20.10.2017 | Herzklappenfehler | Nachrichten
Erhöhten Blutdruck als Risikofaktor für Mitralinsuffizienz entlarvt
Die oft als „degenerativ“ eingestufte Mitralklappeninsuffizienz scheint keine unvermeidliche Konsequenz des Älterwerdens zu sein. Eine neue Studie zeigt nun eine deutliche Beziehung zu erhöhten Blutdruckwerten auf. Damit könnten sich Möglichkeiten der Vorbeugung eröffnen.
Die Mitralklappeninsuffizienz ist nach der Aortenklappenstenose die zweithäufigste Herzklappenerkrankung. Dabei wird zwischen einer primären und einer sekundären Form unterschieden.
Die primäre Form ist durch Erkrankungen der Mitralklappe und des Mitralklappenhalteapparats gekennzeichnet. Die sekundäre oder funktionelle Mitralinsuffizienz ist Folge einer veränderten Geometrie des Mitralklappenapparats, die wiederum durch kardiale Umbauprozesse etwa bei KHK, Kardiomyopathien oder Myokarditis hervorgerufen wird. Daraus resultiert eine Maladaptation der Klappensegel, wobei die Mitralklappen – anders als bei der primären Form - per se nicht pathologisch verändert sein müssen.
Die Prävalenz der Mitralinsuffizienz nimmt mit dem Alter zu. Sie wird deshalb oft als altersbedingte und damit in ihrer Entstehung nicht beeinflussbare „degenerative“ Erkrankungen charakterisiert. Gesicherte Risikofaktoren, durch deren Veränderung sich das Mitralinsuffizienz-Risiko senken ließe, waren bislang nicht bekannt.
Daten von mehr als 5,5 Millionen Patienten analysiert
Die Studie einer Arbeitsgruppe um Dr. Kazem Rahimi aus Oxford könnte daran etwas ändern. Um einer möglichen Assoziation von erhöhten Blutdruckwerten mit der Entwicklung einer Mitralinsuffizienz auf die Spur zu kommen, haben die Untersuchen zwischen 1990 und 2015 erhobene Daten von mehr als 5,5 Millionen Patienten aus der CPRD-Datenbank (United Kingdom Clinical Practice Research Datalink) analysiert. Bei ihnen durfte zu Beginn keine bekannte kardiovaskuläre oder valvuläre Erkrankung vorliegen.
Innerhalb einer zehnjährigen Follow-up-Periode entwickelten 28.655 Personen (0,52%) eine Mitralinsuffizienz, weitere 1.262 (0,02%) eine Mitralstenose. Die Analyse ergab, dass die Höhe des systolischen Blutdruck in log-linearer Beziehung zum Risiko für Mitralinsuffizienz stand, ohne dass ein oberer oder unterer Schwellenwert auszumachen war. Jede Erhöhung des systolischen Blutdrucks um 20 mmHg war mit einem um 26% höheren Risiko für Mitralinsuffizienz assoziiert (Hazard Ratio 1.26).
Effekt primär über direkte Mechanismen vermittelt?
Diese Assoziation war nach Berechnungen der Autoren nur zu einem geringen Teil auf das Auftreten von Erkrankungen wie KHK, Herzinfarkt, Kardiomyopathie oder Herzinsuffizienz – also von Ursachen für eine sekundäre Mitralinsuffizienz – im Untersuchungszeitraum zurückzuführen. Durch eine vorgenommene Adjustierung für diese Faktoren wurde deshalb auch die Assoziation von erhöhten Blutdruckwerten und Mitralinsuffizienz nicht wesentlich verändert (adjustierte Hazard Ratio 1.22, p < 0.001).
Der größere Teil des Blutdruckeffekts auf die Mitralinsuffizienz war somit unabhängig von diesen Erkrankungen. Das könnte nach Ansicht der Studienautoren bedeuten, dass ein erhöhter Blutdruck die Entwicklung von Mitralinsuffizienz im Wesenlichen direkt über Mechanismen, die unabhängig von der Ventrikeldilatation sind, beeinflusst. Damit könnte die Möglichkeit bestehen, über eine Normalisierung der Blutdruckwerte auch die Inzidenz der Mitralinsuffizienz zu reduzieren.
Mit Blick auf die Mitralstenose kann die Studie keine solche Hoffnung wecken: Eine Assoziation dieser spezifischen Mitralklappenveränderung mit erhöhten Blutdruckwerten war nicht nachweisbar.
Rahimi K, et al.: Elevated blood pressure and risk of mitral regurgitation: a longitudinal cohort study of 5.5 million United Kingdom adults. PLOS Med. 2017; publiziert am 17. Oktober 2017, https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1002404