Vorhofflimmern und bioprothetische Mitralklappe: Ist Rivaroxaban eine Option?
Als orales Antikoagulans bei Patienten mit Vorhofflimmern und implantierten Mitralklappen-Bioprothesen hat sich Rivaroxaban einem Vitamin-K-Antagonisten in einer randomisierten Vergleichsstudie als klinisch ebenbürtig („nicht unterlegen“) erwiesen.
Patienten mit Vorhofflimmern und implantierten Mitralklappen-Bioprothesen benötigen zumeist eine orale Antikoagulation. Ob dafür auch Nicht-Vitamin-K-abhängige Antikoagulanzien (NOAK) als Alternative zu Vitamin-K-Antagonisten (VKA) infrage kommen, war bislang mangels valider Studiendaten unklar.
Zumindest für Rivaroxaban liegen nun Ergebnisse einer randomisierten Studie zum Vergleich mit einem VKA vor. In der auf den Nachweis von „Nicht-Unterlegenheit“ angelegten RIVER-Studie konnte gezeigt werden, dass eine Antikoagulation mit Rivaroxaban bezüglich der Häufigkeit von Todesfällen, kardiovaskulären Ereignissen und Blutungen innerhalb eines Jahres der Behandlung mit Warfarin praktisch ebenbürtig war.
Studienleiter Dr. Ottavio Berwanger vom HCor Research Institute and Hospital Israelita Albert Einstein in São Paulo, Brasilien, hat die simultan im „New England Journal of Medicine“ publizierte Studie beim virtuellen Kongress der American Heart Association (AHA) vorgestellt.
In die RIVER-Studie waren an 49 Zentren in Brasilien 1005 Patienten (mittleres Alter: 59,3 Jahre; 60,4% Frauen) mit Vorhofflimmern aufgenommen worden, bei denen im Verlauf der vorangegangenen zehn Jahren in einer Herzoperation eine Mitralklappen-Bioprothese eingesetzt worden war. Nach Zufallszuteilung erhielten sie zur oralen Antikoagulation entweder Rivaroxaban (20 mg/Tag, 15 mg bei renaler Dysfunktion) oder Warfarin (INR-Zielbereich: 2-3).
„Nicht-Unterlegenheit“ von Rivaroxaban bestätigt
Primärer Studienendpunkt war eine Kombination der Ereignisse Tod, kardiovaskuläre Komplikationen (Schlaganfall, TIA, Klappenthrombosen, systemische Embolien und Klinikeinweisungen wegen Herzinsuffizienz) und schwere Blutungen.
Wie Berwanger berichtete, trat ein Ereignis des primären Endpunktes in der Rivaroxaban-Gruppe im Mittel nach 347,5 Tagen und in der Warfarin-Gruppe nach 340,1 Tagen auf (p<0,001 für Nicht-Unterlegenheit). Mit Rivaroxaban behandelte Patienten waren demnach im Vergleich im Mittel 7,4 Tage länger frei von entsprechenden Ereignissen, so der RIVER-Studienleiter.
Das sind weitere Ergebnisse der Studie:
- Bezüglich kardiovaskulär oder durch Thromboembolien verursachte Todesfälle betrugen die Ereignisraten 3,4% im Rivaroxaban-Arm und 5,1% im Warfarin-Arm der Studie.
- Die Inzidenzrate für Schlaganfälle war mit 0,6% vs. 2,4% unter Rivaroxaban niedriger als unter Warfarin. Die Inzidenz von Klappenthrombosen war niedrig (1,0% vs. 0,6%) und nicht unterschiedlich.
- Bezüglich der Rate an schwerwiegenden Blutungen (1,4% vs. 2,6) bestand kein Unterschied zwischen beiden Gruppen. Intrakranielle oder tödliche Blutungen wurden unter Rivaroxaban nicht beobachtete, während es unter Warfarin fünf respektive zwei Fälle gab.
Aufgrund der relativ niedrigen Zahlen und den weiten Konfidenzintervalle sollten diese sekundären Ergebnisse allerding mit Vorsicht interpretiert werden, so Berwanger. Insgesamt sprechen die Ergebnisse der RIVER-Studie nach seiner Einschätzung dafür, dass eine Behandlung mit Rivaroxaban, das kein Gerinnungsmonitoring erfordere und eine stabile, von Einflüssen durch Nahrung und Begleittherapien weniger beeinflusste Gerinnungshemmung ermögliche, eine „attraktive Alternative zu Warfarin“ bei der Patientengruppe mit Vorhofflimmern und bioprothetischen Mitralklappen sein könne.
Wie repräsentativ sind die RIVER-Ergebnisse?
In ihrer Kommentierung wies Dr. Elaine Hylek von der Boston University School of Medicine als offizielle Diskutantin allerdings auch auf mögliche Limitierungen der Studie hin. Sie erinnerte daran, dass das Alter (im Mittel 59 Jahre) und entsprechend auch das im CHA2DS2-VASc-Score (im Mittel 2,7) abgebildete Risiko der Studienteilnehmer relativ niedrig waren.
Das könne einerseits von Vorteil gewesen sein, damit das von den Herzklappen-Bioprothesen ausgehende thrombotische Risiko besser isoliert zum Ausdruck kommen könne. Andererseits sei aber zu bedenken, dass von den Ergebnissen bei diesen Patienten nicht zwangsläufig auf ältere Patienten, bei denen bioprothetische Herzklappen eine Option seien, extrapoliert werden könne.
Literatur
Berwanger O.; Patients With Bioprosthetic Mitral Valves And Atrial Fibrillation Or Flutter: Primary Results From The RIVER Randomized Trial. Vorgestellt in der Sitzung “Late-breaking Science III” beim virtuellen Kongress der American Heart Association (AHA) 2020 (13. – 17. November 2020).
Guimarães H.P. et al.: Rivaroxaban in patients with atrial fibrillation and a bioprosthetic mitral valve. N Engl J Med. 2020, online 14. November.