3 Faktoren, die bei COVID-19 für ein hohes Sterberisiko sprechen
Mit nur drei Parametern können Ärzte einer neuen Analyse zufolge COVID-19-Patienten identifizieren, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Ein daraus entwickelter Score soll therapeutische Entscheidungen erleichtern.
Anhand des Alters, des Hypoxie-Status bei Klinikaufnahme und der Troponin I-Konzentration lässt sich einer aktuellen Analyse zufolge das Sterberisiko eines mit SARS-CoV-2 infizierten Patienten abschätzen. Wissenschaftler aus New York haben durch eine multivariate Regressionsanalyse von 1.053 Patientendaten unabhängige Prädiktoren für die 30-Tages-Mortalität bei COVID-19 identifiziert und daraus den sog. HA2T2-Score entwickelt.
Der Score setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen:
- Schwere Troponin-Erhöhung ≥ 0,34 ng/ml – 2 Punkte
- Alter 65 bis 75 Jahre – 1 Punkt bzw. Alter ≥ 75 Jahre – 2 Punkte
- Hypoxie bei Klinikaufnahme – 1 Punkt
Angewendet an der Studienpopulation wiesen Patienten mit ≥ 3 Punkten im Score eine 30-Tages-Mortalität von 43,7% auf, wohingegen das Sterberisiko bei ˂ 3 Punkten nur bei 5,9% lag.
Starker Troponin I-Anstieg prognostisch schlechtes Zeichen
Die Wissenschaftler um Dr. Kevin Manocha überprüften die Vorhersagekraft ihres entwickelten Scores an einer unabhängigen Validierungskohorte mit 440 Patienten. Die Übereinstimmung zwischen dem vorhergesagten und tatsächlich beobachteten Risiko sei sowohl in der Ursprungskohorte als auch in der Validierungskohorte gut gewesen, berichten die US-Ärzte.
Andere Laborparameter wie BNP, CRP, Ferritin und D-Dimere tauchen in dem Score nicht auf, was angesichts früherer Berichte, in denen diese schwere Verläufe anzeigten, überraschen könnte. „Unter den Biomarkern hat sich ein starker Troponin-Anstieg als einziger unabhängige Prädiktor für den Tod erwiesen“, erläutern Manocha und Kollegen den Grund für die Fokussierung auf Troponin. BNP, CRP, Ferritin und D-Dimere waren zwar mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert, es waren aber keine unabhängige Prädiktoren.
Dem gegenüber steht das Ergebnis einer Studie aus Norwegen, die Troponin keine prognostische Relevanz bei SARS-CoV-2-Infektionen zugesprochen hatte. Laut Manocha und Kollegen kommt es aber auf das Ausmaß des Anstieges an, denn leichte Troponin-Erhöhungen kämen bei hospitalisierten COVID-19-Patienten häufig vor. Erst ab dem Cut-off von 0,34 ng/ml ist ihrer Analyse zufolge von einer hohen prognostischen Aussagekraft auszugehen.
Klinische Implikationen
Wozu soll der Score nun in der Praxis gut sein? Das Wissen über COVID-19 hat in den letzten Monaten stark zugenommen. Mittlerweile kennt man Medikamente, die bei schweren Verläufen die Überlebenschancen steigern können, Dexamethason und Remdesivir als erstes zu nennen. Durch Einsatz eines simplen Scores könnten Ärzte, COVID-19-Patienten mit einem Risiko für einen schweren Verlauf und einer klinischen Verschlechterung frühzeitig identifizieren und dementsprechend behandeln, erläutern die US-Wissenschaftler eine mögliche praktische Anwendung ihres Scores. Das Tool kann ihrer Ansicht nach darüber hinaus als Diskussionsgrundlage für die Festlegung von Behandlungszielen dienen.
Noch weiß man allerdings nicht, ob Patienten mit einem hohen HA2T2-Score am Ende wirklich von einer forcierten Behandlung profitieren. Fraglich ist zudem, ob die Studie die heutige Situation widerspiegelt. So weisen die US-Ärzte darauf hin, dass die Patientendaten aus einer Zeit stammten, in der New York schwer von der Coronavirus-Pandemie betroffen war. Die seither vollzogenen Fortschritte und Veränderungen in der Behandlung hätten die Überlebenschancen hospitalisierter COVID-19-Patienten womöglich verbessert, geben sie zu bedenken, was die Generalisierbarkeit ihrer Befunde einschränke.
Literatur
Manocha K et al. Troponin and Other Biomarker Levels and Outcomes Among Patients Hospitalized with COVID‐19: Derivation and Validation of the HA2T2 COVID‐19 Mortality Risk Score. JAHA 2020; DOI:
10.1161/jaha.120.018477