Herzinsuffizienz-Studie mit Rivaroxaban: Da ist wohl was schiefgelaufen!
Für die kardiovaskuläre Prävention bei Herzinsuffizienz ist Rivaroxaban keine Option, suggeriert das „neutrale“ Hauptergebnisses der COMMANDER-HF-Studie. Im Nachhinein entdeckte regionale Unterschiede in der Studie nähren nun aber Zweifel an einem ordnungsgemäßen Studienablauf.
Weltweit durchgeführte Mega-Studien zeugen heute auch im kardiovaskulären Bereich von der erreichten Globalisierung der klinischen Forschung. Dadurch wird einerseits die Generalisierbarkeit der Studienergebnisse erhöht; andererseits besteht aber auch die Gefahr, dass regionale Unterschiede ungewollt Einfluss auf die Ergebnisse nehmen.
Letzteres könnte in der COMMANDER-HF-Studie der Fall gewesen sein. In einer Analyse von präspezifizierten Regionen, in der die regionalen Patientenprofile und Therapieeffekte verglichen wurden, kam jetzt nämlich zum Vorschein, dass speziell die Studienergebnisse in Ländern Osteuropas – immerhin die Region, die die meisten Studieneilnehmer beisteuerte – im Vergleich zu denen in anderen Regionen der Welt doch ziemlich aus dem Rahmen fallen. Das könnte zum „neutralen“ Effekt von Rivaroxaban beigetragen haben, so die Studienautoren.
COMMANDER-HF war bekanntlich der klinische Test darauf, ob sich bei Risikopatienten mit systolischer Herzinsuffizienz, die zuvor wegen dekompensierter Herzinsuffizienz behandelt worden sein mussten, die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse durch Rivaroxaban in niedriger Dosierung (2,5 mg zweimal täglich) weiter reduzieren lässt. Das Ergebnis war enttäuschend: Am Ende der Nachbeobachtung (im Mittel 21,1 Monate) waren die Raten für den primären kombinierten Endpunkt (Gesamtmortalität, Myokardinfarkte und Schlaganfälle) mit 25,0% im Rivaroxaban-Arm und 26,2% im Placebo-Arm nicht signifikant unterschiedlich waren (Hazard Ratio 0,94; 95% Konfidenzintervall 0,84-1,05, p=0,27).
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass Rivaroxaban zumindest das Risiko für thromboembolische Komplikationen signifikant reduziert hatte. Die Reduktion von Schlaganfällen schien dafür die entscheidende Triebkraft gewesen zu sein.
Die meisten Studienteilnehmer kamen aus Osteuropa
Von den mehr als 5.000 Studienteilnehmern stammten die meisten (64,2%) aus Osteuropa, 9,1% aus Westeuropa und Südafrika, 3,0% aus Nordamerika, 14,6% aus dem asiatisch-pazifischen Raum und 9,1% aus Lateinamerika. Die in Osteuropa rekrutierten Teilnehmer waren im Vergleich zu denen in anderen Regionen deutlich jünger. Koronarinterventionen oder eine Versorgung mit kardialen Devices waren in ihrer Vorgeschichte seltener dokumentiert. Auch bezüglich ihrer Nierenfunktion, ihrer BNP- oder NT-proBNP-Plasmakonzentration sowie der linksventrikulären Auswurffraktion standen in Osteuropa in die Studien aufgenommene Patienten im Vergleich tendenziell besser da.
Das spiegelte sich auch in einer im Vergleich deutlich niedrigeren Inzidenzrate für Ereignisse des primären kombinierten Endpunktes wider. Die entsprechende Rate betrug
- in Osteuropa 11,6 pro 100 Personenjahre,
- In Westeuropa/Südafrika 19,5 pro 100 Personenjahre,
- in Nordamerika 14,2 pro 100 Personenjahre
- im asiatisch-pazifischen Raum 17,7 pro 100 Personenjahre
- und in Lateinamerika 18,6 pro 100 Personenjahre.
Auch das Risiko für Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz sowie für Blutungsereignisse einschließlich Klinikeinweisungen wegen Blutungen waren in Osteuropa im Vergleich niedriger.
