Nachrichten 30.07.2016

Herz- und Lungenmedizin gehören zusammen

Bei der Hannover Herz Lungen Messe standen u.a. lebensrettende Maßnahmen wie die minimalinvasive Implantation von Herzunterstützungssystemen (VAD) und die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) im Fokus.

Prof. Axel Haverich, Medizinische Hochschule Hannover, (MHH) erklärte: „Wir haben im vorigen Jahr 240 mal eine ECMO durchgeführt, davon 41 mal extern durch Einsatz unseres mobilen ECMO-Teams.“

Zum Beispiel bei einem 49-jährigen Patienten, der mit akutem Herzinfarkt in ein peripheres Krankenhaus kam. Sein Intensivtransport in die MHH war nur mit ECMO möglich. „Es war eine sehr dramatische Rettungsaktion und sehr schwierig, den Patienten zu stabilisieren. In nur wenigen Stunden haben wir im Herzkatheterlabor nach der Ursache geforscht und bei einem Ultraschall über die Speiseröhre festgestellt, dass eine Herzklappe rausgerissen war“, so Prof. Andreas Schäfer, Hannover, der den Patienten anschließend durch mehrere Operationen begleitete. „Wir konnten auch nachher nur mit dem ECMO-System stabilisieren, um Herz und Lunge langsam wieder an die Arbeit zu gewöhnen“, betonte Prof. Johann Bauersachs, Hannover.

Ein anderer Fall musste wegen schwerer Herzinsuffizienz und Myokarditis erst für einige Tage mit ECMO stabilisiert werden und bekam dann minimalinvasiv ein linksventrikuläres Herzunterstützungssystem (LVAD) implantiert. Danach war der 55-Jährige so weit belastungsfähig, dass der wieder radfahren konnte; er kam auf die Warteliste zur Herztransplantation und wartet auf ein Spenderorgan.

Patienten über 65 Jahre werden aufgrund hoher perioperativer Komplikationsraten und wegen des Spenderorganmangels oft nicht für eine Herztransplantation gelistet. LVAD werden hier zunehmend als Langzeittherapie („destination therapy“) eingesetzt. Mittlerweile gibt es viele Patienten, die damit seit über zehn Jahren leben. Besonders in der Langzeittherapie ist die Compliance essenziell für den Therapieerfolg. Zu möglichen Komplikationen mit LVAD zählen Thromboembolien und Blutungen bei unzureichender bzw. zu starker Antikoagulation oder Infektionen der Driveline-Austrittsstelle.

Künftige Entwicklungen

Ein VAD-System der neuen Generation ist HeartMate3TM, das durch einen künstlichen Puls ständig durchgespült wird und so weniger anfällig für Thrombenbildung ist. Das System verfügt über texturierte Blutkontaktflächen: Das Blut kommt, wie auch im Herzen, nur mit Gewebe und nicht mit künstlichen Materialien in Berührung. Der Patient trägt einen externen Controller und ein Akkusystem, das die Pumpe betreibt. Es kann bis zu 10 Liter Blut pro Minute, also die Gesamtmenge eines gesunden Herzens pumpen. Die 1-Jahres-Überlebensrate mit diesem Implantat beträgt 81 %. Derzeit tragen es rund 700 Patienten und bisher traten keinerlei Pumpenthrombosen auf.

Noch in der klinischen Entwicklung befindet sich die MVAD®-Pumpe. Sie ist weniger als halb so groß wie ihr Vorgängermodell, die HVAD®-Pumpe, das kleinste kommerziell erhältliche Vollunterstützungsimplantat, und wird mit einer weniger invasiven Thorakotomietechnik eingesetzt. Über einen steuerbaren Nahtring kann der Arzt die Einflusskanüle für den optimalen Blutfluss in der Pumpe positionieren. Die Steuer- und die Batterieeinheit des MVAD®-Systems sollen die Benutzung weiter verbessern die Driveline ist dünner. Die noch laufende Zulassungsstudie wurde aber wegen Problemen mit der Controller-Einheit unterbrochen.

Auch neuere VAD-Systeme dürften für eine bessere Implantierbarkeit künftig noch kleiner, die Controller leichter und die Lithiumbatterien stärker werden. Das ermöglicht eine drahtlose, netzwerkgestützte Fernüberwachung der Patientendaten rund um die Uhr, wie es bereits jetzt beim HeartAssist 5®-System der Fall ist. Weiterhin wird an vollimplantierbaren Systemen mit transkutaner Energiezufuhr gearbeitet, die folglich ohne Driveline auskommen, was das Infektionsrisiko erheblich verringern könnte.

Diese Systeme – von denen noch keines die Marktreife hat – haben das Potenzial zu einer echten „destination therapy“, weil sie womöglich langfristig vorteilhafter sind als eine Herztransplantation.

Die MHH hat die Entwicklung minimalinvasiver Verfahren zur VAD-Implantation vorangetrieben und praktiziert bevorzugt den schonenden Zugang via anterolateraler Thorakotomie und oberer Hemisternotomie. Minimalinvasiv operierte Patienten haben kleinere OP-Narben, kürzere Krankenhausaufenthalte und verringerte Infektionsrisiken. Im Moment liegt das 1-Jahres-Überleben mit nonpulsatilen intrakorporalen LVAD liegt bei 80 %, das 2-Jahres-Überleben bei 70 %. Ob sich das Outcome mit neuer Technik noch weiter verbessern lässt, bleibt abzuwarten.

Literatur

Symposium im Rahmen der Herz Lungen Messe Hannover (HHM) am 4.6.2016

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