Nachrichten 01.02.2023

Hilft eine Ablation auch gegen Reflexsynkopen?

Es gibt kaum wirksame Therapien gegen vasovagale Synkopen. Jetzt hat eine spezielle Ablationsprozedur in einer randomisierten Studie Wirkung gezeigt, das macht Hoffnung – zumindest für eine gewisse Patientenpopulation.

Womöglich kann Menschen mit vasovagalen Reflexsynkopen durch eine Ablation im Herzen geholfen werden, jedenfalls wenn die Symptomatik sehr schwerwiegend ist. In einer randomisierten Studie haben sich entsprechende Vorfälle durch eine sog. Cardioneuroablation signifikant reduzieren lassen.

Die Autoren der Studie um Prof. Roman Piotrowski aus Warschau betrachten das Verfahren angesichts dieser Ergebnisse als eine „neue vielversprechende Methode zur Behandlung von Patienten mit einer kardioinhibitorischen vasovagalen Synkope“.

„Vielversprechend“ trifft es auch deshalb, weil es aktuell nur wenige Behandlungsmöglichkeiten für Betroffene von vasovagalen Reflexsynkopen gibt. Mechanistisch sind solche Synkopen häufig auf eine übermäßige Aktivierung des Parasympathikus zurückzuführen, als Folge kommt es zu Bradykardie bzw. Asystolie, durch die der Bewusstseinsverlust herbeigeführt wird; eine solche Form der Synkope wird vasovagale Synkope vom kardioinhibitorischen Typ genannt.

Verhaltensänderungen helfen oft nicht

Um den Ursachen entgegenzuwirken, wird den Betroffenen im ersten Schritt zu Lebensstilmodifikationen geraten. Dazu gehören eine gesteigerte Flüssigkeits- und Kochsalzzufuhr, das Vermeiden von Triggern oder ein Kipptischtraining. Wie Piotrowski und Kollegen berichten, kommt es aber trotz solcher Strategien bei bis zu 61% der Patientinnen und Patienten zu Rückfällen. Nicht weniger enttäuschend sind die Effekte, die pharmakologische Therapien in Studien bisher erzielt haben, wie die Kardiologen weiter ausführen. So erzielten Midodrin und Fludrocortison Wirksamkeitsraten von gerade mal 58% bzw. 56%. Eine Schrittmachertherapie kommt wiederum nur für ältere Menschen ab 40 Jahren mit prädominant kardioinhibitorischer vasovagaler Synkopen und schwerer Symptomatik infrage.

Parasympathikus durch Ablation abschwächen

Mangels wirksamer Alternativen hat im Jahr 2005 ein Team um den Kardiologen Jose Pachon erstmals die sog. Cardioneuroablation als Behandlungskonzept für Reflexsynkopen in die Diskussion gebracht. Dabei werden mittels Radiofrequenzablation die ganglionierten Plexi, die im epikardialen Fettgewebe des rechten und linken Vorhofs lokalisiert sind, abladiert. Ziel ist es, durch diesen Eingriff die parasympathische Aktivität der dort lokalisierten Nervenfasern abzuschwächen.

In der aktuell publizierten randomisierten ROMAN-Studie sollte nun überprüft werden, ob eine Cardioneuroablation tatsächlich das Auftreten vasovagaler Synkopen verhindern kann. Insgesamt 48 Probandinnen und Probanden (17 Männer) in einem durchschnittlichen Alter von 38 Jahren wurden hierfür randomisiert. Die Patienten waren im Vorfeld stark symptomatisch, im Schnitt hatten sie bereits zehn kardioinhibitorische bzw. oder gemischte vasovagale Synkopen erlitten, im Mittel drei davon während des vorherigen Jahres. Bei allen Patienten hatten sich die oben genannten nicht pharmakologischen Interventionen als wirkungslos herausgestellt. Medikamente wurden nur bei wenigen Personen – insgesamt bei 5 – im Vorfeld eingesetzt (vermutlich, weil die Probanden keine dauerhafte Therapie wollten). Voraussetzung für die Studienteilnahme war ein positiver Atropin-Test zu Studienbeginn.

