STEMI-Patienten mit COVID-19 haben oft keinen Gefäßverschluss
Patienten mit einem ST-Hebungsinfarkt (STEMI), die positiv auf COVID-19 getestet werden und sich einer Koronarangiografie unterziehen, scheinen relativ häufig keine Stenosen aufzuweisen. Darauf deutet eine italienische Studie hin.
Nur bei rund 61% der STEMI-Patienten mit COVID-19 wurde in einer aktuellen Studie eine atherosklerotische Plaque festgestellt. Das lege nahe, dass Personen, die während der Pandemie einen ST-Hebungsinfarkt haben, auf SARS-CoV-2 getestet und einer Koronarangiografie unterzogen werden sollten, um zu überprüfen, ob eine zu behandelnde Blockade vorliege, so die Forscher um Dr. Giulio Stefanini vom Humanitas Klinikum in Mailand.
Die Ergebnisse haben nach Ansicht der Autoren auch Einfluss auf die Debatte, ob eine Fibrinolyse in Zeiten von Corona eine Behandlungsoption für STEMI-Patienten darstellt (mehr zu dieser Diskussion lesen Sie in diesem Beitrag). „Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine auf systemischer Fibrinolyse beruhende Strategie nicht gerechtfertigt ist, da bei einem signifikanten Anteil der COVID-19-Patienten mit STEMI keine Reperfusion erforderlich scheint“, lautet ihr klares Urteil.
Das waren die typischen Symptome
In die Studie wurden 28 STEMI-Patienten mit COVID-19 eingeschlossen, die im Februar und März 2020 in der Lombardei behandelt wurden. Sie waren im Schnitt 68 Jahre alt, 29% waren Frauen. Bei rund 86% der Teilnehmer äußerte sich der STEMI als erste klinische Manifestation im Kontext einer SARS-CoV-2-Infektion, während die restlichen 14% erst einen STEMI entwickelten, als sie wegen COVID-19 ins Krankenhaus gebracht wurden. Etwa drei Viertel hatten Brustschmerzen mit oder ohne Atemnot, im Gegensatz zu den übrigen Patienten, die Atemnot ohne Brustschmerzen hatten.
Bei keinem der Teilnehmer erfolgte eine Fibrinolyse. Alle wurden einer Angiografie unterzogen, mit dem Ergebnis, dass fast 40% keinen Gefäßverschluss hatten. Das Forscherteam konnte nicht feststellen, ob das Auftreten von STEMI in dieser Gruppe auf einen Typ-2-Myokardinfarkt, Myokarditis, infektionsbedingte endotheliale Dysfunktion oder einen Zytokinsturm zurückzuführen war. Der große Anteil der Patienten ohne obstruktive Koronarerkrankung weise darauf hin, dass COVID-19 einen STEMI imitieren kann, ohne dass tatsächlich eine Koronararterie verschlossen ist, was bei der Behandlung berücksichtigt werden müsse, schlussfolgern die Autoren.
Nach zwei Wochen fast 40% verstorben
Fast 40% der Patienten starben nach einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 13 Tagen. Dies bestätige, dass die Prognose bei COVID-19-Patienten mit Herzproblemen sehr schlecht sei, so die Studienautoren. Diese Hochrisikogruppe versterbe aufgrund der Doppelbelastung durch die eingeschränkte Atmung und Kreislaufkomplikationen und benötige deshalb eine invasive Behandlung, um das Mortalitätsrisiko zu senken.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass alle Anstrengungen unternommen werden sollten, um Typ-2-Myokardinfarkte von Myokarditiden und von Typ-1-Myokardinfarkten zu unterscheiden“, resümieren Stefanini und Kollegen.
Aufgrund der sehr kleinen Patientenzahl ist die Aussagekraft der Studie limitiert, weshalb die Ergebnisse durch weitere Studien bestätigt werden sollten.
Literatur
Stefanini G et al. ST-Elevation Myocardial Infarction in Patients with COVID-19: Clinical and Angiographic Outcomes. Circulation 2020. https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.120.047525