne PAF [adjustierte Hazard Ratio [aHR] 3,43, 95% Konfidenzintervall [CI] 2,00–5,90 ; p < 0,001). Bei Patienten mit POAF waren zudem das Sterberisiko (Inzidenz 31,37 vs. 9,34; aHR 2,51, 95% CI 2,01–3,14; p < 0,.001) und das Risiko für Myokardinfarkte (Inzidenz 26,20 vs. 8,23; aHR 5,10, 95% CI 3,91–6,64; p < 0,001) im Vergleich jeweils signifikant erhöht.
Noch viel Klärungsbedarf
Leider können die Studienautoren keine Informationen zum Therapiemanagement bei den Teilnehmern mit POAF liefern. Gleichwohl sprechen ihre Ergebnisse dagegen, im Zusammenhang mit Operationen auftretendes Vorhofflimmern als vermeintlich benignes und vorübergehendes Phänomen aufzufassen. Sie machen aber auch deutlich, dass in diesem Zusammenhang noch viel Klärungsbedarf besteht.
Wichtig wäre etwa zu wissen, ob postoperatives Vorhofflimmern bedeutet, dass davon Betroffene auch auf längere Sicht unter dieser Arrhythmie zu leiden haben. Erste Studien bei Patienten mit Herzoperation deuten darauf hin, dass postoperativ aufgetretenes Vorhofflimmern in der Tat mit einem erhöhten Risiko für künftige Vorhofflimmern-Rezidive assoziiert ist. Bei Patienten mit nicht-kardialen Operationen gibt es dazu aber bislang kaum Daten.
Die Frage nach den therapeutischen Konsequenzen
Unklar ist auch, ob –und wenn ja wie – Patienten mit postoperativem Vorhofflimmern zur Risikoreduktion präventiv behandelt werden sollten. Auf diese Frage gehen Dr. Dipak Kotcheva aus Birmingham und Dr. Manuel Castellá aus Barcelona in einem Begleitkommentar ein. Sie erinnern daran, dass es keine einzige randomisierte Studie gibt, die bei dieser Entscheidung hilfreich sein könnte.
Verfügbar sind derzeit nur Registeranalysen. Ergebnisse eines auf Basis von Registerdaten vorgenommenen Vergleichs „gematchter“ Populationen legen etwa nahe, dass Patienten mit postoperativem Vorhofflimmern in gleichem Maß von oraler Antikoagulation profitieren könnten wie Patienten mit Vorhofflimmern ohne Bezug zu Operationen. Doch ist bei der Interpretation solcher Daten bekanntlich Vorsicht geboten.
Kotcheva und Castellá haben die Daten der aktuellen POISE-Analyse indirekt mit denen großer Kohortenstudien bei Patienten mit nicht im Kontext von Operationen bestehendem Vorhofflimmern verglichen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass bei Patienten beider Gruppen, die – gemessen am CHADS2-Risiskoscore - ein gleiches Risikoprofil aufwiesen, auch das Risiko für Schlaganfall und Tod de facto gleich war.
In der Ära der direkten oralen Antikoagulanzien sei es vielleicht an der Zeit, postoperatives Vorhofflimmern in gleicher Weise zu behandeln wie „reguläres“ Vorhofflimmern – mit lebenslanger Antikoagulation bei denjenigen Patienten, die klinische Risikofaktoren für einen Schlaganfall aufweisen, geben beide Kommentatoren zu bedenken. Notwendig seien nun randomisierte Studien, um den Nutzen von potenziell risikoreduzierenden Behandlungsstrategien bei diesen Patienten definitiv zu bestätigen.
Literatur
Conen D. et al.: Risk of stroke and other adverse outcomes in patients with perioperative atrial fibrillation 1 year after non-cardiac surgery. Eur Heart J 2019, ehz431, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz431
Kotecha D. Castellá M.: Is it time to treat post-operative atrial fibrillation just like regular atrial fibrillation? Eur Heart J 2019, ehz412, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz412