Schwerer COVID-19-Verlauf bei jungen Menschen: Adipositas als neuer Risikofaktor
Adipositas scheint das Risiko für Hospitalisierung und Intensivpflege von Menschen, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben, deutlich zu vergrößern. Das gilt besonders für jüngere Patienten.
Bei unter 60-Jährigen mussten Adipöse doppelt so häufig wegen COVID-19 in eine Klinik aufgenommen werden wie Normalgewichtige. Auch ihr Risiko, auf der Intensivstation betreut zu werden, war einer aktuellen Studie aus New York zufolge signifikant erhöht. „Adipositas scheint ein bisher nicht erkannter Risikofaktor für Hospitalisierung und Intensivpflege zu sein“, resümierten die Wissenschaftler um Dr. Jennifer Lighter von der NYU School of Medicine.
Dies sei von großer Bedeutung, da fast 40% der US-Amerikaner einen BMI von über 30 kg/m² haben, in Deutschland betrifft das rund ein Viertel der Erwachsenen. In der Studie hatten von fast 4.000 positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Personen 775 (21%) einen BMI zwischen 30 und 34 und 595 (16%) eine BMI ab 35.
Adipöse Patienten strenger kontrollieren?
Adipositas war nur bei den unter 60-Jährigen ein signifikanter Prädiktor für einen schweren Verlauf von COVID-19: Mit einem BMI zwischen 30 und 34 war ihr Risiko für Hospitalisierung doppelt und für Intensivpflege 1,8-mal so hoch. Bei einem BMI über 35 war es sogar 2,2- bzw. 3,6-fach erhöht. „Leider ist Adipositas bei jüngeren Menschen ein neu identifizierter epidemiologischer Risikofaktor, der verbunden mit COVID-19 zu einer erhöhten Morbiditätsrate beitragen kann“, so Lighter und Kollegen.
Auch eine französische Studie zeigte, dass fettleibige COVID-19-Patienten besonders häufig auf der Intensivstation betreut werden mussten. Zudem war der Verlauf der Erkrankung schwerer, je höher ihr BMI war. Viele waren jünger und Adipositas war ihr einziger Risikofaktor. „Adipöse Patienten sollten eine Ansteckung mit dem Virus vermeiden, indem sie sich streng an die Präventionsmaßnahmen halten“, empfehlen die Forscher um Dr. Arthur Simonnet vom Universitätsklinikum in Lille. Zudem plädieren sie dafür, COVID-19-Patienten mit schwerer Adipositas strenger zu kontrollieren.
Sie untersuchten 124 Patienten, die zwischen Februar und April 2020 mit einer COVID-19-Infektion in einer Intensivstation aufgenommen worden waren, und verglichen die Ergebnisse mit einer Kontrollgruppe. Diese bestand aus 306 Patienten, die 2019 wegen schwerwiegender Atemwegserkrankungen, die nicht COVID-19-bedingt waren, auf derselben Intensivstation betreut werden mussten.
Siebenfach erhöhtes Risiko bei BMI über 35
Im Beobachtungszeitraum konnten 60 Patienten mit COVID-19 die Intensivstation wieder verlassen, 18 starben und 46 blieben dort. 73% waren männlich, das Durchschnittsalter betrug 60 Jahre. Adipositas und schwere Adipositas kam bei den COVID-19-Patienten mit 47,6% und 28,2% signifikant häufiger vor als in der Kontrollgruppe mit 25,2% und 10,8%. Personen mit einem BMI über 35 hatten ein mehr als siebenmal so hohes relatives Risiko, eine künstliche Beatmung zu benötigen (Odds Ratio: 7,36, p = 0,021), verglichen mit Patienten mit einem BMI unter 25, auch nach Adjustierung auf Alter, Diabetes und Bluthochdruck.
Eine potenzielle Ursache für den schwereren Verlauf bei adipösen Personen könnte laut der Studienautoren eine verstärkte Entzündungsreaktion sein, die die Sauerstoffzirkulation im Blut blockiert. Dies könne möglicherweise erklären, warum die künstliche Beatmung bei diesen Patienten weniger erfolgreich sei.
Literatur
Lighter J et al. Obesity in patients younger than 60 years is a risk factor for Covid-19 hospital admission. Clinical Infectious Diseases 2020. https://doi.org/10.1093/cid/ciaa415
Simmonet A et al. High prevalence of obesity in severe acute respiratory syndrome coronavirus‐2 (SARS‐CoV‐2) requiring invasive mechanical ventilation. Obesity 2020. https://doi.org/10.1002/oby.22831