Im nächsten Schritt wurden die Teilnehmenden 1:1 entweder zu einer Cardioneuroablation oder zur Kontrollgruppe zugeteilt. Patienten der Kontrollgruppe wurden weiterhin angehalten, die üblichen nicht pharmakologischen Maßnahmen umzusetzen. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Auftreten einer erneuten Synkope.

Deutliche Reduktion erneuter Synkopen

Während des Follow-up von zwei Jahren kam es bei zwei Personen aus der Ablationsgruppe zu einem erneuten Bewusstseinsverlust (8%), in der Kontrollgruppe waren 13 Patientinnen/Patienten betroffen, also mehr als die Hälfte (54%). Damit hat die Cardioneuroablation die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Synkope deutlich um 95% reduziert (Odds Ratio, OR: 0,05; p=0,029). Keinen signifikanten Effekt hatte die Behandlung allerdings auf die Zeit bis zur nächsten Synkope (OR: 1,05; p=0,398).  

Auch die Lebensqualität der abladierten Patientinnen und Patienten verbesserte sich in den kommenden zwei Jahren nach dem Eingriff deutlich (von 10 auf 30 Punkte in einem speziellen Fragebogen für Synkopen-Betroffene, p=0,0001), wohingegen sie in der Kontrollgruppe unverändert blieb (30 vs. 31 Punkte, p=0,5501).

Der Eingriff machte sich zudem auf Parameter der Herzfrequenzvariabilität bemerkbar, in der Hinsicht, dass die parasymphatische Komponente bei den abladierten Patienten nach 3, 12 und 24 Monaten im Vergleich zu vorher weniger wurden. So wiesen die Patienten nach der Ablation im 24-Stunden-Holter-EKG schnelleren Sinusrhythmus auf als vor dem Eingriff.

Sicheres Verfahren

Erfreulich ist außerdem, dass es keinerlei, durch die Ablation verursachte Komplikationen gab. Die Autoren gehen deshalb davon aus, dass es ein sicheres Verfahren ist, wenn es von erfahrenen Operateuren durchgeführt werde. Allerdings entwickelten zwei Patienten (8%) nach dem Eingriff eine Sinustachykardie, die sich unter Betablocker- bzw. Ivabradin-Therapie wieder normalisierte. Auch in anderen Untersuchungen kam es, wie die Autoren berichten, bei wenigen Patienten nach der Ablation zu solchen Vorfällen.

Der Weg bis in die alltägliche Praxis ist aber noch weit

„Es handelt sich hier um die erste randomisierte Studie, in der die Wirksamkeit einer Cardioneuroablation bei Patienten mit kardioinhibitorischer vasovagaler Synkope dokumentiert“, bringen Piotrowski und sein Team die Relevanz der Ergebnisse auf den Punkt. Das bedeutet aber nicht, dass der Weg für die Methode in den Praxisalltag bereits völlig offensteht. Denn die Studie hat auch ihre Haken. So wurde die Ablation bei einer relativ selektierten Patientenpopulation angewandt (jüngere mit starker Symptomatik). Die Patientenzahl war insgesamt sehr klein und da es keine Sham-Prozedur gab, kann ein Placebo-Effekt nicht ausgeschlossen werden. Ebenso wenig wurde die Wirksamkeit der Ablation mit der verfügbarer Medikamente ins Verhältnis gesetzt, in der Studie wurde der Vergleich ausschließlich mit nicht pharmakologischen Interventionen gemacht. Größere randomisierte Studien, die die Cardioneuroablation mit medikamentösen Behandlungen, einer permanenten Schrittmachertherapie oder mit einer Sham-Prozedur vergleichen, seien notwendig, um die endgültige Rolle der Methode bei Patienten mit asystolischer Reflexsynkope zu definieren, machen auch die Autoren deutlich.

Literatur

Piotrowski R et al. Cardioneuroablation for Reflex Syncope: Efficacy and Effects on Autonomic Cardiac Regulation—A Prospective Randomized Trial. J Am Coll Cardiol EP. 2023, 9 (1) 85–95; https://doi.org/10.1016/j.jacep.2022.08.011

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