Nachrichten 25.11.2022

Welche Antikoagulation bei Dialyse-Patienten mit Vorhofflimmern?

Apixaban scheint in der Antikoagulation bei Patienten mit dialysepflichtigem Nierenversagen und Vorhofflimmern ebenso wirksam und sicher zu sein wie ein Vitamin-K-Antagonist. Das legen Ergebnisse der deutschen AXADIA-AFNET-8-Studie nahe.

Patientinnen und Patienten, die wegen chronischer Nierenerkrankung auf Hämodialyse angewiesen sind und Vorhofflimmern aufweisen, haben ein hohes Risiko sowohl für thromboembolische Ereignisse als auch für Blutungen. Könnte in der Antikoagulation bei dieser Hochrisikogruppe ein nicht Vitamin-K abhängiges orales Antikoagulans (NOAK) wie Apixaban, das nur in geringem Maß über die Niere ausgeschieden wird, eine mindestens ebenso gute Option sein wie ein Vitamin K-Antagonisten (VKA)?

Dieser Frage sind deutsche Forscherinnen und Forscher in der vom Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. initiierten Studie AXADIA-AFNET-8 nachgegangen. Prof. Paulus Kirchhof vom Universitären Herzzentrum Hamburg hat die Ergebnisse jüngst beim AHA-Kongress 2022 in Chicago vorgestellt.

Danach waren bei den dialysepflichtigen Teilnehmern mit Vorhofflimmern in puncto Sicherheit und Wirksamkeit am Ende keine Unterschiede zwischen Apixaban und dem VKA Phenprocoumon (besser bekannt als Marcumar) vorhanden. „Unsere Daten sprechen dafür, Apixaban zur Prävention von kardiovaskulären Komplikationen bei Patienten mit Vorhofflimmern und Langzeit-Hämodialyse in Betracht zu ziehen“, schlussfolgerte Kirchhof.

Weniger Teilnehmer als geplant in die Studie aufgenommen

Allerdings sind bei der Interpretation der Ergebnisse Limitierungen zu beachten, die aus einem von der Planung abweichendem Studienablauf resultieren. Aufgrund einer schleppenden Rekrutierung von Teilnehmern war das Studienkollektiv in AXADIA-AFNET-8 nämlich de facto deutlich kleiner als anfänglich geplant. Wohl aus diesem Grund konnte trotz vergleichbarer klinischer Ergebnisse in beiden Gruppen der intendierte Nachweis der „Nichtunterlegenheit“ von Apixaban im Vergleich zum VKA nicht erbracht werden.

„Unsere Ergebnisse stützen die Anwendung von Apixaban“

Prof. Holger Reinecke vom Uniklinikum Münster, der zusammen mit Prof. Christoph Wanner aus Würzburg die AXADIA-AFNET-8-Studie geleitet hat, äußert sich dazu in einer vom Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. veröffentlichten Pressemitteilung: „AXADIA- AFNET 8 konnte unter diesen schwerkranken Menschen leider nicht so viele Studienteilnehmer:innen gewinnen wie ursprünglich geplant. Deshalb können wir die Nichtunterlegenheit von Apixaban gegenüber VKA statistisch nicht signifikant nachweisen. Trotzdem erscheint in dieser bisher größten prospektiven Studie an Dialysepatient:innen mit Vorhofflimmern nach mehrjähriger Beobachtungzeit Apixaban genauso sicher und wirksam wie VKA. Die Ergebnisse zeigen auch: Dialysepatient:innen mit Vorhofflimmern haben insbesondere unter oraler Antikoagulation nach wie vor ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen. Zusammen mit anderen Beobachtungsstudien stützen unsere Ergebnisse die Anwendung von Apixaban für Menschen mit Vorhofflimmern und chronischem Nierenversagen.“

In die randomisierte AXADIA-AFNET-8-Studie sind zwischen 2017 und 2022 an 39 deutschen Zentren 97 Patientinnen und Patienten (mittleres Alter 75 Jahre, 30% Frauen) mit chronischer Nierenerkrankung im Hämodialyse-Programm sowie dokumentiertem Vorhofflimmern bei hohem Schlaganfallrisiko (mittlerer CHA2DS2-VASc-Score 4,5) aufgenommen worden. Gemäß Studienplanung hätten es mehr als 200 Teilnehmer sein sollen.

Keine Unterschiede beim Sicherheits- und Wirksamkeitsendpunkt

Nach Studienaufnahme erfolgte die randomisierte Zuteilung zur Behandlung mit Apixaban (2,5 mg zweimal täglich, n=48) oder mit Phenprocoumon (Ziel-INR 2-3, n=49). Die mediane Follow-up-Dauer in beiden Gruppen betrug 429 respektive 506 Tage.

Primärer Maßstab für die Beurteilung der Sicherheit war ein kombinierter Endpunkt, bestehend aus den Ereignissen schwerwiegende Blutung, klinisch relevante sonstige Blutung oder Tod. Von einem dieser Ereignisse waren im Studienverlauf 22 Patienten (45,8%) der Apixaban-Gruppe und 25 Patienten (51,0%) der VKA-Gruppe betroffen (Hazard Ratio: 0,93, 95% Konfidenzintervall: 0,53-1,65; P-Wert für Nichtunterlegenheit = 0,157).

Ein Ereignis des primären Wirksamkeitsendpunkt (ischämischer Schlaganfall, Tod jeglicher Ursache, Myokardinfarkt, tiefe Venenthrombose und/oder Lungenembolie) wurde bei 10 Patienten (20,8%) der Apixaban-Gruppe und bei 15 Patienten (30,6%) der VKA-Gruppe beobachtet (p=0,51). Auch bei den Einzelendpunkten Mortalität (18,8% vs. 24,5%, schwerwiegende Blutungen (10,4% vs. 12,2%) oder Myokardinfarkt (4,2% vs. 6,1%) resultierten keine signifikanten Unterschiede zwischen Apixaban- und VKA-Behandlung.

Ebenso wie Prof. Reinecke machte auch Kirchhof bei seiner Präsentation auf das trotz oraler Antikoagulation bestehende hohe kardiovaskuläre Risiko von Patienten mit chronischem Nierenversagen und Vorhofflimmern aufmerksam. Nach seiner Ansicht bedarf es der Entwicklung von zusätzlichen Behandlungsmöglichkeiten, um das sehr hohe Risiko für Thromboembolie- und Blutungsereignisse in dieser speziellen Population weiter zu senken.

Literatur

Kirchhof P: Apixaban or Vitamin-K-Antagonist für Stroke Prevention in Patients with in Atrial Fibrillation on hemdialysis – Results of the Randomized AXADIA-AFNET-8 Trial. Features Science 03. AHA Kongress 2022, 5. – 7. November 2022, Chicago

Reinecke H. et al. A Randomized Controlled Trial Comparing Apixaban to the Vitamin K-antagonist Phenprocoumon in Patients on Chronic Hemodialysis: The AXADIA-AFNET 8 study. Circulation 2022. https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.122.062779

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