Weniger Komplikationen mit kabellosem Herzschrittmacher
Eine kabelloser Herzschrittmacher hat in puncto Sicherheit in einer großen Vergleichsstudie gut abgeschnitten: Die damit einhergehende Rate an Komplikationen war nach sechs Monaten um mehr als 60% niedriger als nach Implantation transvenöser Schrittmachersysteme.
Das ohne transvenöse Elektrodenkabel auskommende Micra-Schrittmachersystem (Medtronic) hat sich bereits in Registerstudien wie Micra-IDE (Micra investigational device exemption study) und Micra-PAR (Micra Post Approval Registry) im Vergleich zu konventionellen Schrittmachern bezüglich der Rate an Komplikationen als vorteilhaft erwiesen.
Dieser Sicherheitsvorteil konnte nun in der Micra-CED-Studie (Micra Continued Evidence Development) auch unter Alltagsbedingungen der klinischen Routinepraxis bestätigt werden. Trotz eines durch mehr Begleiterkrankungen bedingten höheren Ausgangsrisikos waren am Ende bei Patienten, die das Micra-System erhalten hatten, deutlich weniger Schrittmacher-bezogene Komplikationen zu verzeichnen als bei mit transvenösen Herzschrittmachern versorgten Patienten.
Dr. Jonathan Piccini vom Duke University Medical Center in Durham hat die Micra-CED-Ergebnisse bei der „virtuellen”, d.h. rein digital präsentierten Jahrestagung 2020 der Heart Rhythm Society (HRS) vorgestellt.
Mehr als 5.700 Patienten erhielten kabellosen Schrittmacher
Basis der Analyse bildeten Daten von Patienten mit Schrittmacher-Indikation (alleinige VVI-Stimulation) aus der staatlichen US-Krankenversicherung Medicare für US-Bürger im Alter über 65 Jahre. Verglichen wurden 5.746 Patienten, die im Rahmen des Medicare-Programms den sondenlosen Micra-Schrittmacher erhalten hatten, mit 9.662 Patienten, bei denen ein konventioneller transvenöser Schrittmacher implantiert worden war.
Obwohl die Patienten der Micra-Gruppe im Schnitt drei Jahre jünger waren als die Patienten der Vergleichsgruppe (79,7 vs. 82,0 Jahre), bildeten sie aufgrund vermehrter Begleiterkrankungen wie KHK, COPD und Niereninsuffizienz das kränkere Kollektiv. Zum Ausgleich bestehender Unterschiede zwischen beiden Gruppen nahmen die Studienautoren diverse Adjustierungen (propensity score overlap weights) vor.
Bezüglich der Gesamtrate aller beobachteten Akutkomplikationen innerhalb der ersten 30 Tage nach Implantation bestand in der adjustierten Analyse kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen (7,7% vs. 7,4%). Geräte-bezogene Komplikationen waren in der Micra-Gruppe seltener (1,4% vs. 2,5%), Probleme an der Punktionsstelle (1,2% vs. 0,3%) sowie Perikardergüsse/kardiale Perforationen (0,8% vs. 0,4%) dagegen häufiger als in der Gruppe mit herkömmlichen Schrittmachern.
Komplikationsrate um 66% niedriger
Nach sechs Monaten betrug die Komplikationsrate 3,3% in der Micra-Gruppe und 9,4% in der Gruppe mit transvenösen Herzschrittmachern (Hazard Ratio, HR: 0,34; 95%-Konfidenzintervall: 0,28-0,43, p < 0,001).
Der Unterschied entspricht einer signifikanten relativen Risikoreduktion bezüglich Komplikationen um 66% durch den kabellosen Schrittmacher („leadless pacer“). Ausschlaggebend dafür war der Unterschied bei der Pneumothorax-Rate, die in der Gruppe mit konventionellen Schrittmachern überraschend hoch war (5,4% vs. 0%).
Die Rate für erneute Eingriffe an den Schrittmachern (Revisionen) war nach sechs Monaten in der Micra-Gruppe zwar numerisch, aber nicht signifikant niedriger als in der Vergleichsgruppe (1,7% vs. 2,8%; HR: 0,63; 95%-KI: 0,36-1,12, p=0,12). Die Raten für die Gesamtmortalität waren in beiden Gruppen nahezu identisch (HR: 1,00; 95%-KI: 0,89-1,12, p = 0,93).
1-Kammer-Stimulation schränkt Anwendung derzeit ein
Die kardiale Stimulation durch kabellose Herzschrittmacher, die per Katheter im rechten Ventrikel platziert und dort direkt an der Herzwand fixiert werden, ist eine vielversprechende Innovation in der kardialen Device-Therapie. Da keine subkutane Tasche für das Aggregat und keine transvenös zum Herzen führenden Elektroden benötigt werden, bleiben damit verbundene Komplikationen wie Infektionen oder Dislokationen den Patienten erspart. Solche Komplikationen betreffen nach Angaben Piccinis im Laufe der Zeit etwa jeden 8. Patienten mit konventionellen Schrittmachersystemen.
Entscheidende Limitierung der derzeit verfügbaren kabellosen Schrittmacher ist allerdings, dass sie nur für eine rein ventrikuläre 1-Kammer-Stimulation infrage kommen. Das grenzt ihre Anwendbarkeit auf einen relativ kleinen Kreis von Patienten ein. In der Praxis sind das zumeist ältere Patienten mit bradykardem Vorhofflimmern oder Patienten mit schwierigem Zugang für konventionelle Schrittmachersysteme.
Literatur
Piccini JP. Comparison of outcomes among patients implanted with a tined leadless versus transvenous single-chamber ventricular pacemaker in the novel Micra CED study. Heart Rhythm Society Scientific Sessions 2020 (HRS 2020 Scientific Sessions virtual), online 8. Mai 2020