Nach Herzinfarkt: Ist früher „Switch“ zum preisgünstigeren Plättchenhemmer vertretbar?
Können Patienten mit Myokardinfarkt nach einiger Zeit von potenteren Plättchenhemmern wie Prasugrel oder Ticagrelor risikolos auf das preisgünstigere Clopidogrel umgestellt werden? Darüber wird zurzeit viel diskutiert. Die PRAGUE-18-Studie liefert jetzt neue Information bezüglich dieser Frage - ohne sie allerdings definitiv beantworten zu können.
Bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt, die nach perkutaner Koronarintervention (PCI) entweder Prasugrel oder Ticagrelor erhalten hatten, waren die klinischen Ergebnisse nach einem Jahr in der PRAGUE-18-Studie mehr oder weniger gleich. Bei denjenigen Infarktpatienten, die vornehmlich aus Kostengründen schon sehr früh auf Clopidogrel umgestellt worden waren, führte die Behandlung zu mindestens ebenso guten – wenn nicht sogar partiell besseren – Behandlungsergebnissen, berichtete Dr. Zuzana Motovska von der Karlsuniversität Prag beim Kongress der American Heart Association (AHA) 2017. Sie präsentierte dort die 1-Jahres-Ergebnisse der PRAGUE-18-Studie.
Die PRAGUE-18-Studie, die von tschechischen Kardiologen um Prof. Petr Widimsky aus Prag in bewundernswerter Weise ohne jegliche finanzielle Unterstützung von industrieller Seite realisiert worden ist, sollte eine Antwort auf eine wichtige und nicht nur für Kardiologen interessante Frage liefern: Ist Prasugrel oder Ticagrelor in der Sekundärprävention nach Myokardinfarkt der bessere unter den potenteren - im Vergleich zu Clopidogrel aber auch teureren - Thrombozytenhemmern?
In der randomisierten Studie sind 1.230 Patienten mit akutem ST-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) zusätzlich zur sonstigen Therapie entweder mit Prasugrel oder Ticagrelor behandelt worden. Primärer Endpunkt war die Rate kardiovaskulärer Ereignisse (Tod, Re-Infarkt, Schlaganfall, Revaskularisation, schwere Blutungen, verlängerte Hospitalisierung) innerhalb der ersten sieben Tage nach dem Akutereignis.
Gleiche Ereignisraten nach 7 Tagen …
Mit 4,0 % (Prasugrel) und 4,1 % (Ticagrelor) waren die entsprechenden Ereignisraten nahezu gleich, so das beim ESC-Kongress 2016 vorgestellte Hauptergebnis. Äquivalente Wirksamkeit und Sicherheit beider Plättchenhemmer sind damit aber nicht mit letzter Sicherheit bewiesen. Denn statistisch ist die Studie in hohem Maß „unterpowert“. Schon bei der Planung legte man eine Stichprobengröße von nur 2.500 Patienten zugrunde. Dann wurde die Studie nach einer „Futility“-Analyse, die eine Fortsetzung in Erwartung klinischer Unterschiede als aussichtslos erschienen ließ, nach Aufnahme von nur rund 1.200 Patienten auch noch vorzeitig gestoppt. Experten haben vorgerechnet, dass für eine zuverlässige Prüfung rund 14.000 Teilnehmer nötig gewesen wären.
… und auch nach einem Jahr
Nach einem Jahr waren die Raten für die Ereignisse kardiovaskulärer Tod, Re-Infarkt und Schlaganfall mit nunmehr 6.6% (Prasugrel) und 5.7% (Ticagrelor) erneut nicht signifikant unterschiedlich, berichtete Motovska jetzt beim AHA-Kongress in Anaheim. Auch die Raten für kardiovaskuläre Todesfälle (3.3% vs. 3.0%, Myokardinfarkte (3.0% vs. 2.5%), Schlaganfälle (1,1% vs.
0.7%), Gesamtmortalität (4.7% vs. 4.2%), definitive Stentthrombosen (1.1% vs.1.5%) und Blutungen (10.9% vs. 11.1%) ließen Prasugrel und Ticagrelor als vergleichbar wirksam und sicher erscheinen.
„Switching“ erhöhte nicht das Risiko
Während der einjährigen Nachbeobachtung war das Augenmerk der Untersucher noch auf einen zweiten Aspekt der Studie gerichtet. Da die Teilnehmer nach der Klinikentlassung ihre Medikation selber bezahlen mussten, zogen es nicht wenige vor, auf das preislich günstigere Clopidogrel umgestellt zu werden. Damit bot sich die Gelegenheit, die klinischen Auswirkungen einer „De-Eskalation“ von den potenteren Plättchenhemmern Ticagrelor oder Prasugrel zum weniger potenten Clopidogrel zu analysieren.
Eine aus Kostengründen veranlasste Umstellung erfolgte zumeist schon kurz nach der Klinikentlassung bei 34.1% (n=216) Patienten der Prasugrel-Gruppe und 44.4% (n=265) der Ticagrelor-Gruppe. Dieser „Switch“ hatte für die Patienten keine negativen Auswirkungen: Ihr Risiko für ischämische Ereignisse war im Vergleich zu dem von Patienten mit kontinuierlicher Prasugrel- und Ticagrelor-Therapie nicht nur nicht erhöht – aus ökonomischen Gründen auf Clopidogrel umgestellte Patienten hatten sogar ein signifikant niedrigeres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (2.5% vs. 8.5%; P = 0.024) und für Blutungen (7.3% vs. 13.4%; p = 0.001). Dabei ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass Patienten dieser Wechselgruppe per se ein niedriges Risiko für ischämische Ereignisse als mit Prasugrel und Ticagrleor weiter behandelte Patienten hatten. Die zuständigen Ärzte haben den „Switch“ deshalb wohl für vertretbar gehalten.
Noch fehlt der definitive Beweis
Wie gesagt: Ein hieb- und stichfester Beweis ist auch dieser Nachweis eines risikolosen Wechsels zur Clopidogrel-Therapie aufgrund methodischen Limitierungen der Studie nicht. Fakt ist aber, dass ein solcher Wechsel im Praxisalltag relativ häufig vorgenommen wird. Die PRAGUE-18-Ergebnisse können in dieser Situation zumindest Befürchtungen, dass diese Praxis den Patienten schaden könnte, etwas entkräften. In die gleiche Richtung gehen im Übrigen auch die Ergebnisse neuerer Studien wie TOPIC und TROPICAL-ACS. Um aber die Sicherheit einer Umstellung von Postinfarkt-Patienten von potenten Thrombozytenhemmern auf die preislich günstigere Alternative definitiv zu klären, bedarf es noch großer randomisierter Studien.
Literatur
Vorgestellt beim Kongress der American Heart Association (AHA) 2017, 11.-15. November, Anaheim
Motovska Z, et al. One-year outcomes of prasugrel versus ticagrelor in acute myocardial infarction treated with primary angioplasty: the PRAGUE-18 study. J Am Coll Cardiol. 2017; DOI: 10.1016/j.jacc.2017.11.008