Innovativer extravaskulärer ICD besteht erste Bewährungsprobe
Für ein innovatives extravaskuläres ICD-System, bei dem die Elektrode unter dem Brustbein implantiert wird, hat in einer ersten prospektiven Multicenter-Studie gezeigt, dass sich damit ventrikuläre Tachykardien erfolgreich entdecken und terminieren lassen.
Der implantierbare Kardioverter-Defibrillator (ICD) kann Leben retten. Bei transvenösen ICD-Systemen können aber vor allem die durch eine Vene ins Herz vorgeschobenen Elektroden etwa wegen Infektionen oder mechanischen Komplikationen Probleme bereiten. Um solche Komplikationen zu vermeiden, ist der subkutane ICD entwickelt worden. Er kommt zwar gänzlich ohne transvenöse Elektroden aus, allerdings um den Preis, dass eine antibradykarde Stimulation nur sehr eingeschränkt und ein antitachykardes Pacing (ATP) gar nicht möglich ist.
ICD-Elektrode wird substernal bis nahe am Herzen platziert
Mit der Entwicklung des Extravascular Implantable Cardioverter Defibrillator (EV-ICD) ist versucht worden, die Vorteile transvenöser und subkutaner ICD-Systeme – Verzicht auf transvenöse Elektroden bei gleichzeitiger Möglichkeit von antibradykarder Stimulation und ATP – zu vereinen. Im Fall des EV-ICD wird die Elektrode nicht transvenös, sondern extravaskulär unter dem Sternum bis nahe am Herzen implantiert. Die Implantation des Generators erfolgt lateral im midaxillären Bereich.
Beim ESC-Kongress 2022 hat Dr. Ian Crozier vom Christchurch Hospital in Christchurch, Neuseeland, nun Ergebnisse der ersten größeren, an 46 Zentren in 17 Ländern durchgeführten Studie (Extravascular ICD Pivotal Study) zur Wirksamkeit und Sicherheit des EV-ICD-Systems (Hersteller: Medtronic) bei Patienten mit Indikation für eine primär- oder sekundärpräventive ICD-Implantation vorgestellt. Die Studie ist simultan im „New England Journal of Medicine“ publiziert worden.
Ziele bei den Endpunkten für Effektivität und Sicherheit erreicht
Bei 316 von 356 in die Studie aufgenommenen Patientinnen und Patienten war de facto ein Implantationsversuch vorgenommen worden Bei 302 Patienten, bei denen bei der Implantation ventrikuläre Arrhythmien induzierbar waren und die das komplette Testprotokoll der Defibrillation absolvierten, war die Defibrillation in 98,7% der Fälle erfolgreich (p<0,001 für den Vergleich der unteren Grenze des Konfidenzintervalls mit dem definierten Performance-Ziel von 88%).
Von den 316 Patienten waren 299 (94,6%) mit einem funktionierenden ICD-System entlassen worden. Der Anteil an Patienten, die auch nach sechs Monaten noch frei von schweren system- oder prozedurbezogenen Komplikationen waren, betrug in dieser Gruppe 92,6% (p<0,001 für den Vergleich der unteren Grenze des Konfidenzintervalls mit dem definierten Performance-Ziel von 79%).
Sowohl beim Effektivitäts- als auch beim Sicherheitsendpunkt der Studie waren mit diesen Ergebnissen die gesteckten Ziele erreicht worden.
Schwere intraprozedurale Komplikationen wurden nicht beobachtet. In einem mittleren Follow-up von 10,6 Monaten wurden acht EV-ICD-Systeme wieder explantiert, davon vier (1,3%) aufgrund von aufgetretenen Infektionen. Fälle von Mediastinitis, Sepsis oder Endokarditis, die im möglichen Zusammenhang mit dem extravaskulären ICD standen, wurden nicht beobachtet.
Rate von 8,5% für inadäquate Schocks nach sechs Monaten
Nach sechs Monaten waren bei 23 von 316 Studienteilnehmern (7,3%) insgesamt 25 Komplikationen aufgetreten. Am häufigsten handelte es sich dabei um Dislokationen von Elektroden (zehn Ereignisse bei neun Patienten).
Bei 29 Patienten waren im Zusammenhang mit 81 Arrhythmie-Ereignissen insgesamt 118 inadäquate Schocks ausgelöst worden. Als wesentlichen Grund führen die Studienautoren um Crozier ein T-Wellen-Oversensing an (bei 34 von 81 Episoden; 42%) an. Die Rate von 8,5% für inadäquate Schocks nach sechs Monaten sei höher als die von derzeit genutzten transvenösen ICD-Systemen, aber vergleichbar mit den Raten von transvenösen und subkutanen Systemen der frühen Generation. Inzwischen seien neue Algorithmen zur Vermeidung inadäquater Schocks durch den EV-ICD entwickelt worden, deren klinische Prüfung aber noch ausstehe.
Wie generalisierbar sind die Ergebnisse?
Eine Limitierung der einarmigen Studie sei das Fehlen einer Vergleichsgruppe mit implantierten transvenösen oder subkutanen ICD-Systemen, räumen die Studienautoren um Crozier ein.
Auch bezüglich der Generalisierbarkeit sehen sie Grenzen: Angesicht des relativ jungen Alters (im Mittel 53 Jahre) der Studienteilnehmer sei unklar, ob sich die Ergebnisse auch auf ältere und kränkere Patienten mit ICD-Indikation übertragen lassen.
Literatur
Crozier I: Primary Outcome Results from the Global Extravascular Implantable Cardioverter Defibrillator (EV ICD) Pivotal Study. Latest science in ICD and sudden cardiac death, ESC Congress 2022, 26. – 29. August 2022, Barcelona
Friedman P. et al. Efficacy and Safety of an Extravascular Implantable Cardioverter–Defibrillator. N Engl J Med 2022, DOI: 10.1056/NEJMoa2206485.