Warum ist die Mortalität bei Vorhofflimmern erhöht?
Vorhofflimmern geht mit einer erhöhten Mortalität einher. Das höhere Sterberisiko scheint aber weniger durch die Herzrhythmusstörung selbst als durch diverse Begleiterkrankungen bedingt zu sein, legt eine Registeranalyse aus Deutschland nahe.
Vorhofflimmern ist mit einem erhöhten Sterberisiko assoziiert – auch dann, wenn durch konsequente Antikoagulation die Gefahr von Schlaganfällen weitgehend gebannt ist. Ob Vorhofflimmern ursächlich die Mortalität erhöht oder nur ein Indikator für koexistierende kardiovaskuläre oder andere Erkrankungen und deren Schweregrad ist, ist allerdings noch immer unklar.
Eine Gruppe deutscher Kardiologen um Prof. Michael Näbauer vom Klinikum der Universität München, Klinikum Großhadern, wollte deshalb über diejenigen Faktoren, die zum Anstieg der Mortalität bei Vorhofflimmern maßgeblich beitragen, mehr in Erfahrung bringen. Basis ihrer Untersuchung bilden Daten aus dem vom Kompetenznetz Vorhofflimmern etablierten deutschlandweiten prospektiven AFNET-Register (German Atrial Fibrillation NETwork).
Erhöhte Mortalität bestätigt
Im Ergebnis bestätigt auch diese Analyse einmal mehr die hohe Mortalität bei Patienten mit Vorhofflimmern. In einem medianen Follow-up-Zeitraum von 6,5 Jahren (45.345 Patientenjahre) starben 28,2% der im Register erfassten Patienten.
Bei 38% aller Gestorbenen wurde die Todesursache als kardiovaskulär klassifiziert; 31% der Todesfälle wurden primär auf eine kardiale Ursache zurückgeführt. Häufigste Ursachen waren dabei Herzinsuffizienz (15,1%) und plötzlicher Herztod (12,1%). Nur 3,9% aller Todesfälle standen in Zusammenhang mit zerebrovaskulären Ereignissen.
Dem Team um Näbauer ging es bei ihrer Analyse darum, die prädiktive Stärke (predictive power) diverser Baseline-Faktoren, darunter Arrhythmie-bezogene Parameter wie auch kardiale und nicht-kardiale Begleiterkrankungen, bezüglich der Gesamtmortalität bei Vorhofflimmern zu quantifizieren. Dafür nutzten sie komplexe statistische Verfahren.
Stärkster Prädiktor war das Alter
Als stärkster Prädiktor für die Mortalität erwies sich das „geschlechtsspezifische Alter“. Geschlechtsspezifisch bedeutet, dass die altersabhängige Mortalität bei Männern und Frauen unterschiedlich war: In niedrigeren Altersklassen war die Mortalität bei Männern relativ höher, während im hohen Alter bei Frauen ein starker Anstieg der Sterblichkeit zu beobachten war. Den „Break-even“-Punkt berechneten die Untersucher um Näbauer bei immerhin 89 Jahren.
Über die Faktoren Alter und Geschlecht hinaus waren es vor allem die Ausgangsfaktoren NYHA-Klasse, linksventrikuläre Ejektionsfraktion, PAVK, Diabetes mellitus, Rauchen, chronische Nierenerkrankungen und chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen, die sich als starke Prädiktoren der Mortalität herausstellten. Den Anteil dieser Faktoren an der prädiktiven Stärke des Analysemodells für die Mortalität veranschlagen die Studienautoren mit 25%.
Arrhythmie-bezogene Parameter nur von geringer prädiktiver Bedeutung
Dagegen waren Parameter mit direktem Bezug zum Vorhofflimmern wie Arrhythmie-Typ (paroxysmal, persistierend, permanent) oder Katheterablation bzw. Kardioversion in der Vorgeschichte nur von geringer prädiktiver Bedeutung für die Mortalität.
Nicht überraschend war im Übrigen auch der CHA2DS2-VASc-Score, der auf vielen Prognosemarkern wie Herzinsuffizienz, Diabetes und höheres Alter basiert, eng mit der Gesamtmortalität assoziiert.
Fokus auf die Komorbidität
Die Komorbidität scheint nach diesen Ergebnissen somit die entscheidende Determinante für die Mortalität bei Vorhofflimmern zu sein. Die Studiengruppe um Näbauer zieht daraus den Schluss, dass eine Senkung des Sterberisikos bei Vorhofflimmern am ehesten darüber zu erzielen ist, indem die Behandlung von Begleiterkrankungen wie Herzinsuffizienz, chronische Nierenerkrankung und Diabetes zusätzlich zur Antikoagulation optimiert wird.
Wenig erfolgversprechend erscheint ihnen dagegen im Licht der aktuellen Studienergebnisse der Ansatz, über eine arrhythmiespezifische Therapie wie Rhythmuskontrolle die Gesamtmortalität reduzieren zu wollen.
Die aktuelle Analyse stützt sich auf Daten von 8833 Patienten aus dem AFNET-Register. Bei 31,4% von ihnen war das Vorhofflimmern als paroxysmal, bei 20,2% als persistierend, bei 35,4% als permanent und bei In 10,5% als „erste Episode“ klassifiziert worden
In das Register waren zwischen Februar 2004 und März 2006 insgesamt 9582 Patienten mit dokumentiertem Vorhofflimmern aufgenommen worden. AFNET gilt als repräsentatives Abbild der Versorgungsrealität in Deutschland.
Literatur
Näbauer M. et al.: Prognostic markers of all-cause mortality in patients with atrial fibrillation: data from the prospective long-term registry of the German Atrial Fibrillation NETwork (AFNET). Europace 2021. doi.org/10.1093/europace/euab113