Komplette Revaskularisation bei Infarkt: FFR mit Vorteilen
Bei akutem Myokardinfarkt und Mehrgefäßerkrankung scheint die FFR-basierte PCI von Nichtinfarktgefäßen einer rein angiografischen Auswahl der Stenosen für die komplette Revaskularisation überlegen zu sein.
Die komplette Revaskularisation – also die Versorgung aller relevanten Stenosen bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt und koronarer Mehrgefäßerkrankung – hat Vorteile gegenüber einem Vorgehen, bei dem zunächst nur die Infarktläsion interventionell versorgt wird. Das haben mehrere Studien gezeigt. Doch wie genau sollten die Koronarläsionen ausgewählt werden, die neben der Infarktläsion noch versorgt werden?
Dieser Frage hat sich die FRAME-AMI Studie gewidmet, die Prof, Joo-Yong Hahn vom Samsung Medical Center in Seoul bei der ESC-Tagung in Barcelona vorgestellt hat. Die FRAME-AMI Studie hat eine Selektion der Stenosen mittels Bestimmung der fraktionellen Flussreserve (FFR) verglichen mit einer rein visuellen Selektion auf Basis des angiografischen Stenosegrads und der Einschätzung des intervenierenden Kardiologen.
STEMI/NSTEMI plus Mehrgefäßerkrankung
FRAME-AMI war eine koreanische Multicenter-Studie. Insgesamt 562 Patientinnen und Patienten mit STEMI oder NSTEMI und Mehrgefäßerkrankung wurden randomisiert. Nach Versorgung der Infarktläsion wurden in der einen Gruppe jene Stenosen revaskularisiert, die eine FFR von 0,80 oder kleiner aufwiesen. In der anderen Gruppe war dagegen der angiografische Stenosegrad entscheidend: Das PCI-Verdikt fiel bei Stenosen mit einem Stenosegrad von über 50%.
Prinzipiell sollte in beiden Gruppen, wenn möglich, eine komplette Revaskularisation während der Erstintervention angestrebt werden. Dies geschah bei etwa 60% aller Patienten. Bei den übrigen 40% gingen die intervenierenden Kardiologinnen und Kardiologen mehrzeitig vor, in jedem Fall aber während desselben Krankenhausaufenthalts.
Ergebnis war überraschend deutlich
Primärer Endpunkt der FRAME-AMI Studie war ein klinischer Komposit aus Gesamtsterblichkeit, erneutem Myokardinfarkt oder erneuter Revaskularisation. Der mediane Follow-up-Zeitraum betrug 3,5 Jahre, und das Ergebnis war überraschend deutlich: 7,4% der Patienten in der FFR-Gruppe erlitten ein Endpunktereignis, gegenüber 19,7% in der Gruppe mit kompletter Revaskularisation auf Basis der Stenosegrade – eine Risikoreduktion um gut 60% (HR: 0,43; 95%-KI: 0,25–0,75; p=0,003).
Der Vorteil zeigte sich dabei bei allen drei Endpunktkomponenten. 2,1% in der FFR-Gruppe waren nach vier Jahren verstorben, gegenüber 8,5% in der Gruppe ohne FFR (p=0,02). Einen erneuten Herzinfarkt hatten 2,5% bzw. 8,9% (p=0,009), und 4,3% bzw. 9% benötigten eine erneute Revaskularisation. Letzteres war nicht signifikant.
Was sind die klinischen Konsequenzen?
Gefragt nach den klinischen Konsequenzen der FRAME-AMI Studie sagte Hahn, er gehe davon aus, dass sich der bisher noch geringe Anteil von Infarktpatienten, die FFR-basiert versorgt werden, durch die Studie erhöhen werde. Vor einer Empfehlung in den Leitlinien seien allerdings Bestätigungsstudien bzw. eine größere randomisierte Studie nötig – zumal die FRAME-AMI Studie wegen Rekrutierungsproblemen im Kontext der COVID-Pandemie vorzeitig beendet wurde.
Literatur
Hahn J-Y: The FRAME-AMI trial – FFR vs. Angiography-guided PCI in AMI with multivessel disease. Hotline-Session 7; ESC Congress 2022, 26. bis 29. August in Barcelona