Sekundäre Mitralinsuffizienz: Interventionelles Clip-Verfahren reduziert Mortalität und Hospitalisierungen
Für ausgewählte Patienten mit moderater bis schwerer sekundärer Mitralinsuffizienz gibt es mit dem Clip-Verfahren nun erstmals eine interventionelle Therapie, die das Sterberisiko erheblich senken kann. Studienergebnissen zufolge müssen sechs Patienten behandelt werden, um ein Leben zu retten.
Bei Patienten mit moderater bis schwerer sekundärer Mitralinsuffizienz, die trotz optimaler Standardtherapie noch symptomatisch sind, ist die katheterbasierte MitraClip-Prozedur nicht nur eine sichere Methode zur Reduktion der Mitralinsuffizienz. Bei einem selektionierten Patientenkollektiv könne dieses Therapieverfahren auch „Rehospitalisierungen verhindern, Mortalität reduzieren und Lebensqualität verbessern“, berichtet Prof. Holger Nef aus Gießen, Sprecher der Arbeitsgruppe Interventionelle Kardiologie (AGIK) der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Herztage der DGK. Beleg dafür sind die jüngst bei TCT-Kongress in San Diego vorgestellten Ergebnisse der COAPT-Studie.
Viele Patienten mit Mitralinsuffizienz seien bislang nur medikamentös behandelt worden, da alternative Behandlungsstrategien fehlten, berichtete Nef. Eine chirurgische Korrektur der Mitralklappen-Undichtigkeit bei Patienten mit Herzinsuffizienz werde aufgrund des Alters oder schwerer Einschränkung der Herzfunktion nicht durchgeführt. Nach von Nef präsentierten Daten eines europäischen Registers blieb bislang die Hälfte der symptomatischen Patienten unbehandelt.
Mit dem MitraClip-Verfahren ist seit einiger Zeit eine minimal-invasive katheterbasierte Technik verfügbar, bei der über eine Metallklammer die undichten Segel der Mitralklappe teilweise zusammengeheftet werden. Dieser interventionellen Therapiemethode ist nun durch die COAPT-Studie ein erheblicher prognostischer Nutzen bescheinigt worden.
Enttäuschende Ergebnisse der MITRA-FR-Studie
Wenige Wochen vor der Präsentation der COAPT-Studie, die beim TCT-Kongress Begeisterungsstürme im Auditorium auslöste, hatte die kardiologische Welt zunächst jedoch eine herbe Enttäuschung zu verkraften. Denn die Ende August beim ESC-Kongress in München vorgestellte MITRA-FR-Studie war als erste randomisierte Studie zur möglichen Prognoseverbesserung durch das MitraClip-Verfahren bei sekundärer Mitralinsuffizienz zu ganz anderen – nämlich sehr enttäuschenden Ergebnissen – gekommen.
In dieser französischen Studie, an der 304 Patienten mit sekundärer Mitralinsuffizienz beteiligt waren, waren die Raten für den primären Studienendpunkt (Tod und ungeplante Klinikeinweisung wegen Herzinsuffizienz) mit 54,6% in der Interventionsgruppe versus 51,3% in der rein medikamentös behandelten Kontrollgruppe nach einem Jahr nicht signifikant unterschiedlich (Odds Ratio 1,16; 95% CI 0,73-1,84, p=0,53). Die Raten für die Mortalität betrugen 24,3% in der MitraClip-Gruppe und 22,4% in der nur medikamentös behandelten Kontrollgruppe; die entsprechenden Raten für ungeplante Klinikeinweisungen wegen Herzinsuffizienz unterschieden sich ebenfalls nur gering (48,7% versus 47,4%).
