Viel mehr Deutsche leiden an Herzinsuffizienz-Vorstufen als gedacht
Fast 60% der zufällig ausgewählten Teilnehmer einer Würzburger Studie wiesen ein hohes Herzinsuffizienz-Risiko auf, knapp jeder Fünfte hatte bereits strukturelle Veränderungen am Herzen. Erstaunlich war, dass viele jüngere Frauen darunter waren.
Die Auswertung der STAAB-Studie, die 5.000 Würzburger auf Vorstufen einer Herzinsuffizienz untersuchte, zeigt überraschende Ergebnisse. 42% der Teilnehmer befanden sich im Vorläuferstadium A einer Herzinsuffizienz, das heißt sie hatten mindestens einen Risikofaktor dafür. 45% davon hatten Bluthochdruck, 20% waren adipös und es waren auffällig viele junge Menschen zwischen 30 und 39 Jahren darunter.
17% weisen strukturelle Herzveränderungen auf
17% der Teilnehmer hatten bereits Stadium B erreicht: Sie wiesen strukturelle Veränderungen am Herzen auf, die noch keine Symptome verursachten, etwa verdickte Herzwände, erweiterte Kammern oder Einschränkungen der Pump- oder Füllfunktion. Überrascht waren die Forscher um Dr. Caroline Morbach vom Universitätsklinikum Würzburg, dass jeder Dritte in dieser Gruppe keinen Risikofaktor aufwies und somit Stadium A nicht durchlaufen hatte. Dies waren signifikant häufiger jüngere Frauen (78%), im Schnitt 47 Jahre alt.
Das bedeute jedoch nicht, dass fast 60% der Teilnehmer auch tatsächlich an Herzinsuffizienz erkranken werden, erläuterte Studienautor Prof. Götz Gelbrich in einer Pressemitteilung der Universität Würzburg. „Die Vorstufen A und B münden nicht zwingend in eine klinische Herzschwäche, sind jedoch Warnzeichen, die ernst genommen werden sollten, zumal sie auch zahlreiche andere gesundheitliche Folgen haben könnten“, so Gelbrich.
Warum sind junge Frauen so oft betroffen?
Noch keine Erklärung haben die Forscher dafür, dass vor allem jüngere Frauen oft eine vergrößerte linke Herzkammer hatten, gleichzeitig aber keinen bekannten Risikofaktor aufwiesen. „Obwohl wir viele Faktoren untersucht haben, etwa Alkoholkonsum, Bewegung, Depression oder Anämie, fanden wir keine eindeutige Ursache. Die Teilnehmer im Stadium B lebten sogar tendenziell gesünder als diejenigen mit normaler Größe und Funktion des Herzens“, sagte Erstautorin Morbach.
Hinweise auf bisher unbekannte Risikofaktoren?
Es liege nahe, dass es Risikofaktoren gebe, die bislang nicht als solche bekannt seien, ergänzte Studienautor Prof. Stefan Störk. Das zeige, dass bei den Betroffenen die derzeitigen Präventionsmaßnahmen nicht greifen. Gelbrich führte einen weiteren möglichen Grund für die Ergebnisse an: Die Grenze, ab der ein Ultraschallmesswert als abnormal gelte, sei für Männer und Frauen unterschiedlich. „Wir müssen klären, ob diese Messwerte tatsächlich eine ungünstige Prognose darstellen, oder ob nur die Grenzwerte unglücklich festgelegt wurden“, forderte er.
Die Teilnehmer der Studie wurden von der Stadt Würzburg nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und vom Forscherteam kontaktiert. Sie waren zwischen 30 und 79 Jahre alt. Diejenigen, bei denen keine Herzinsuffizienz bekannt war, wurden innerhalb von rund vier Jahren zweimal untersucht. Die Forscher analysierten zunächst die erste Hälfte und formulierten Hypothesen, die sie anhand der zweiten Hälfte überprüften. Sie planen Folgeuntersuchungen, um zu klären, ob die genannte Gruppe wirklich ein erhöhtes Risiko hat und ob es potenzielle weitere Risikofaktoren gibt.
Literatur
Morbach C et al. Prevalence and determinants of the precursor stages of heart failure: results from the population-based STAAB cohort study. European Journal of Preventive Cardiology 2020. https://doi.org/10.1177/2047487320922636
Pressemitteilung der Universität Würzburg: Wie gesund sind Würzburger Herzen? 13.05.2020.