Herzforschung beim Oktoberfest: Alkohol bringt den Herzrhythmus auf Trab
Je mehr Alkohol durch die Kehle rinnt, desto schneller schlägt das Herz. Eine entsprechende Assoziation zwischen akutem Alkoholkonsum und Herzrhythmus ist von Münchener Forschern jetzt durch umfangreiche Messungen bei Oktoberfest-Besuchern bestätigt worden.
Kann der Konsum alkoholischer Getränke unmittelbare Auswirkungen auf das Herz haben? Ein wiederholt anekdotisch beschriebenes und als „Holiday Heart"-Syndrom bekanntes Phänomen scheint dafür zu sprechen: Nach exzessivem Alkoholgenuss am Wochenende kommt es vor, dass der Konsument danach wegen beängstigendem Herzstolpern mit Verdacht auf Vorhofflimmern in der Notaufnahme einer Klinik landet.
Mehr als 3000 Oktoberfest-Besucher untersucht
Forscher des Klinikums der Universität München (LMU) und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislaufforschung e.V. (DZHK) wollten den akuten Auswirkungen der Alkoholzufuhr auf den Herzrhythmus deshalb in der MunichBREW-Studie genauer auf den Grund gehen. In einer ersten, bereits 2017 im „European Heart Journal“ publizierten Analyse, die sich auf EKG-Aufzeichnungen von mehr als 3000 Besuchern des Münchner Oktoberfests stützt, konnte die Gruppe um PD Dr. Stefan Brunner und PD Dr. Moritz Sinner bereits zeigen, dass mit höherem Alkoholspiegel das Risiko für bestimmte Herzrhythmusstörungen – in erster Linie Sinustachykardien – deutlich ansteigt.
Danach lag der unter den untersuchten Festbesuchern ermittelte Anteil an Personen mit Sinustachykardie (> 100 Schläge pro Minute) bei immerhin 25,9%. Dieser Anteil war deutlich höher als in einer zum Vergleich herangezogenen Kohorte aus der Allgemeinbevölkerung (KORA S4 Studie, Kooperative Gesundheitsforschung im Raum Augsburg).
Je mehr Alkohol, desto schneller der Herzschlag
Jetzt haben die Münchner Forscher beim von der European Society of Cardiology (ESC) organisierten Kongress EHRA 2018 in Barcelona eine neue Analyse der MunichBREW-Studie vorgelegt. Diesmal haben die Untersucher die EKG-Aufzeichnungen von 3012 Teilnehmern genauer unter die Lupe genommen. Im Einzelnen sollten dabei die Assoziationen zwischen der gemessenen Atemalkoholkonzentration und bestimmten EKG-Parametern für kardiale Erregung (Herzfrequenz), Leitung (PR-Intervall, QRS-Komplex), und für Repolarisation (QT-Intervall), untersucht werden.
Erneut zeigte sich, dass höhere Alkoholkonzentrationen, die wohl primär auf den Konsum von Bier zurückzuführen waren, mit einer höheren Herzfrequenz einhergingen. Diese Assoziation war linear und ohne erkennbare Schwelle. Dagegen stand der Alkoholgehalt im Atem in keiner Beziehung zu den EKG-Parametern der kardialen Erregungsleitung und der Repolarisation.
Noch lasse sich aus diesen Ergebnissen nicht folgern, dass eine durch Alkohol induzierte Herzfrequenzerhöhung gesundheitsschädlich sei, betont Studienautor Dr Moritz Sinner in einer ESC-Pressemitteilung zur Studienpräsentation. Allerdings sei nicht auszuschließen, dass Alkohol bei Personen, die aufgrund von Herzerkrankungen bereits eine erhöhte Herzfrequenz aufweisen, ein Trigger für Arrhythmien inklusive Vorhofflimmern sein könne. Dies nachzuweisen war in der MunichBREW-Studie kaum möglich, da die Teilnehmer relativ jung (Durchschnittsalter: 35 Jahre) und gesund waren.
Imbalance des autonomen Nervensystems?
Das Team um Brunner und Sinner hat im Jahr 2015 an allen Festtagen insgesamt 3028 Besucher des Münchener Oktoberfestes untersucht. Bei allen Probanden wurden mithilfe eines tragbaren Smartphone-basierten Systems ein EKG aufgezeichnet, zudem wurde der Alkoholspiegel mit einem Atemalkoholmessgerät ermittelt. Das Studienprotokoll erlaubte für die Analyse zulässige Alkoholspiegel bis maximal 3,0 Promille (0-3,0 g/kg). Im Durchschnitt lag die gemessene Alkoholmenge im untersuchten Kollektiv bei 0,85 g/kg.
Die Studienautoren vermuten, dass der gezeigte Zusammenhang zwischen akuter Alkoholexposition und Veränderungen des Herzrhythmus auf einem alkoholbedingten Ungleichgewicht in der autonomen Nervenversorgung des Herzens beruhen könnte.
Literatur
Acute alcohol consumption and effects on cardiac excitation, conduction, and repolarization. Results from the MunichBREW Study. Vorgestellt am 18. März beim Kongress EHRA 2018, 18. – 20. März 2018, Barcelona
Brunner, S. et al.: Alcohol consumption, sinus tachycardia, and cardiac arrhythmias at the Munich Octoberfest: results from the Munich Beer Related Electrocardiogram Workup Study (MunichBREW). European Heart Journal (2017) 0, 1–7