Koronarangiografie nach Herzstillstand: Kein Grund zur Eile!

Die Strategie, Patienten mit überlebtem Herzstillstand und ohne ST-Hebung im EKG rasch einer Koronarangiografie zuzuführen, trägt nicht zu einer Verbesserung der Überlebenschancen und des neurologischen Zustands bei, zeigt die TOMAHAWK-Studie.

Von Peter Overbeck

 

30.08.2021

Wie bei Überlebenden eines außerhalb von Kliniken aufgetretenen Herzstillstands (Out-of-Hospital Cardiac Arrest, OHCA) bei deren Einlieferung ins Krankenhaus initial am besten vorgegangen werden soll, ist noch immer nicht ganz klar. Mehr Sicherheit bei der Entscheidung über die initiale Behandlung verschafft Ärzten jetzt die in einer „Hot Line-Session“ beim ESC-Kongress vorgestellte TOMAHAWK-Studie – trotz oder gerade wegen ihres „neutralen“ Ergebnisses. Denn das könnte in der klinischen Praxis dabei helfen, künftig unnötige Katheteruntersuchungen nach Herzstillstand zu vermeiden.

 

Ziel der vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislaufforschung (DZHK) geförderten TOMAHAWK-Studie war zu klären, ob Patienten mit überlebtem Herzkreislaufstillstand außerhalb einer Klinik, bei denen bekanntlich häufig ein – anfänglich möglicherweise nicht erkannter – Herzinfarkt die Ursache ist, von einer rasch initiierten Koronarangiografie in Bezug auf die Mortalität profitieren oder ob es besser ist, sich zunächst auf die weitere Diagnostik zu konzentrieren und die Herzkatheter-Untersuchung - falls notwendig - erst zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen.

Kein Unterschied bei der 30-Tage-Mortalität

Die in TOMAHAWK gefundene Antwort ist eindeutig: Die Strategie, Patienten mit überlebtem Herzstillstand nach Einlieferung ins Krankenhaus routinemäßig rasch einer Koronarangiografie zu unterziehen, zahlt sich klinisch im Vergleich zu einer abwartenden Vorgehensweise nicht aus. Das geht aus den folgenden, von Studienleiter Prof. Steffen Desch, Herzzentrum Leipzig, präsentierten Ergebnissen klar hervor:

 

  • Mit 54,0% (sofortige Angiografie) versus 46,0% (verzögerte Angiografie) unterschieden sich die Raten für die Mortalität nach 30 Tagen (primärer Endpunkt) nicht signifikant (Hazard Ratio [HR]: 1,28; 95% Konfidenzintervall [KI]: 1,00 – 1,63; p=0,06).
  • Die Rate für den kombinierten Endpunkt aus Tod oder schwere neurologische Beeinträchtigung war mit 64,3% versus 55,6% in der Gruppe mit rasch eingeleiteter Angiografie höher als in der Kontrollgruppe mit abwartender, selektiver Strategie (Relatives Risiko: 1,16; 95% KI: 1,00 – 1,34).

 

Auch bezüglich weiterer Endpunkte wie Troponin-Freisetzung, Blutungen, Schlaganfälle oder akutes Nierenversagen mit konsekutiver Nierenersatztherapie bestanden keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen, berichtete Desch.

Nur Patienten ohne ST-Hebung im EKG ausgewählt

An der an 31 Zentren in Deutschland und Dänemark durchgeführten TOMAHAWK-Studie waren 554 nach Herzstillstand reanimierte Patienten ohne Anzeichen für eine ST-Hebung im EKG beteiligt. Davon waren 281 der Gruppe mit sofortiger Angiografie und 273 der Kontrollgruppe zugeteilt worden. Daten von 530 Teilnehmern gingen in die primäre Analyse ein.

 

In der Gruppe mit zügig initiierter Herzkatheter-Untersuchung erfolgte diese im Schnitt drei Stunden nach Herzstillstand (bei 95,5% der Patienten), in der Kontrollgruppe im Schnitt 47 Stunden nach Herzstillstand (bei 62,2% der Patienten). Eine perkutane Koronarintervention wurde de facto bei 37,2% respektive 43,2% der Teilnehmer durchgeführt.

 

Die TOMAHAWK-Ergebnisse bestätigen Ergebnisse der 2019 publizierten COACT-Studie. Auch in dieser Studie konnte – primär gemessen an der Mortalität nach 90 Tagen – kein Vorteil einer sofortigen Koronarangiografie bei reanimierten Patienten ohne ST-Hebung dokumentiert werden. Während das COACT-Studienkollektiv ausschließlich aus Patienten mit „schockbarem“ Rhythmus beim Herzstillstand bestand, waren an der TOMAHAWK-Studie Patienten mit „schockbarem“ wie auch „nicht schockbarem“ Rhythmus beteiligt.

Kommentar

TOMAHAWK ist zwar eine Studie mit „negativem“ oder „neutralem“ Ergebnis. Das schmälert aber nicht die Bedeutung dieses Ergebnisses für die klinische Praxis. Im Gegenteil: Die TOMAHAWK-Daten sprechen dafür, dass eine unverzügliche Abklärung der Koronarmorphologie bei nach Herzstillstand wiederbelebten Patienten ohne ST-Hebung offensichtlich nicht von höchster Priorität ist. Das dürfte bei der Entscheidung über die initiale Vorgehensweise nach Einlieferung solcher Patienten ins Krankenhaus eine hilfreiche Erkenntnis sein.

 

von Peter Overbeck


Literatur

Desch S: TOMAHAWK: immediate angiography after out-of-hospital cardiac arrest, Hot Line - TOMAHAWK, ESC Congress 2021 – The Digital Experience, 27. bis 30. August 2021

 

Desch S. et al. Angiography after Out-of-Hospital Cardiac Arrest without ST-Segment Elevation. N Engl J Med. 2021, DOI: 10.1056/NEJMoa2101909

Das könnte Sie auch interessieren

Torasemid oder Furosemid bei Herzinsuffizienz? Jetzt gibt es eine Antwort

Schon seit geraumer Zeit kursiert die These, dass Torasemid aufgrund eines potenziell günstigeren pharmakologischen Profils als Schleifendiuretikum bei Herzinsuffizienz im Vergleich zu Furosemid die bessere Wahl sei.

Neue Leitlinie: Wie man Schwangere mit Herzerkrankungen betreuen sollte

Eine Schwangerschaft geht mit hämodynamischen Veränderungen einher, die speziell für Frauen mit Herzerkrankungen ein hohes Komplikationsrisiko bergen können.

Dekompensierte Herzinsuffizienz: Frühe Einstellung auf Valsartan/Sacubitril sicher und effektiv

Dass Sacubitril/Valsartan, ein Angiotensin-Rezeptor–Neprilysin-Inhibitor (ARNI), kardiovaskuläre Mortalität und Klinikeinweisungen bei Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz im Vergleich zum ACE-Hemmer Enalapril deutlich stärker reduziert, ist in der PARADIGM-HF-Studie unter Beweis gestellt worden.

Diese Seite teilen