PCSK9-Hemmer nach Infarkt: Deutliche Plaqueregression erreichbar
Werden PCSK9-Hemmer in Ergänzung zu hochdosierter Statin-Therapie unmittelbar nach einem Infarkt bald Standard? Die PACMAN-AMI-Studie zeigte mit unterschiedlichen Bildgebungs-Methoden eine starke Plaqueregression.
Die PACMAN-AMI Studie, die bei der ACC-Tagung von Prof. Lorenz Räber von der Kardiologie der Universität Bern vorgestellt und parallel in der Zeitschrift JAMA veröffentlicht wurde, war eine doppelblinde, randomisierte Studie mit primären und sekundären Bildgebungsendpunkten. Sie fand in neun Zentren in der Schweiz, Österreich, Dänemark und den Niederlanden statt. 300 Patienten mit akutem Myokardinfarkt nahmen teil, gut die Hälfte davon mit ST-Hebungsinfarkt. Die Patienten waren im Mittel 58 Jahre alt und vor dem Infarkt vergleichsweise gesund. Nur etwa 10 % hatten Diabetes, nur etwa 12 % nahmen bereits Statine ein.
Die Patienten wurden nach Leitlinie versorgt. Das Infarktgefäß wurde rekanalisiert, und bei Entlassung nahmen 94,3 % Rosuvastatin 20 mg ein. Diese Dosis wurde über den Studienzeitraum auch weitgehend durchgehalten: Nach 52 Wochen waren noch 90,6 % auf 20 mg Rosuvastatin. Die Hälfte der Patienten erhielt zusätzlich 150 mg Alirocumab alle zwei Wochen, das ganze über ein komplettes Jahr.
Primärer Endpunkt war die mit intravaskulärem Ultraschall (IVUS) gemessene Veränderung des Plaquevolumens bis Woche 52. Sekundär wurden mittels Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) die Veränderung im Lipidgehalt gemessen, außerdem mittels optischer Kohärenztomographie (OCT) die Dicke der fibrösen Kappe. Große Plaquevolumina im IVUS, ein hoher Lipidgehalt in der NIRS und eine dünne fibröse Kappe auf den Atheromen seien mit einem höheren Risiko erneuter kardiovaskulärer Ereignisse assoziiert, betonte Räber.
Plaqueregression stärker als erwartet
Erwartungsgemäß unterschied sich nach einem Jahr Behandlung das LDL-Cholesterin deutlich zwischen den beiden Gruppen. Während in der Rosuvastatin/Placebo-Gruppe der LDL-Wert von im Mittel 152,8 mg/dl auf 74,4 mg/dl gesenkt wurde, waren es bei zusätzlicher Gabe von Alirocumab nur noch 23,6 mg/dl. Dies spiegelte sich in klaren Vorteilen für die Alirocumab-Gruppe in allen drei Bildgebungs-Endpunkten wider: Das mittlere Plaquevolumen nahm um 2,13 % ab, gegenüber 0,92 % in der Placebogruppe (p<0,001), bzw. das Gesamtvolumen um 26,12 mm³ gegenüber 14,97 mm³ (p<0,001). Der Lipidgehalt im NIRS, gemessen mit dem Lipid Core Burden Index, nahm signifikant stärker ab, und die Dicke der fibrösen Kappe nahm unter Alirocumab stärker zu. Auch das war alles statistisch signifikant. Keine signifikanten Unterschiede gab es bei klinischen Endpunkten. Was unerwünschte Wirkungen angeht, waren in der Alirocumab-Gruppe Reaktionen an den Einstichstellen, allergische Reaktionen und neurokognitive Symptome jeweils geringfügig häufiger.
Räber wies beim ACC darauf hin, dass die Plaqueregression in der PACMAN-AMI Studie stärker als erwartet ausfiel. Insbesondere sei sie stärker gewesen als in der GLAGOV-Studie, in der Evolocumab zum Einsatz gekommen war. Grund dafür sei wahrscheinlich weniger die Art des PCSK9-Hemmers als das unterschiedliche Patientenkollektiv der PACMAN-AMI Studie. So habe die GLAGOV-Studie überwiegend stabile KHK-Patienten rekrutiert, die mit Statinen vortherapiert waren und deren LDL-Wert bei Randomisierung schon bei 92 mg/dl lag, wohingegen es sich in der PACMAN-AMI-Studie zu 88 % um Statin-naive Patienten gehandelt habe.
Noch aggressiver senken?
Klinisch stellt sich angesichts der PACMAN-AMI Studie einmal mehr die Frage, ob das LDL bei Infarktpatienten nicht auf breiterer Front aggressiv gesenkt werden sollte. Die europäischen Leitlinien sehen die sofortige, kombinierte LDL-Senkung nach Infarkt unter Einsatz von PCSK9-Hemmern bisher als Option nur für ausgewählte Patienten vor. „Die Studienergebnisse geben eine mechanistische Rationale für eine frühe, sehr intensive LDL-Senkung bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt“, so Räber bei der ACC-Tagung.
Prof. Michael Blaha von der Kardiologie der Johns Hopkins School of Medicine lobte in einem Kommentar die sehr sorgfältige Phänotypisierung der Plaques und sprach von einer extrem relevanten Studie. Es sei aber wichtig, die Mechanismen, über die Alirocumab und andere PCSK9-Hemmer wirken, noch genauer zu charakterisieren, auch um den Zusammenhang zwischen Plaque-Befunden und klinischen Outcomes noch besser zu verstehen.
Literatur
Räber L. PACMAN AMI: Effects of Alirocumab on Coronary Atherosclerosis Assessed by Serial Multimodality Intracoronary Imaging in Patients With Acute Myocardial Infarction: A Double-blind, Placebo-controlled, Randomized Trial. Late-Breaking Clinical Trials II, American College of Cardiology 2022 Scientific Session, 2. April in Washington
Räber L et al. Effect of Alirocumab Added to High-Intensity Statin Therapy on Coronary Atherosclerosis in Patients With Acute Myocardial Infarction. JAMA 2022; 3. April 2022; doi:10.1001/jama.2022.5218