Online-Artikel 02.04.2014

Bariatrische Chirurgie kann den Diabetes mittelfristig heilen

Wie Drei-Jahres-Daten der sog. STAMPEDE-Studie zeigen, lässt sich mit bariatrischer Chirurgie bei langjährigen und übergewichtigen Diabetikern eine ebenso beeindruckende wie nachhaltige Verbesserung von Gewicht und Stoffwechsel erreichen.

Vor wenigen Jahren wurde erstmals die bariatrische Chirurgie als Therapieoption bei Typ-2-Diabetes klinisch getestet. Durch Magenverkleinerung gelang es, Gewicht abzubauen, den Glukose-Stoffwechsel zu kontrollieren und kardiovaskuläre Risikofaktoren zu reduzieren.

Bisher lagen jedoch nur kurzzeitige Erfahrungen vor. In der größten randomisierten und kontrollierten Studie STAMPEDE waren 150 übergewichtige und unkontrollierte Diabetiker (BMI im Schnitt 36) mit im Schnitt 8-jähriger Krankheitsdauer behandelt worden: Ein Drittel erhielt eine intensive antidiabetische Therapie (einschließlich regelmäßiger ärztlicher Beratung und Lebensstilmodifikationen), die anderen beiden Drittel wurden zusätzlich auf laparoskopischem Weg bariatrisch operiert, sie erhielten entweder einen Tunnelmagen oder einen Roux-en-Y-Magenbypass. Bei beiden Verfahren wird das Magenvolumen erheblich verkleinert. Zwei Drittel der Studienpatienten waren Frauen.

Vor zwei Jahren wurden die 1-Jahres-Daten publiziert: In den operierten Gruppen fiel der HbA1c-Wert im Schnitt von 9 auf etwa 6 Prozent, in der medikamentösen Gruppe fiel der HbA1c-Wert von ca. 9 auf ca. 7,5 Prozent.

Erstmals 3-Jahres-Daten nach bariatrischer Chirurgie

Die nun beim Jahreskongress des American College of Cardiology 2014 in Washington sowie zeitgleich im New England Journal of Medicine vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass die Effekte der Chirurgie nachhaltig waren, nicht jedoch diejenigen in der medikamentösen Gruppe. Hier waren die HbA1c-Durchschnittswerte von ausgangs 9 über ca. 7,5 Prozent nach einem Jahr auf nunmehr wieder 8,4 Prozent angestiegen. Der durchschnittliche Gewichtsverlust betrug 4,3 kg (von 104,5 auf 100,2 kg).

Nachhaltiger Gewichtsverlust von 21 bis 26 kg nach der Operation

Anders in den operierten Gruppen: Hier sank der HbA1c-Wert im Laufe der drei Jahre im Schnitt von 9,3 auf 6,7 Prozent (Magenbypass) bzw. von 9,5 auf 7,0 Prozent (Tunnelmagen). Die Patienten hatten im Schnitt 26 kg (Magenbypass) bzw. 21 kg (Tunnelmagen) Gewicht verloren und wogen jetzt in beiden Gruppen im Durchschnitt 80 kg. 91 Prozent der 150 Patienten konnten drei Jahre lang verfolgt werden.

Ein Viertel bis ein Drittel der Patienten ist den Diabetes los

Primärer Endpunkt der 3-Jahres-Studie war indes der Anteil der Patienten mit HbA1c-Werten unter 6 Prozent. Dieser lag bei 5 Prozent in der medikamentösen Gruppe sowie bei 38 Prozent (Bypass) und 24 Prozent (Tunnelmagen) in den operierten Gruppen. Bemerkenswert: Die operierten Patienten mit HbA1c-Werten unter 6 Prozent erreichten dies fast alle ohne antidiabetische Medikation – sie waren ihren Diabetes los. HbA1c-Werte unter 7 Prozent zeigten 40 Prozent der Patienten in der medikamentösen Gruppe sowie je 65 Prozent der operierten Patienten, nach Magenbypass ebenfalls zu 90 Prozent ohne zusätzliche Medikamente, nach Tunnelmagen zu etwa 50 Prozent ohne Antidiabetika.

„Die Operation ist der medikamentösen Therapie überlegen, und nun wissen wir, dass dies auch mittelfristig der Fall ist“, erklärte Studiendautor Dr. Philip Schauer, Chirurg an der Cleveland Clinic in Ohio.

In einer Reihe von sekundären Endpunkten schnitten die operierten Patienten ebenfalls signifikant besser ab: Sie nahmen deutlich weniger Antidiabetika einschließlich Insulin ein, im Schnitt 0,5 (Bypass) oder 1 (Tunnelmagen) im Vergleich zu 2,6 in der medikamentösen Gruppe. Auch verbesserten sie ihre Lipidwerte und nahmen signifikant weniger kardiovaskuläre Medikamente (durchschnittlich 1 bzw. 1,3 vs. 2,6). In der Gruppe mit Magenbypass besserten sich auch die Albuminwerte signifikant.

Den operierten Patienten geht es insgesamt besser

Die operierten Patienten gaben eine signifikant bessere Lebensqualität an. Dies ist bemerkenswert. Zum einen gingen die Operationen mit einer gewissen Komplikationsrate einher (13 Komplikationen nach Bypass, 5 nach Anlage eines Tunnelmagens, darunter Darmobstruktionen, Strikturen, Ulzera, Blutungen, Dumping-Syndrome, Gallensteine), in vier Fällen musst reoperiert werden. Operierte Patienten hatten aufgrund der extremen Magenverkleinerung häufiger Ernährungs- und metabolische Komplikationen wie Anämien oder infusionspflichtige Dehydrationen. Diese Komplikationen waren in den ersten 12 Monaten beobachtet worden. Schwere Spätkomplikationen traten nicht auf.

Die Autoren verweisen darauf, dass auch Patienten mit einem Ausgangs-BMI unter 35 erheblich von der bariatrischen Chirurgie profitiert haben und dass Krankenkassen die Erstattung nicht strikt von diesem Ausgangswert abhängig machen sollten.

Literatur

Jahrestagung des American College of Cardiology vom 29.-31. März 2014 in Washington DC.

Literatur:

Schauer PR et al. Bariatric Surgery versus Intensive Medical Therapy for Diabetes - 3-Year Outcomes. N Engl J Med. 31.3.2014. DOI 10.1056/NEJMoa1401329