Starke Unterschiede beim Rivaroxaban-Nachweis im Blut
Hinzu kommt: Bei nach vier Wochen vorgenommenen Kontrollmessungen waren in Osteuropa in 21% der Proben keine Rivaroxaban-Spuren im Blut nachweisbar, im Vergleich zu 4,8% in den anderen Regionen. Die gemessene mediane Rivaroxaban-Konzentration war um 37% niedriger als in der übrigen Welt (28 vs. 45 mg/l, p=0,021).
Auch war der unter Rivaroxaban gewöhnlich zu beobachtende Abfall der D-Dimer-Plasmakonzentration, der zur Kontrolle der Therapieadhärenz herangezogen worden war, in Osteuropa relativ am geringsten, berichten die Studienautoren um Dr. João Pedro Ferreira vom Centre Hospitalier Régional Universitaire de Nancy.
Mangelnde Therapieadhärenz als Problem
Sie sehen deshalb Grund zur Annahme, dass die Adhärenzraten in den beteiligten osteuropäischen Ländern wie Bulgarien, Polen, Russland, Ukraine und Rumänien im Vergleich zu den anderen Regionen deutlich niedriger waren. Möglicherweise sei man an den dortigen Studienzentren in dem Bemühen, die Rekrutierung von Teilnehmern zu beschleunigen, bei der Auswahl von Patienten, die den Anforderungen an die Compliance in einer wissenschaftlichen Studie genügen, nicht selektiv genug gewesen. Als alternative Erklärung zieht die Gruppe um Ferreira in Betracht, dass aufgrund der hohen Rekrutierungsrate weniger Zeit vorhanden war, um geeignete Teilnehmer adäquat über die mit einer Studienteilnahme verbundenen Erfordernisse aufzuklären.
Könnten regionale Unterschiede das Ergebnis der COMMANDER-HF-Studie somit „verfälscht“ haben? Tatsache ist, dass für den Effekt von Rivaroxaban in Abhängigkeit von geografischen Regionen zumindest bezogen auf den primären kombinierten Studienendpunkt statistisch keine Heterogenität vorlag (p-Wert für Interaktion = 0,14). Für einen sekundären Endpunkt (Herzinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskuläre Mortalität) bestand hingegen Heterogenität (p-Wert für Interaktion = 0,017): Gemessen an diesem Endpunkt schien Rivaroxaban in Westeuropa/Südafrika, Nordamerika und Lateinamerika günstig wirksam gewesen zu sein, nicht aber in Osteuropa und den asiatisch-pazifischen Ländern. Allerdings war die Studie statistisch nicht dafür „gepowert“, regionale Unterschiede in der Wirksamkeit zuverlässig aufdecken zu können.
Parallelen zur TOPCAT-Studie
COMMANDER-HF ist nicht die erste Studie, die aufgrund von Ungereimtheiten bei der Patientenrekrutierung und der Compliance der beteiligten Patienten an wissenschaftlichem Wert eingebüßt hat. Ähnliches ist auch schon der TOPCAT-Studie widerfahren.
In TOPCAT sollte bekanntlich die Wirkung des Aldosteronblockers Spironolacton auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bei Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Auswurffraktion (HFpEF) geprüft werden. Am Ende resultierte auch aus dieser Studie ein „neutrales“ Hauptergebnis.
Auch im Fall von TOPCAT kamen im Nachhinein überraschende regionale Unterschiede bei den in Nord- und Südamerika sowie in Russland und Georgien rekrutierten Teilnehmern ans Licht. Diesmal waren die Ereignisraten bei den an Zentren in Russland und Georgien aufgenommenen Studienteilnehmern verdächtig niedrig. Zudem ergaben sich starke Anhaltspunkte dafür, dass in beiden Ländern die Therapieadhärenz der Teilnehmer ausgesprochen schlecht war.
Literatur
Ferreira J.P. et al.: Impact of Geographic Region on the COMMANDER-HF Trial. JACC Heart Fail. 2021; online 28. Januar. doi: 10.1016/j.jchf.2020.11.007.