COVID-19: Lungenembolien als Todesursache womöglich unterschätzt
Als Folge einer SARS-CoV-2-Infektion können Lungenembolien entstehen – das ist bekannt. Die tatsächliche Prävalenz ist in klinischen Untersuchungen aber schwer zu ermitteln. Eine Metaanalyse von Autopsiedaten legt nun nahe, dass Lungenembolien öfter vorkommen als gedacht, und nicht selten die Todesursache darstellen.
Bei etwa 30% der verstorbenen COVID-19-Patienten lassen sich in der Autopsie akute Lungenembolien feststellen. Bei einem von vier Patienten stellte die venöse Thrombembolie (VTE) die zugrunde liegende Todesursache dar. Diese Zahlen stammen aus einer aktuellen Metaanalyse, in welcher Obduktionsbefunde von verstorbenen COVID-19-Patienten gepoolt und ausgewertet wurden.
„Zusammengefasst bestätigen diese Ergebnisse, dass die Prävalenz von akuten Lungenembolien bei Patienten mit COVID-19 hoch ist und ein solche Komplikation das Sterberisiko deutlich erhöht, da 20% der Personen wegen einer VTE verstorben sind“, fassen die Autoren der Analyse um Dr. Marco Zuin, Universität von Ferrara, zusammen.
Zuin und Kollegen haben in ihrer Metaanalyse 13 Studien berücksichtigt, in denen Autopsiebefunde von insgesamt 623 COVID-Patienten, einschließlich der Prävalenz von akuten Lungenembolien, vorlagen (bis August 2021). Das mittlere Alter der verstorbenen Patienten betrug 63,4 Jahre.
Starke Varianz zwischen den Studien
Die kumulative Prävalenz von akuten Lungenembolien variierte stark zwischen den Studien: zwischen 3,8% und 50% (10 Studien mit 526 Patienten). Ein Random Effects-Modell ergab eine gepoolte Prävalenz von 27,5% (95%-KI: 15,0–45,0%). In 3,8% bis 66,2% der Fälle (9 Studien mit 303 Personen) stellte die Lungenembolie die Todesursache dar. Die gepoolte Prävalenz von Lungenembolie-bedingten Todesfällen lag bei 19,9% (95%-KI: 11,0–33,0%).
Prävalenz höher als in klinischen Studien
Die Prävalenz von Lungenembolien bei COVID-Patienten ist in dieser Analyse damit höher als in klinischen Untersuchungen, wie die Autoren ausführen. Die Mediziner gehen deshalb davon aus, dass das Vorkommen solcher thromboembolischer Komplikationen im Alltag unterschätzt wird. Eine VTE zu diagnostizieren, sei schwierig, insbesondere während der initialen Pandemiephase war das so, erläutern sie die potenziellen Gründe. Das liegt ihren Ausführungen nach zum einen daran, dass die respiratorischen Befunde einer Lungenembolie denen einer COVID-Erkrankung ähnlich sind, zum anderen weil die hierfür notwendige Bildgebung nicht überall verfügbar sei.
Limitationen
Problematisch an den aktuellen Ergebnissen ist allerdings, dass nicht bekannt ist, welche klinischen Szenarien (ICU oder Normalstation, Antikoagulation Ja/Nein? usw.) im Vorfeld vorlagen. So weiß man z.B. nicht, inwieweit die Patienten aufgrund relevanter Begleiterkrankungen prädisponiert waren. Des Weiteren verlieren die Ergebnisse wegen der starken Varianz zwischen den Studien an Aussagekraft. Wenn in der einen Studie die Prävalenz bei gut 3% und in der andere bei 50% liegt, was entspricht dann der Realität? Keine Aussage lässt sich zudem über die zeitliche Entwicklung der Prävalenz im Pandemieverlauf treffen, und inwieweit sich die Einführung der COVID-Impfung ausgewirkt hat, weil keine der berücksichtigen Studie in der zweiten oder dritten Pandemie-Welle durchgeführt wurde.
Literatur
Zuin M et al. Prevalence of Acute Pulmonary Embolism at Autopsy in Patients With COVID-19. Am J Cardiol 2022;00:1−6; https://doi.org/10.1016/j.amjcard.2022.01.051