Zerebrale Protektionssysteme bei TAVI-Prozeduren selten genutzt
Der Nutzen zerebraler Protektionssysteme bei der Implantation von Katheter-Aortenklappen ist unklar. An deutschen Zentren werden diese Systeme derzeit nur sehr zurückhaltend eingesetzt, dokumentiert eine aktuelle Analyse.
Bei der Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) besteht die Gefahr, dass durch mechanische Manipulation Partikel etwa aus verkalkten Herzklappen freigesetzt werden, die ins Gehirn embolisieren und dort ischämische Läsionen bis hin zu klinisch manifesten Schlaganfällen hervorrufen können.
Für den intraprozeduralen Hirnschutz bei TAVI-Eingriffen sind deshalb spezielle Filtersysteme entwickelt worden, mit deren Hilfe Emboliepartikel während des TAVI-Eingriffs an den hirnzuführenden Gefäßen aufgefangen und geborgen werden können.
An deutschen Zentren wird die Möglichkeit der zerebralen Embolieprotektion bei TAVI-Eingriffen bislang aber nur sehr selten genutzt. Davon zeugen Ergebnisse der Analyse einer Untersuchergruppe um PD Dr. Peter Stachon vom Universitäts-Herzzentrum Freiburg. Ihre Analyse stützt sich auf Informationen des Forschungsdatenzentrums des Statistischen Bundesamtes (DESTATIS), denen wiederum bundesweit erhobene Daten zu insgesamt 41.654 zwischen 2015 und 2017 in Deutschland durchgeführten transfemoralen TAVI-Prozeduren zugrunde liegen.
Obwohl der Gebrauch zerebraler Protektionssysteme – zum Einsatz kam das Doppelfiltersystem Sentinel (Boston Scientific) – in dieser Zeit tendenziell leicht zunahm, betrug der Anteil an TAVI-Prozeduren mit entsprechender Schutzmaßnahme insgesamt nur 3,8%. Der Anteil wäre sogar noch niedriger gewesen, wenn nicht auch Daten aus dem Ulmer Sentinel-Register in die Analyse eingegangen wären, so die Studienautoren.
Keine Assoziation mit niedrigerer Schlaganfallrate
Die intraprozedurale Nutzung von zerebralen Embolieschutzsystemen war mit keiner signifikanten Abnahme von Schlaganfällen assoziiert (p = 0,069). Auch bezüglich der Entwicklung von postinterventionellem Delir war ein Bezug zur Verwendung zerebraler Protektionssysteme nicht nachweisbar (p=0,106).
Obwohl sich demnach keine Anhaltspunkte für eine Reduktion vor prozedurbedingten Hirnschädigungen boten, war die In-Hospital-Sterblichkeit in der kleinen Subgruppe mit Verwendung von Hirnschutz-Devices bei den TAVI-Eingriffen signifikant niedriger (p=0,034). Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass Patienten dieser Subgruppe häufiger an Zentren mit hoher Expertise behandelt worden waren, so die Autorengruppe um Stachon.
Zu früh für die routinemäßige Verwendung
Das Konzept, das Gehirn bei kathetergestützten Aortenklappen-Implantation vor embolisch bedingten Schäden zu schützen, ist intuitiv einleuchtend. Derzeit ist aber die Beweislage dafür, dass daraus auch ein wirksamer Schutz gegen Schlaganfälle resultiert, noch relativ schwach.
Eine routinemäßige Verwendung von zerebralen Protektionssystemen könne deshalb ohne weitere randomisierte Studien nicht empfohlen werden, lautet die Schlussfolgerung der Studienautoren um Stachon.
Derzeit sei dem Einsatz dieser Systeme eine individuelle Risikoabwägung zugrunde zu legen, heißt es dazu in einem 2020 erschienenen Konsensuspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) zum Management bei TAVI.
Große randomisierte Studie ist unterwegs
Antworten auf viele noch offene Fragen kann möglicherweise die im Februar 2020 gestartete randomisierte PROTECTED TAVR (Stroke Protection With Sentinel During Transcatheter Aortic Valve Replacement)-Studie geben. Sie soll definitiv klären, ob sich mithilfe des Sentinel-Systems das Risiko für periprozedurale Schlaganfälle nach TAVI-Prozeduren (≤ 72 Stunden) signifikant reduzieren lässt.
Geplant ist die Aufnahme von rund 3.000 Patienten in die Studie. Sollte die Ereignisrate niedriger als erwartet sein, ist eine Rekrutierung von bis zu 6.000 Studienteilnehmern vorgesehen.
Literatur
Stachon P. et al.: The Use and Outcomes of Cerebral Protection Devices for Patients Undergoing Transfemoral Transcatheter Aortic Valve Replacement in Clinical Practice. J Am Coll Cardiol Cardiovasc Interv. 2021; 14 (2): 161–168.