Gibt es bald einen neuen Gerinnungshemmer?
Die Gerinnungshemmung bleibt für Studien und neue Medikamente gut. In der randomisierten AXIOMATIC-TKR Studie war der orale Faktor XIa-Hemmer Milvexian in der Prophylaxe nach Kniegelenks-OP sehr effektiv und zeigte ein niedriges Blutungsrisiko.
Der Faktor XI ist ein neuer Ansatzpunkt für antikoagulatorisch wirksame Medikamente. Er ist stark beteiligt an der Thrombusbildung, hat aber nur eine vergleichsweise geringe Bedeutung für die Hämostase. Deswegen ist denkbar, dass Medikamente, die hier ansetzen, mit eher geringem Blutungsrisiko recht effektiv Thromboembolien verhindern.
Bei der virtuellen AHA-Tagung wurden jetzt die Ergebnisse der AXIOMATIC-TKR-Studie vorgestellt und zeitgleich im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht. Es handelte sich um eine randomisierte Dosisfindungsstudie, die den selektiven, oralen Faktor XIa-Inhibitor Milvexian in Dosierungen von 25 mg bis 200 mg einmal oder zweimal am Tag mit Enoxaparin 40 mg subkutan verglichen hat.
Thromboseprophylaxe nach Knie-Operationen
Das klinische Szenario war das klassische Erstlinienszenario für neue gerinnungswirksame Medikamente, nämlich die Thromboembolieprophylaxe nach Kniegelenksoperation. Diese Indikation ist für solche ersten Studien deswegen besonders geeignet, weil sich tiefe Venenthrombosen am Knie besonders leicht identifizieren lassen.
An der siebenarmigen Studie, über die Studienleiter Dr. Jeffrey Weitz von der McMaster Universität in Kanada berichtete, nahmen 1.242 Patienten teil, bei denen jeweils 12 bis 24 Stunden nach Operation mit der Studienmedikation begonnen wurde. Eine Einzeldosis Enoxaparin war in allen Gruppen am Abend vor dem Eingriff erlaubt, wenn das in der jeweiligen Einrichtung standardmäßig so gehandhabt wurde.
Primärer Endpunkt der Studie waren venöse Thromboembolien, definiert als Komposit aus asymptomatischer tiefer Venenthrombose, symptomatischer venöser Thromboembolie und Tod jeglicher Ursache. Wichtigster Sicherheitsendpunkt waren Blutungen jeglicher Ursache.
Auf Blutungsseite gab es mit einer Quote von 4% Blutungen jeglicher Ursache keinen Unterschied zwischen den Milvexian-Armen und dem Enoxaparin-Arm. Dabei habe es bei den Milvexian-Gruppen keine Dosisabhängigkeit des Blutungsrisikos gegeben, betonte Weitz beim AHA-Kongress. Schwere Blutungen traten bei 1% der Milvexian-Patienten und bei 2% der Enoxaparin-Patienten auf, schwere unerwünschte Ereignisse gab es bei 2% bzw. 4% der Patienten.
Hohe Dosierung ohne Anstieg des Blutungsrisikos
Dass es keine Dosisabhängigkeit beim Blutungsrisiko durch Milvexian zu geben scheint, ist insofern günstig, als dann relativ hoch dosiert werden kann, mit entsprechend ausgeprägtem antithrombotischem Effekt. Hier gab es dann auch in den Gruppen, in denen die Prüfsubstanz zweimal täglich appliziert wurde, einen klaren Dosiseffekt: Bei zweimal täglicher Gabe von 25 mg Milvexian kam es bei 21% der Patienten zu thromboembolischen Ereignissen gemäß Endpunktdefinition, bei zweimal 50 mg waren es 11%, bei zweimal 100 mg 9% und bei zweimal 200 mg 8%. In der Kontrollgruppe mit 40 mg Enoxaparin-Applikation pro Tag betrug die Quote 21%. Für die meisten Dosierungen war das ein statistisch signifikanter Vorteil gegenüber Enoxaparin.
„Rückenwind für Faktor XI-Hemmung“
Insgesamt liefere diese Phase-II-Studie den Beleg, dass Milvexian prinzipiell ein effektives antithrombotisches Medikament sei, so Weitz. Erfreulich sei neben der sehr guten Thromboembolieprophylaxe in den höheren Dosierungen insbesondere, dass es bei den schweren und klinisch relevanten Blutungen offenbar ein vergleichsweise geringes Risiko gebe, das zudem nicht dosisabhängig zu sein scheine. Die Faktor XI-Hemmung bekommt durch die AXIOMATIC-TKR-Studie in jedem Fall weiter Rückenwind, nachdem zuvor bereits auf Faktor XI zielende Antisense-Oligonukleotide und der Faktor XI-Antikörper Abelacimab Hinweise auf eine im Vergleich zu Enoxaparin bessere Thromboseprophylaxe nach Kniegelenks-OP geliefert hatten.
Orale Gabe als Vorteil
Vorteil von Milvexian ist vor allem, dass es, anders als Antisense-Oligonukleotide und Antikörper, oral gegeben werden kann. Es soll jetzt in den für die Antithrombotika-Entwicklung typischen Phase III-Studien bei unterschiedlichen prophylaktischen und ggf. therapeutischen Indikationen evaluiert werden. Ein endgültiges Dosisschema steht noch nicht fest, aber Weitz betonte, dass es mindestens 100 mg pro Tag sein sollten. Es läuft außerdem eine weitere Phase II-Studie, in der Milvexian in Kombination mit ASS und Clopidogrel in der Sekundärprävention nach Schlaganfall untersucht wird.
Literatur
Weitz J: Milvexian for Prevention of Venous Thromboembolism after Elective Knee Arthroplasty: The AXIOMATIC-TKR Study, Late Breaking Science Session 07; AHA Congress, 13.-15. November 2021
Weitz JI et al. Milvexian fort he Prevention of Venous Thromboembolism. N Engl J Med 2021; DOI: 10.1056/NEJMoa2113194