Vorhofflimmern-Screening: Welche EKG-Methode im Alltag besser funktioniert
Möglichkeiten zur Detektion von Vorhofflimmern gibt es inzwischen viele. Doch welche taugen im Praxisalltag? In einer Studie wurden zwei Methoden miteinander verglichen – und der aktuelle Goldstandard zog den Kürzeren.
Das sog. Daumen-EKG eignet sich im Praxisalltag offenbar besser zum Screening von Vorhofflimmern als das 24-Stunden-EKG. Das ergab eine Untersuchung an über 50 kardiologischen Praxen in Deutschland.
Über 50 Kardiologie-Praxen in Deutschland
Insgesamt 1.500 Patienten wurden für die B-SAFE-Studie rekrutiert. Alle Patienten wurden für zwei Wochen lang mit beiden EKG-Geräten ausgestattet, also mit einem Daumen-EKG und mit einem 24-Stunden-Holter-EKG, dem aktuellen Goldstandard. Das Daumen-EKG ist ein Hand-EKG-Gerät, mit welchem sich die Patienten selbst ein EKG aufzeichnen können. Die Aufzeichnung wird automatisch an eine zentrale Datenbank übertragen und ausgewertet.
Die Studienteilnehmer waren alle älter als 70 Jahre alt, waren hyperton und wiesen mind. einen weiteren kardiovaskulären Risikofaktor auf (PAVK, Diabetes, linksventrikuläre Hypertrophie und/oder Vergrößerung des linken Vorhofs). Ihr mittlerer ChA2DS2-VASc-Score betrug 4,3. Es handelte sich in der Studie also um eine Hochrisikopopulation, und damit wurde ein opportunistisches und kein bevölkerungsweites Screening vorgenommen.
Daumen-EKG war Goldstandard deutlich überlegen
In diesem Setting, also einem opportunistischen Screening bei Hochrisikopatienten, sei das Daumen-EKG dem Holter-EKG deutlich überlegen gewesen, fasste Studienautor PD Dr. Ralph Bosch, Kardiologe aus Ludwigsburg, die Ergebnisse bei der diesjährigen DGK-Jahrestagung zusammen. Denn die Detektionsrate war mit dem Daumen-EKG deutlich höher als mit dem bisherigen Goldstandard.
Mit dem Hand-EKG-Gerät wurde bei 4,0% der Teilnehmer erstmalig Vorhofflimmern detektiert, mit dem Holter-EKG nur bei 2,2% (Odds Ratio, OR: 1,85; p=0,0045). Dabei gab es eine Überschneidung von gerade mal 1,13%, also bei diesen Patienten schlugen beide Methoden an. Bei 2,87% bzw. 1,07% ließ sich die Rhythmusstörung dagegen nur mit jeweils einer Methode detektieren.
„Bedeutsame Detektionsrate“
In einem anschließenden Kommentar betonte Prof. Roland Tilz, dass eine Detektionsrate von 4,0% „richtig bedeutsam ist“. Wenn man die Rate mit der in der Apple Heart-Studie vergleiche, bei der sie im Promillebereich gelegen habe (0,1%). Seine Erklärung dafür ist, dass in der aktuellen Studie eine Hochrisikokollektiv eingeschlossen und damit nicht wie in Apple Heart ein bevölkerungsweites Screening vorgenommen wurde. „Ein opportunistisches Vorhofflimmern-Screening bei Hochrisikopatienten halte ich deshalb für sehr sinnvoll“, schlussfolgerte der Kardiologe vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck.
Klinische Implikationen
Tilz ist auch deshalb so überzeugt davon, weil das Screening bei dieser Patientengruppe tatsächlich klinische Implikationen hatte. Über 90% der Patienten, bei denen das Vorhofflimmern via Daumen-EKG detektiert wurde, erhielten im Anschluss eine Antikoagulation. Im Falle einer Holter-EKG-Erkennung war das nur bei 37,5% der Fall. Dass nach Detektion mit einem 24-Stunden-EKG so viel weniger Patienten antikoaguliert worden sind, ist für Studienleiter Bosch überraschend. Eine Erklärung hat er dafür nicht.
Die Akzeptanz für das Hand-EKG-Gerät sei bei den älteren Studienteilnehmern sehr hoch gewesen und technisch sei dieses leicht durchführbar, führte Bosch einen weiteren Vorteil der Screeningmethode auf. Fast alle Patienten (94%) hatten innerhalb von zwei Wochen mehr als 25 Übertragungen vorgenommen.
Trotz allem bleiben laut Tilz noch offene Fragen, unter anderem welche Auswirkungen das Screening letztlich auf die Prognose hat. Darüber hinaus lässt sich aus den aktuellen Daten nicht ablesen, welche Art von Vorhofflimmern die Patienten hatten und wie hoch die Vorhofflimmernlast war.
Literatur
Bosch R: Management of thumb-ECG detected subclinical atrial fibrillation in high risk patients- the B-SAFE Study; „Late Breaking Clinical Trials I“, 87. DGK-Jahrestagung, 7. April 2021.