Statintherapie: Vergleich von zwei Strategien bleibt ohne Sieger
Für die Lipidtherapie mit Statinen werden je nach Leitlinien zwei unterschiedliche Strategien empfohlen: „Treat-to-Target“ oder „Fire-and-Forget“. Beide sind jetzt in einer randomisierten Studie miteinander verglichen worden. Einen Sieger gab es nicht.
Statine sind seit langem ein unangefochtener Eckpfeiler in der lipidsenkenden Therapie zur Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen und damit einhergehenden Ereignissen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Ihr hoher Stellenwert gründet auf einer soliden wissenschaftlichen Datenbasis der höchsten Evidenzstufe. Das lässt eindeutige und von allen geteilte Empfehlungen kardiologischer Fachgesellschaften zur Statintherapie erwarten, sollte man meinen.
Transatlantische Differenzen bei der Statintherapie
Dem ist aber nicht so. Ungeachtet der Berufung auf die gleiche Evidenzbasis differieren die Empfehlungen zur Vorgehensweise in der Statintherapie dies- und jenseits des Atlantiks. Die Autoren der ACC/AHA-Leitlinien in den USA halten sich zugute, sich besonders streng an die randomisierten kontrollierten Statinstudien zu halten. Sie haben vor einiger Zeit das Konzept einer an Zielwerten ausgerichteten Statintherapie über Bord geworfen. Stattdessen wurden spezifische Patientengruppen definiert, die aufgrund des nachgewiesenen Nutzens Statine je nach Risiko in fester mittlerer oder hoher Dosierung und ohne LDL-Zielvorgabe erhalten sollten. Diese „Fire & Forget“ benannte Strategie ist gleichwohl in den USA nicht unumstritten.
In Europa zieht man einen anderen Ansatz vor: „Treat-to-Target“ lautet hier der Grundsatz, an dem bis heute festgehalten wird. Danach soll der Einsatz lipidsenkender Medikamente auf das Erreichen definierter LDL-Zielwerte ausgerichtet werden, die je nach individuellem kardiovaskulärem Gesamtrisiko differieren. Je höher das Risiko, desto niedriger der Zielwert.
„Nichtunterlegenheit“ der Treat-to-Target-Strategie bestätigt
Koreanische Untersucher haben beide Strategien in der randomisierten LODESTAR-Studie erstmals direkt miteinander verglichen. Ausgangshypothese war, dass der Treat-to-Target-Ansatz mit Dosiserhöhung oder -reduktion (falls erforderlich) einer „High-Intensity“-Statintherapie (mit 20 mg Rosuvastatin oder 40 mg Atorvastatin) in klinischer Hinsicht bei KHK-Patienten „nicht unterlegen“ sein würde. Genau das hat die Studie dann auch bestätigt. Studienleiter Dr. Myeong-Ki Hong vom Yonsei University College of Medicine, Seoul, hat die Ergebnisse beim ACC-Kongress 2023 in New Orleans präsentiert.
LDL-Wert von 50 bis 70 mg/dl als Zielvorgabe
In die im Nichtunterlegenheit-Design angelegte LODESTAR-Studie sind an 12 Zentren in Südkorea 4.400 Parienten (mittleres Alter 65 Jahre; 28% Frauen) mit dokumentierter Koronarerkrankung aufgenommen und zwei Gruppen zugeteilt worden. In der Treat-to-Target-Gruppe sollte der LDL-Cholesterinwert der Teilnehmer durch entsprechende Titrierung der Statintherapie dauerhaft auf einen Zielwert im Bereich zwischen 50 und 70 mg/dl eingestellt werden. In der High-Intensity-Gruppe erfolgte die Statingabe ohne Vorgabe eines bestimmten LDL-Zielwerts mit der Empfehlung, die Dosis möglichst nicht zu ändern.
Der LDL-C-Ausgangswert der Teilnehmer betrug zu Studienbeginn im Mittel 86,5 mg/dl. Bezüglich der Intensität der Statintherapie wurde in der Treat-to-Target-Gruppe bei 17% der Teilnehmer eine Auftitrierung und bei 9% eine Dosisreduktion vorgenommen, während in den meisten Fällen (73%) die ursprüngliche Dosisstärke beibehalten wurde. In dieser Gruppe erhielten 54% eine hoch dosierte Statinbehandlung, im Vergleich zu 92% in der Vergleichsgruppe mit „High-Intensity“-Therapie.
Nach sechs Wochen hatte die High-Intensity-Therapie bezüglich der LDL-C-Reduktion die Nase vorn: Zu diesem Zeitpunkt lagen die LDL-C-Werte bei 61,6% der Patienten dieser Gruppe im Bereich unter 70 mg/dl, im Vergleich zu 55,7% in der Treat-to-Target-Gruppe. Allerdings verlor sich dieser Unterschied mit der Zeit: Nach drei Jahren unterschieden sich die entsprechenden Anteile mit 59,7% versus 58,2% versus nicht länger signifikant (p=0,41).
Ereignisraten von 8,1% vs. 8,7% nach drei Jahren
Das wichtigste Ergebnis der Studie: Die Raten für den primären kombinierten Studienendpunkt (Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, koronare Revaskularisation) unterschieden sich mit 8,1% (Treat-to-Target) und 8,7% (High-Intensity) nach drei Jahren nicht wesentlich. Das erfüllte die definierten Kriterien für Nichtunterlegenheit der Treat-to-Target-Strategie (p < 0,001 für Nichtunterlegenheit). Auch bezüglich der einzelnen Komponenten des primären Endpunktes bestanden keine nennenswerten Unterschiede.
Fälle von neu diagnostiziertem Diabetes mellitus (7,0% vs. 5,6%, p=0,07) und von Nierenversagen (0,5% vs. 0,1%, p=0,05) wurden in der High-Intensity-Gruppe tendenziell (aber nicht signifikant) häufiger beobachtet.
Zurückhaltung bei der Kombinationstherapie
Dass in der Treat-to-Target-Gruppe trotz dezidierter Zielvorgabe nur knapp 60% der Patienten einen LDL-C-Wert unter 70 mg/dl erreichten, mag verwundern. Eine mögliche Erklärung könnte die in der Studie geübte Zurückhaltung bezüglich einer Kombinationstherapie mit anderen Lipidsenkern wie Ezetimib sein. Im Studienprotokoll waren solche Kombinationen nicht ausdrücklich empfohlen worden.
Die LODESTAR-Studie liefere zusätzliche Evidenz für den Treat-to-Target-Ansatz als einer Strategie, die eine maßgeschneiderte Behandlung unter Berücksichtigung des individuellen Ansprechens auf eine Statintherapie ermögliche, schlussfolgern Hong und seine Mitautoren.
Literatur
Myeong-Ki Hong: Comparison Between Targeted Low-Density Lipoprotein Cholesterol Level Based Versus High-Intensity Statin Therapy In Patients With Coronary Artery Disease. Featured Clinical Research III. ACC-Kongress 2023, 4. – 6. März 2023, New Orleans.
Sung-Jin Hong et al. Treat-to-Target or High-Intensity Statin in Patients With Coronary Artery Disease - A Randomized Clinical Trial. JAMA 2023. oi:10.1001/jama.2023.2487.