COAPT: Rate an Hospitalisierungen halbiert
Beeindruckend positiv sind im Vergleich dazu die Ergebnisse der COAPT-Studie. Primärer Wirksamkeitsendpunkt dieser Studie war die Gesamtrate an Hospitalisationen innerhalb von zwei Jahren. Hier gab es einen hoch signifikanten Vorteil zugunsten der Clip-Intervention im Vergleich zur leitliniengetreuen medikamentöser Therapie alleine: 35,8% der Patienten wurden nach der Intervention pro Jahr erneut stationär eingewiesen, gegenüber 67,9% in der Gruppe mit initial medikamentöser Therapie (p<0,001). Die Einweisungsrate wurde damit praktisch halbiert. Nur drei Patienten mussten interventionell mit einem Clip versorgt werden, um eine Klinikeinweisung zu vermeiden.
Auch Mortalität um 48% reduziert
Fast noch beeindruckender ist der Unterschied bei der Gesamtmortalität nach zwei Jahren, der - absolut betrachtet - mit 17 Prozentpunkten außergewöhnlich groß ist: Während in dieser Zeit 29,1% der Patienten nach Mitralklappen-Clipping starben, waren es in der Kontrollgruppe 46,1% - was einer signifikanten relativen Reduktion um 48% entspricht. Daraus resultiert, dass nur sechs Patienten interventionell behandelt werden mussten, um ein Leben zu retten.
Auch beim zum Vergleich analysierten primären MITRA-FR-Endpunkt aus Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz fiel das Ergebnis in der COAPT-Studie mit 45,7% versus 67,9% nach zwei Jahren klar zugunsten der MitraClip-Behandlung aus. Insgesamt 610 Patienten mit moderater bis schwerer Mitralinsuffizienz und Herzinsuffizienz haben an der Studie teilgenommen.
Nicht konträr, sondern komplementär
Auf ersten Blick scheinen die Ergebnisse von MITRA-FR und COAPT konträr zu ein. Nach Ansicht von Nef sind sie aber eher komplementär. Die Erklärung für die unterschiedlichen Ergebnisse liegt nach seiner Einschätzung unter anderem in einer unterschiedlichen Patientenselektion.
Zum einen war die Mitralinsuffizienz bei den Teilnehmern – quantitativ beurteilt etwa anhand des echokardiografischen Parameters EROA (effective regurgitation orifice area) – in der COAPT-Studie im Mittel stärker ausgeprägt als in der MITRA-FR-Studie (41 mm2 vs. 31 mm2). Zum anderen waren die Ventrikel der COAPT-Teilnehmer - gemessen am linksventrikulären enddiastolischen Volumen (LVEDV) - noch nicht so stark dilatiert wie die der MITRA-FR-Teilnehmer(101 ml/m2 vs. 135 ml/m2) . Die Konstellation aus schwerer Mitralinsuffizienz und nicht so starker Ventrikeldilatation scheint demnach der „sweet spot“ zu sein, um den prognostischen Vorteil der MitraClip-Prozedur zur Geltung zu bringen. Bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz mit sehr ausgeprägter Ventrikeldilatation scheint es dafür – siehe MITRA-FR - zu spät zu sein.
Es kommt auf die Patientenselektion an
Nef wies auch darauf hin, dass die medikamentöse Standardtherapie – etwa was die Verordnungsquote bezüglich ACE-Hemmer angeht – in der MITRA-RF-Studie nicht unbedingt optimal war. In die COAPT-Studie seien dagegen nur Patienten aufgenommen worden, bei denen zuvor durch rigorose Prüfung sichergestellt worden war, dass bei der Herzinsuffizienz-Behandlung alle Möglichkeit für eine optimale Therapie einschließlich ICD und CRT ausgeschöpft worden waren. Um den prognostischen Vorteil des MitraClip-Verfahrens zu gewährleisten, wird es somit künftig auf die richtige Auswahl der dafür geeigneten Patienten ankommen, betonte Nef.
Literatur
Pressekonferenz: Interventionelle Kardiologie: Neue Entwicklungen bei schonenden Herzklappen-Therapien, am 11. Oktober 2018 bei den DGK Herztagen, 11. – 13. Oktober 2018, Berlin