Nachrichten 09.04.2021

Neues Prinzip der Cholesterinsenkung hat in klinischer Studie funktioniert

Das Darmmikrobiom reguliert auch den Cholesterinstoffwechsel. In einer klinischen Studie wurde nun überprüft, ob sich über eine medikamentöse Beeinflussung der Darmflora die LDL-Cholesterinspiegel senken lassen – das hat tatsächlich funktioniert.

Gibt es bald eine weitere Therapiemöglichkeit zur LDL-Cholesterinsenkung? Kardiologen um PD Dr. Arash Haghikia haben einen ganz neuen Ansatzpunkt ins Visier genommen: das Mikrobiom im Darm.

Die Darmflora übt tierexperimentellen Studien zufolge eine regulierende Wirkung auf den Cholesterinstoffwechsel aus, wie Haghikia bei der diesjährigen DGK-Jahrestagung ausführte. Beteiligt daran sind kurzkettige Fettsäuren, die im Rahmen von Fermentierungsprozessen durch Darmbakterien gebildet werden.

Kurzkettige Fettsäuren regulieren Stoffwechselprozesse

Propionat ist eine solche Fettsäure. Im Tierexperiment habe sich gezeigt, dass diese Fettsäure die Cholesterinaufnahme im Darm hemmt, erläuterte Haghikia die Zusammenhänge. Die Wissenschaftler von der Charité Berlin verfolgen deshalb den Ansatz, mit der Gabe von Propionat eine LDL-Cholesterinsenkung zu bewirken. Im Tierexperiment hatte das bereits funktioniert.

Bei der diesjährigen DGK-Jahrestagung präsentierte der Kardiologe nun die Ergebnisse einer ersten klinischen randomisierten doppelblinden Studie mit insgesamt 79 Probanden. Die Teilnehmer wiesen erhöhte LDL-Cholesterinspiegel von > 115 mg/dl auf. Ansonsten waren sie ziemlich gesund, wiesen ein geringeres kardiovaskuläres Risiko auf, und hatten deshalb bis dato keine etablierte LDL-senkenden Behandlung benötigt. Die Probanden wurden randomisiert: Die eine Hälfte erhielt acht Wochen lang Propionat in einer oralen Darreichungsform, die andere stattdessen Placebo. 

In klinischer Studie wurde LDL-C signifikant gesenkt

Nach diesen zwei Monaten sind die LDL-C-Spiegel der mit Propionat behandelten Teilnehmer deutlich stärker zurückgegangen als die Spiegel der Patienten mit Placebo-Einnahme: nämlich um –8,1% versus –0,5% (p=0,016). Dieser Unterschied sei signifikant gewesen, berichtete Haghikia. Auch der Gesamtcholesterin-Spiegel ist unter Propionat-Gabe signifikant gesenkt worden (–7,3% vs. –1,7%; p=0,014), ebenso wie die Non-HDL-Fraktion (–9,1% vs. –0,5%; p=0,002). Keinen Effekt hatte die Behandlung auf HDL-Cholesterin, Triglyzeride und das Körpergewicht der Probanden.

Mikrobiom-abhängige Mechanismen haben Potenzial

Nebenwirkungen sind unter Propionat nicht häufiger vorgekommen als unter Placebo. Die orale Einnahme dieser Fettsäure sei somit sicher, schlussfolgerte Haghikia daraus. Noch reichen die Daten für eine klinische Anwendung allerdings nicht aus. Dafür sind größere Studien mit längerer Dauer erforderlich. Im nächsten Schritt werde im Rahmen einer Studie die Kombination aus Propionat und niedrigdosiertem Statin untersucht, so der Berliner Kardiologe. „Über diese Ergebnisse hinaus macht die Studie aber auch das Potenzial deutlich, über Mikrobiom-abhängige Mechanismen neue Konzepte für die Prävention und Therapie kardiometabolischer Erkrankungen etablieren zu können“, erläuterte der Haghikia die weitergehenden Implikationen ihrer Befunde.

Literatur

Haghikia A: Die Wirkung des Darm-Mikrobiom abhängigen Metaboliten. Propionsäure auf das LDL-Cholesterin: Eine doppelblinde, randomisierte und Plazebo-kontrollierte Studie; „Late Breaking Clinical Trials I“, 87. DGK-Jahrestagung, 7. April 2021.

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