Vorhofflimmern: NOAKs bekommen Konkurrenz
Die NOAKs dominieren heute die Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern-Patienten. In einer randomisierten Studie hat es der Vorhofohrverschluss nun erstmals versucht, es mit der First-Line-Therapie aufzunehmen – bei ausgewählten Patienten gelang das sogar.
Eine Premiere: Erstmals wurden Vorhofohrverschluss und NOAKs in einer randomisierten Studien miteinander verglichen. In der PRAGUE-17-Studie hat sich das katheterbasierte Verfahren tatsächlich als ebenbürtig herausgestellt. Ist die Methode damit genauso gut wie eine Prophylaxe mit NOAKs? Ganz so einfach ist die Sache nicht.
Bisher gab es nur den Vergleich mit VKA
In den bisherigen Zulassungsstudien PROTECT-AF- und PREVAIL hat sich der interventionelle Verschluss des linken Vorhofohrs (LAA) bisher nur dem Vergleich mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) gestellt. Das Verfahren hat sich dabei als ähnlich effektiv herausgestellt, in einigen Endpunkten erwies es sich sogar als überlegen.
Doch in der Zwischenzeit haben sich die direkten oralen Antikoagulanzien (NOAK) u.a. aufgrund ihres geringen Blutungsrisikos und der besseren Handhabbarkeit in der Praxis durchgesetzt. Ob der Vorhofohrschluss auch mit diesem neuen Standard mithalten kann, war bisher unklar.
Hochrisikopatienten in PRAGUE-17
In der prospektiven, randomisierten PRAGUE-17-Studie bekamen 201 Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern einen von drei bisher auf dem Markt verfügbaren Vorhofohr-Okkludern implantiert (Amulet, Watchman oder die neuere Generation Watchman FLX), weitere 201 Teilnehmer erhielten stattdessen eine NOAK-Therapie, zu allermeist Apixaban (95,5%), 16,3% von ihnen in einer reduzierten Dosis.
Wichtig für die Interpretation der Daten sind die Einschlusskriterien der Studien. Es handelte sich nämlich um ein Hochrisikollektiv, bedeutet: Die Patienten wiesen ein hohes ischämisches Risiko sowie ein hohes Blutungsrisiko auf, mit einem CHA2DS2-VASc-Score von ≥ 3 (im Mittel bei 4,7) und HAS-BLED-Score von ˃ 2 (im Mittel: 3,1). 47,8% der Teilnehmer hatte in Vergangenheit bereits ein Blutungsereignis erlitten.
Nichtunterlegenheit bewiesen…
Bei dieser ausgewählten Patientenpopulation hat sich das interventionelle Verfahren in einer modifizierten Intention-to-Treat-Analyse nach knapp 20-monatigem Follow-up in Bezug auf den primären Endpunkt gegenüber der NOAK-Therapie als nicht unterlegen erwiesen: Bei 10,99% der Patienten mit Vorhofohr-Okkluder trat ein Schlaganfall/TIA, systemische Embolie, klinisch bedeutsame Blutung, kardiovaskulär bedingter Todesfall oder bedeutsame periprozedurale/devicebezogene Blutung auf im Vergleich zu einer Rate von 13,42% in der NOAK-Gruppe (Subdistribution Hazard Ratio, sHR: 0,84; 95%-KI: 0,53–1,31; p=0,44; p für Nichtunterlegenheit 0,004).
Auch in den jeweiligen Einzelendpunkten ergaben sich keine Unterschiede zwischen beiden Behandlungsstrategien. Bei neun Patienten (4,5%) kam es zu einer Komplikation im Rahmen der Okkluder-Implantation.
…aber nur bei ausgewählter Patientenpopulation
Die beiden Kardiologen Dr. Matthew Price und Dr. Jacqueline Saw betrachten diese Ergebnisse zwar als ersten Schritt für den LAA-Verschluss, sich als Alternative gegenüber den NOAKs zu behaupten. Doch ihr Enthusiasmus, die Indikation für dieses Verfahren momentan auszuweiten, ist aus mehreren Gründen gedämpft, wie die Ärzte aus Kalifornien in einem Editorial ausführen.
Erstens, es handelte es sich bei den Patienten in PRAGUE-17 um keine optimalen Kandidaten für eine NOAK-Therapie, sie seien deshalb ausgewählt worden, weil sie ein hohes Blutungsrisiko aufwiesen oder die bisherige Antikoagulations-Behandlung versagt habe, geben die US-Ärzte zu bedenken. „PRAGUE-15 hat somit die relative Sicherheit und Effizienz des katheterbasierten LAA-Verschlusses nicht für die Patientenpopulation adressiert, auf welche die gegenwärtige NOAK-Therapie abzielt“, begründen sie ihre Einwände.
Echte Alternative zu NOAKs?
Außerdem sei das Follow-up der Studie mit weniger als zwei Jahren sehr kurz gewesen, und die wichtigen Unterschiede zwischen beiden Behandlungsstrategien würden sich wahrscheinlich erst über die Zeit bemerkbar machen, führen sie ihre Bedenken weiter aus. So könne es unter der NOAK-Therapie mit zunehmender Dauer zu mehr Blutungskomplikationen kommen, während bei Patienten mit LAA-Verschluss womöglich thrombotische Ereignisse hinzukommen.
Eine echte routinemäßige Alternative für die NOAKs sehen die beiden Kardiologen in dem LAA-Verschluss deshalb zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Nichts desto trotz betonen sie die aktuelle Bedeutung des Verfahrens für die Schlaganfallprävention, „selbst in der modernen NOAK-Ära“, nämlich für ausgewählte Patienten mit hohem Blutungsrisiko oder für Patienten, die auf eine medikamentöse Schlaganfallprophylaxe nicht ansprechen.
Zuversichtlich äußern sich Price und Saw über die weitere Entwicklung der LAA-Okkluder: Die neuen Generationen könnten die prozedurale Sicherheit und Erfolgsraten des Eingriffes weiter verbessern und das Risiko für devicebezogene Thrombosen reduzieren. Dann könne es wahrscheinlicher werden, dass der LAA-Verschluss eine zu den NOAKs vergleichbare Effektivität und möglicherweise sogar ein besseres Sicherheits-Outcome biete.
Gemeinsame Entscheidung in einer Art „Heart“-Team
Im Entscheidungsprozess plädieren die beiden Kardiologen, ein multidisziplinäres Team in Anlehnung zum Heart-Team zu implementieren. Ein klinisch tätiger Kardiologe, Interventiologe, Elektrophysiologe und anderen Disziplinen wie Gastroenterologen, Neurologen usw. sollten das Thromboembolie-Risiko des Patienten, sein antikoagulations-assoziiertes Blutungsrisiko, seine anatomische Eignung für einen LAA-Verschluss und dessen Präferenz berücksichtigen, um zu einem Konsens zu kommen, ob der Patient eine systemische Antikoagulation oder alternativ das interventionelle Verfahren erhalten oder in eine Studie eingeschlossen werden sollte.
Literatur
Osmanci P et al. Left Atrial Appendage Closure Versus Direct Oral Anticoagulants in High-Risk Patients With Atrial Fibrillation; J Am Coll Cardiol. 2020,75(25):3122–35.
Price M, Saw J. Transcatheter Left Atrial Appendage Occlusion in the DOAC Era. J Am Coll Cardiol. 2020,75(25):3136–9.