Smartphone in der Kitteltasche: Welche Apps helfen im kardiologischen Alltag?
Gesundheitsapps gibt es inzwischen jede Menge – aber welche davon können Kardiologinnen und Kardiologen wirklich unterstützen? Dr. Victoria Johnson aus Gießen gab bei den DGK-Herztagen einen Überblick über die Optionen.
In den USA nutzen bereits 80% der Ärzte und Ärztinnen Smartphones für ihre Arbeit, während das in Deutschland noch weniger verbreitet ist. Zum Thema Apps in der Kardiologie gibt es bislang noch wenig Evidenz, aber viele neue Entwicklungen. Dr. Victoria Johnson, Assistenzärztin am Universitätsklinikum Gießen, hat bei der diesjährigen Herbsttagung einige davon vorgestellt.
Inzwischen gibt es eine Vielzahl verfügbarer Gesundheitsapps für medizinisches Personal, Patienten und Patientinnen sowie in Verbindung mit Wearables. „Die wenigsten Anwendungen sind CE-zertifiziert oder anderweitig validiert, man muss also überlegen: Wofür brauche ich eine App? Was soll sie mir erleichtern? Wie wähle ich sie aus, damit ich einen Nutzen habe und vielleicht nicht auch noch Schaden anrichte?“, gab die Kardiologin zu bedenken.
Verschiedene Arten von Apps
Grundsätzlich gibt es die Apps der Fachgesellschaften, wie die ESC- oder die DGK-App der Europäischen und der Deutschen Kardiologiegesellschaft. Anwendungen einzelner Journals sind bei der schnellen Publikationssuche behilflich. Kalkulatoren Apps können bei elektrophysiologischen Messungen unterstützen. Andere helfen dabei, im Echo-Labor Messwerte einzuordnen. Zusätzlich lässt sich unterscheiden zwischen Apps für die allgemeine Kardiologie, die Rhythmologie und die interventionelle Kardiologie.
Johnson und ihr Team haben eine sektionsinterne Twitter-Umfrage unter jungen Kardiologen und Kardiologinnen durchgeführt, um herauszufinden, welche von vier vorgeschlagenen Apps diese für die Fort- und Weiterbildung nutzen. Am häufigsten wurde das Nachschlagewerk Amboss verwendet (47%), gefolgt von Leitlinien-Apps (24%), einer App der britischen Gesellschaft für Echokardiografie namens EchoCalc, die Referenzdaten liefert (15%), sowie den ESC- und DGK-Angeboten (14%). Zusätzlich genannt wurden der Messenger Siilo und klassische soziale Medien.
Was kann welche Anwendung?
„Viele kennen Amboss, weil man sich damit online aufs Examen vorbereiten kann, es gibt aber auch einen Zugang für Ärzte und Ärztinnen“, erläuterte Johnson. Für diese biete die App eine Bibliothek, um Dinge nachzuschauen, einschließlich einer Übersicht über Medikamente und ihre Wechselwirkungen, und seit Kurzem ein Repetitorium für die Facharztprüfung.
In die Apps der kardiologischen Fachgesellschaften seien Leitlinien, kurze Zusammenfassungen zu verschiedenen Krankheitsbildern, Vorträge und sogenannte CDS-Tools (Clinical Decision Support Tools) integriert. Diese Werkezeuge sollen helfen, bei der klinischen Arbeit Entscheidungen zu treffen, die auf den Europäischen Leitlinien basieren. Dabei wird der Nutzer mithilfe von Fragen zu einer Handlungsempfehlung geleitet, zum Beispiel: Hat der Patient Vorhofflimmern? Ist die Diagnose klinisch bestätigt? Ist er hämodynamisch instabil? Wie sind die individuellen Parameter?
Eine weitere hilfreiche Anwendung ist der Vortragenden zufolge die Pacemaker-ID-App. Sie kann Anhaltspunkte liefern, welches Gerät bei einem Patienten oder einer Patientin implantiert ist, indem man die Röntgenthoraxaufnahme mit dem Handy abfotografiert. „Mit viel Erfahrung erkennt man das auch so, aber gerade jungen Kardiologen und Kardiologinnen kann die App bei Entscheidungen im Notfall helfen“, so Johnson.
Sicheren Datenaustausch gewährleisten
Für die Kommunikation unter Ärzten und Ärztinnen hält sie die kostenlose App Siilo für eine gute Lösung. Damit lassen sich Patientenfälle besprechen, ohne dass Daten auf einem Server gespeichert werden wie bei klassischen Messengerdiensten. Beim Austausch von Bildmaterial gibt es die Möglichkeit, die Daten zu anonymisieren. Die Anmeldung erfordert einen Nachweis über eine medizinische Tätigkeit, sodass keine Dritten mitkommunizieren können.
„Apps können in vielen Dingen eine Unterstützung sein, zu Beispiel beim Berechnen von Risikoscores, aber wir sollten bedenken: Wir behandeln immer noch Patienten und Patientinnen und der klinische Blick, die klinische Untersuchung und vor allem das empathische ärztliche Handeln können durch Apps nicht ersetzt werden“, lautete Johnsons Fazit.
Literatur
Johnson V. Das Smartphone in der Kitteltasche – Welche Apps brauche ich als Kardiologe wirklich?
DGK-Herztage 2022, 29. September – 1. Oktober, Bonn