Postoperatives Vorhofflimmern: Zusatzeingriff senkt Risiko deutlich
Perikardergüsse gelten als potenzielle Ursache für postoperatives Vorhofflimmern. Auf Grundlage dieser Annahme haben Herzchirurgen eine bisher recht unbekannte Methode zur Reduktion des Vorhofflimmern-Risikos getestet – die ziemlich gut funktioniert hat.
Das Risiko für postoperatives Vorhofflimmern könnte sich durch eine sog. posteriore linke Perikardiotomie beträchtlich verringern lassen. Darauf jedenfalls deutet die beim AHA-Kongress präsentierte und im „Lancet“ publizierte Proof-of-Concept-Studie PALACS hin.
„Unsere Daten bestätigen in einer adäquat gepowerten und gründlich durchgeführten, prospektiven randomisierten Studie, dass eine posteriore linke Perikardiotomie mit einer deutlichen und statistisch signifikanten Reduktion der Inzidenz von postoperativen Vorhofflimmern nach Koronararterien-Bypass-Operationen, chirurgischen Aortenklappen- sowie Aorten-Eingriffen assoziiert ist“, fasste Studienautor Prof. Mario Gaudino die Studienergebnisse zusammen.
Perikardergüsse als Ursache für postoperatives Vorhofflimmern
Grundlage für die PALACS-Studie ist die Annahme, dass Perikardergüsse eine Ursache für das Auftreten von postoperativen Vorhofflimmern darstellen könnte. Wie Gaudino erläuterte, sind dafür wahrscheinlich lokale inflammatorische Reaktionen oder der oxidative Stress verantwortlich, oder womöglich einfach die dadurch verursachte mechanische Kompression, so der in New York tätige Herzchirurg.
Eingriff bisher nicht verbreitet
Dies hat Wissenschaftler zu der Überlegung gebracht, das Risiko für die Entwicklung von Vorhofflimmern im Zuge von Herzoperationen mittels einer posterioren linken Perikardiotomie zu senken. Das Verfahren ist laut Gaudino „relativ simpel“. Während der Herz-OP wird ein 4 bis 5 cm großer vertikaler Schnitt am posterioren linken Perikard gesetzt, der sich von der linken inferioren Pulmonalvene bis zum Zwerchfell erstreckt. Dieser Schnitt soll, wie Gaudino weiter ausführte, eine Drainage von Flüssigkeit und thrombotischen Material aus dem Perikard in die linke Pleurahöhle ermöglichen. Bisher sei die Prozedur noch nicht weit verbreitet und in der Chirurgie-Community auch noch relativ unbekannt.
Vielleicht ändert sich das nun durch die Ergebnisse der PALACS-Studie. Insgesamt 420 Patienten sind in der Singlecenter-Studie randomisiert worden: Bei 212 Patienten wurde während eines herzchirurgischen Eingriffes eine posteriore linke Perikardiotomie vorgenommen. Die restlichen Teilnehmer wurden wie geplant am Herzen operiert, ohne die zusätzliche Intervention am Perikard.
Während des Krankenhausaufenthaltes entwickelte mehr als jeder dritte Patient aus der Kontrollgruppe erstmalig Vorhofflimmern (32%), mit 18% war die Rate in der Interventions-Gruppe deutlich geringer. Das entspricht einer hochsignifikanten relativen Risikoreduktion für diesen primären Endpunkt von 45% (RR: 0,55; p ˂ 0,001).
Auch Antiarrhythmika und Antikoagulanzien mussten bei den Patienten mit Perikardiotomie deutlich seltener eingesetzt werden (RR: 0,55 bzw. 0,44). Die kumulative Vorhofflimmern-Dauer sei durch die Intervention fast halbiert worden, berichtete Gaudino über einen weiteren sekundären Endpunkt.
Keine Sicherheitssignale
Sicherheitssignale gab es laut dem Herzchirurgen keine. Postoperative Perikardergüsse kamen in der Perikardiotomie-Gruppe nicht häufiger vor als in der Kontrollgruppe (12% vs. 17%; RR: 0,58). Der Behandlungseffekt ist in allen Subgruppe konsistent ausgefallen, inklusive derer, die im Anschluss an die OP Betablocker erhalten haben. Die Operation selbst habe dadurch nur geringfügig länger gedauert, berichten die Autoren im Lancet.
„Überzeugendes Proof-of-Concept“
„Diese gut gemachte Chirurgie-Studie liefert ein überzeugendes Proof-of-Concept, dass ein einfacher, preiswerter und generalisierbarer chirurgischer Zusatzeingriff zum Anlegen einer perikardialen Drainage das Auftreten von postoperativem Vorhofflimmern nach einer Herz-OP sicher reduzieren kann“, kommentierte Prof. Subodh Verma aus Toronto die Ergebnisse im Anschluss an deren Präsentation. Die erreichte Risikoreduktion ist dem Herzchirurgen zufolge im Vergleich zu bisherigen Behandlungsoptionen, z.B. die präoperative Gabe von Betablockern oder Amiodaron sowie Cholchicin, „merklich“.
Als Kritik brachte er an, dass die Definition für Vorhofflimmern in der Studie recht liberal gewählt wurde, nämlich im EKG oder kontinuierlichen Rhythmusmonitoring aufgetretene Episoden von mind. 30 Sekunden Dauer. Zudem wurden Patienten mit geplanten Mitralklappen- und Trikuspidalklappen-Eingriffen nicht in die Studie eingeschlossen, sodass die Ergebnisse auf dieses Patientenklientel nicht eins-zu-eins übertragbar sind.
Gaudino fügte hinzu, dass die Ergebnisse der Studie deshalb in einer großen pragmatischen multizentrischen Studie, die das ganze Spektrum an Herz-Operationen eischließt, bestätigt werden müssen.
Literatur
Gaudiono M: PALACS: Posterior Left Pericardiotomy Reduces Postoperative Atrial Fibrillation After Cardiac Surgery; Late Breaking Science Session 3, AHA Congress, 13-15. November 2021.
Gaudino M et al. Posterior left pericardiotomy for the prevention of atrial fibrillation after cardiac surgery: an adaptive, single-centre, single-blind, randomised, controlled trial. The Lancet 2021; DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)02490-9